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Köln: Interview mit Martin Lotz | Polizei-Einsatzleiter über Demos und den 11.11.


Sicherheitslage
Polizei-Einsatzleiter: "Besteht immer Gefahr, dass es eskaliert"

InterviewVon Shonai Halfbrodt

25.11.2023Lesedauer: 7 Min.
Interview
Unsere Interview-Regel

Der Gesprächspartner muss auf jede unserer Fragen antworten. Anschließend bekommt er seine Antworten vorgelegt und kann sie autorisieren.

Zum journalistischen Leitbild von t-online.
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Solidaritätsdemo von Palästinensern in Köln (Archivbild): Diese Kundgebungen häufen sich seit dem Beginn des Krieges in Israel. (Quelle: imago images)

Martin Lotz ist Direktionsleiter Gefahrenabwehr/Einsatz bei der Kölner Polizei. t-online sprach mit ihm über pro-palästinensische Kundgebungen, den Sessionsauftakt am 11.11. und die Sicherheit der Weihnachtsmärkte.

t-online: Herr Lotz, seit dem 7. Oktober, dem Angriff auf Israel durch die Terrororganisation Hamas, steht auch die Kölner Polizei vor weiteren Herausforderungen.

Martin Lotz: Ja, das sind im Wesentlichen der Schutz jüdischer Einrichtungen und das
Versammlungsgeschehen. Diese beiden Bereiche haben sich deutlich verändert. In Köln und Leverkusen gibt es acht jüdische Objekte, an denen wir den Schutz seit
dem 7. Oktober erhöht haben. Das bedeutet, dass mehr Personal eingesetzt werden
muss. Ein hundertprozentiger Schutz ist aber auch dadurch nicht möglich, das dürfte
allen klar sein.

Wie wird entschieden, ob der Schutz erhöht wird?

Das kann ich Ihnen nur ganz grob erklären, viel darf ich dazu nicht sagen. Aber es
gibt natürlich immer eine generelle Vorgabe, an die wir uns halten.

Woher kommen diese Vorgaben?

Die kommen vom Innenministerium oder vom Land NRW. Das ist eine Möglichkeit, um
einen erhöhten Schutz zu verfügen. Die andere ist, dass wir selbst eine Bewertung
der Gefährdungslage machen, und das passiert tatsächlich regelmäßig. Wir schauen
dann, wann aus einer abstrakten Gefährdung etwas Konkretes wird. Sollten wir da
etwas feststellen, werden die Maßnahmen angepasst.

Die andere Sache, die uns jedoch noch stärker belastet, sind die Versammlungen –
die pro-palästinensischen wie auch die pro-israelischen, aber auch solche, die nicht
klar zuzuordnen sind.

Martin Lotz
Martin Lotz (Quelle: Polizei Köln)

Unser Gesprächspartner

Martin Lotz ist seit 2015 Direktionsleiter Gefahrenabwehr/Einsatz bei der Kölner Polizei. Zuvor leitete er dort die Verkehrsdirektion.

Was genau sind da die Herausforderungen, vor denen Sie stehen?

Gerade, wenn es zu Gegendemonstrationen kommt, müssen wir uns genau
überlegen, wie wir den Einsatz anlegen und wie wir die Demonstranten verteilen.

Können Sie das genauer erklären?

Ein Versammlungsleiter zeigt eine Versammlung an und möchte beispielsweise auf
den Heumarkt. Dann wird eine Gegendemonstration angezeigt, die am gleichen
Ort stattfinden soll. Dann braucht es von unserer Seite Verhandlungsgeschick, dass
beide Seiten mit uns kooperieren, um eine polizeiliche Sicherung gewährleisten zu
können.

Entweder schafft man es, beide Lager auf verschiedene Bereiche zu
verteilen, oder man muss Maßnahmen wie das Aufstellen von Gittern ergreifen, um
die Demonstrierenden zu trennen. Das wiederum ist sehr aufwendig und braucht
wieder zusätzliches Personal.

Das sind Herausforderungen, die Sie bei vielen Demonstrationen mit Gegenveranstaltungen haben. Worin liegen denn gerade bei den pro-palästinensischen Kundgebungen die Schwierigkeiten?

Es gibt Fahnen, Symboliken oder Sprechchöre, die nicht in deutscher Sprache sind.
Da müssen wir genau hinschauen und erkennen, was propagiert wird, um dort entsprechende strafrechtliche Bewertungen bzw. Strafanzeigen zu fertigen und das
Ganze dann auch gerichtlich verwertbar der Staatsanwaltschaft zu übergeben.

Das ist eine hohe Anforderung, bei der es auch Fingerspitzengefühl bedarf. Denn es
besteht immer die Gefahr, dass die Situation eskaliert, sodass man von
Versammlung zu Versammlung mit mehr Widerstand rechnen muss. Das ist eine
besondere Herausforderung, der wir uns stellen und mit konsequenter Haltung, im
Rahmen des Rechts, vorgehen, um es gar nicht erst so weit kommen zu lassen.

Sie haben es gerade schon angesprochen: Auf den vielen pro-palästinensischen Kundgebungen gibt es Fahnen und Symboliken, die nicht auf Deutsch sind. Wie schwer ist es für die Einsatzkräfte, während einer solchen Veranstaltung strafrechtlich relevante Dinge zu erkennen?

Wir haben Dolmetscher und auch Islamwissenschaftler im Einsatz. Also wirkliche
Fachleute, die sich genau mit der Thematik und der Kultur auskennen. Wir setzen
alles ein, was geht, aber trotzdem werden wir nicht alles verhindern können.

Außerdem schreibt sich das Recht immer fort, was bedeutet: Das, was heute
vielleicht noch geduldet wird, ist morgen vielleicht schon strafbar. Dieser
Entwicklung müssen wir uns immer bewusst sein. Das schaffen wir in der Regel so,
dass wir sehr niedrig ansetzen und den Verdacht einer Straftat schon entsprechend
dokumentieren, festhalten, fotografieren und auch Personalien feststellen. Danach
muss die Staatsanwaltschaft und später vielleicht auch ein Gericht entscheiden, ob
das zum derzeitigen Zeitpunkt auch wirklich strafwürdig war oder nicht.

Dabei machen wir es uns aber auch nicht einfach. Wir versuchen, so gut es geht zu
differenzieren, um niemanden unter Generalverdacht zu stellen. Die Kunst dabei ist,
bei jeder Versammlung möglichst gleich vorzugehen.

Wie oft kommt es vor, dass tatsächlich Demos unter falschem Vorwand angemeldet werden?

Das kommt vor, aber das merken wir sehr schnell.

Hat sich die Stimmung bei Versammlungen verändert?

Man kann die Versammlungen, die in der Vergangenheit stattfanden, nicht alle so
einfach miteinander vergleichen. Jede Demonstration oder Kundgebung ist anders
motiviert, was jedes Mal eine andere Stimmung mit sich bringt. Die Kundgebungen
in Bezug auf Israel und Palästina sind aktuell sehr emotional. Das stellen wir
durchaus fest.

Ich würde jetzt aber nicht sagen, dass sich alles hier verschärft hat. So schlimm ist
es nicht. Dennoch passiert polizeilich mehr als sonst, bei gleichbleibenden
Ressourcen. Wir hatten vor acht Jahren noch ungefähr 800 Versammlungen im Jahr.
Im Moment liegen wir bei 1.800 und dabei stehen mir nicht mehr Einsatzkräfte zur
Verfügung.

Wie viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen haben Sie denn genau?

Für die Gefahrenabwehr stehen mir ungefähr 1.700 Leute zur Verfügung.

Auch an Karneval kommen zahlreiche Kräfte der Polizei zum Einsatz. Der 11.11. liegt noch nicht so lange zurück. Wie war Ihr Eindruck vom Sessionsauftakt an der Zülpicher Straße?

Es gab im Vergleich zum letzten Mal einen noch größeren Zulauf. Das
war ein bisschen zu erwarten, auch weil der 11.11. auf einen Samstag gefallen
ist. Polizeilich gesehen ist der Einsatz recht gut gelaufen. Wir haben ein paar
Einsätze weniger gehabt als letztes Jahr und es gab in bestimmten Bereichen ein
paar Straftaten weniger.

Wir haben aus unseren Erfahrungen vom letzten 11.11. und auch von
Weiberfastnacht gelernt und unser Konzept in diesem Jahr anpassen können –
gemeinsam mit der Stadt.

So konnten wir zum Beispiel eine Drucksituation auf der Zülpicher Straße, wie es sie
im vergangenen Jahr gab, verhindern und das, obwohl die Ausweichflächen deutlich
stärker besucht waren.

Wie viele Leute haben in diesem Jahr auf den Ausweichflächen gefeiert?

Nach unseren Erkenntnissen waren zwischen 60.000 und 65.000 Besucher allein auf
den Ausweichflächen. Das sind schon sehr viele. Aber wir haben die Rückmeldung
bekommen, dass sich dort alle wohlgefühlt haben – trotz der Menge an Leuten.

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Dabei sind die Ausweichflächen gar nicht primär als Bereich zum Feiern
gedacht.

Das ist richtig. Wir haben auch die Sorge, dass künftig noch mehr Menschen die
Ausweichfläche als alternativen Standort zum Feiern nutzen. Wenn künftig noch
mehr Menschen auf der Ausweichfläche feiern, bekommen wir Probleme mit den
Grünflächen. Das hat man in diesem Jahr schon gesehen, als viele Feiernde rüber
zum Aachener Weiher gelaufen sind und Flaschen und Müll dagelassen haben. Das
ist eine Entwicklung, die wir im Blick behalten müssen.

Was wäre denn Ihrer Meinung nach eine Lösung?

Ich kann mir eine Alternativ-Veranstaltung an einem anderen Ort vorstellen. Das
muss dann aber auch angenommen werden. Die mediale Berichterstattung über die
Zülpicher Straße führt aktuell allerdings eher zum Gegenteil. Es wird darüber
berichtet, wie problematisch der Bereich ist, und dann sagen sich viele: Das wollen
wir sehen, da will ich hin, das will ich auch erleben.

Sie haben gerade schon angesprochen, dass Sie sich jetzt schon Gedanken
über Weiberfastnacht im Februar machen. Wann haben Sie denn mit der
Planung zum diesjährigen 11.11. begonnen?

Wir schauen nach jedem Einsatz, welche Lehren wir daraus ziehen können und
gehen danach direkt in die Vorbereitung. Die groben Planungen gingen somit direkt
nach Weiberfastnacht los.

Wie unterscheidet sich der Einsatz an Karneval von einer Pro-Palästina-Demo oder einer Pro-Israel-Demo? Sehen Sie da verschiedene Herausforderungen?

An Karneval besteht das Interesse, gemeinsam zu feiern, das ist etwas ganz
anderes, als wenn man eine politische Meinung transportieren will – dann ist nämlich
auch mit einer Reaktion zu rechnen. Das ist beim Karneval nicht der Fall.

An Karneval geht es für die Polizei darum, Gefahrenabwehr zu betreiben. Die
Gefahren kommen dabei aus der Menge der Menschen. Wir schauen gemeinsam mit
Stadt, Veranstalter und Feuerwehr, dass es nicht zu einer Panik kommt. Dazu
kommen alkoholisierte Menschen, die sich selbst oder andere gefährden. Hier
kommt es im Vorfeld wieder auf die Vorbereitung an.

Bei einer normalen Demonstration hat man mit diesen Sachen gar nichts zu tun. Da geht es eher darum, was für Einwirkungen von außen geschehen. Dabei müssen
polizeiliche Maßnahmen frühzeitig getroffen oder Auflagen erhoben werden.

Die nächsten großen Events in Köln stehen an. Inzwischen haben die Weihnachtsmärkte eröffnet. Wie sieht da Ihr Sicherheitskonzept aus?

Das Konzept für dieses Jahr sieht nicht wesentlich anders als in den Vorjahren aus.
Wir werden vor Ort sein und Präsenz zeigen, um zum Beispiel Taschendiebstähle zu
verhindern und mögliche Täter abzuschrecken. Außerdem beobachten wir viele
Weihnachtsmärkte per Video. Alles in allem sehe ich im Moment aber keine höhere
Gefahrensituation für die Weihnachtsmärkte als in den Jahren davor.

Wie empfinden Sie aktuell die Wahrnehmung der Polizeiarbeit in der
Öffentlichkeit?

Ich glaube, dass die Polizei hier in Köln, aber auch in Nordrhein-Westfalen einen sehr
guten Ruf hat und eine sehr gute Arbeit leistet. Wir bemühen uns sehr und mir ist
wichtig, dass die Kolleginnen und Kollegen allen Menschen gleich gegenübertreten,
objektiv bleiben und sachlich und fair alle Seiten betrachten.

Was würden Sie den Leuten entgegnen, die behaupten, dass die Polizei zu wenig unternimmt?

Ich bin mitverantwortlich für alles, was hier in Köln passiert, und da handele ich nach
bestem Wissen und Gewissen – und da darf man drauf vertrauen.

Man darf nicht vergessen: Alles, was wir nach außen kommunizieren, lesen nicht nur
die Guten. Einige von unseren Sicherheitsmaßnahmen tragen wir deshalb nicht an
die Öffentlichkeit.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Martin Lotz
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