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Corona in Köln: Scheitern die Modellimpfungen? – "eine unterirdische Zahl"


"Eine unterirdische Zahl"
Warum der Impfbus in Finkenberg auf Impfdosen sitzenbleibt


Aktualisiert am 28.05.2021Lesedauer: 3 Min.
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Daniel (35) lässt sich im mobilen Impfzentrum impfen: In Finkenberg war jedoch nicht jeder Anwohner von der Impfung überzeugt.Vergrößern des Bildes
Daniel (35) lässt sich im mobilen Impfzentrum impfen: In Finkenberg war jedoch nicht jeder Anwohner von der Impfung überzeugt. (Quelle: René Denzer)

Nach den niedrigen Impfzahlen im Kölner Stadtteil Porz-Finkenberg üben Organisationen Kritik am Vorgehen und an der Strategie der Stadt. Scheitert hier das Modellprojekt? Eine Spurensuche.

Richtig zufriedenstellend ist der Zulauf zu den mobilen Impfungen in Köln-Finkenberg nicht: 662 Menschen haben sich im Brennpunkt-Veedel bei einer Sonderaktion der Stadt impfen lassen. Eine unterirdische Zahl, findet Tanja Schmieder vom Vorstand des Vereins "cityofhope Cologne", der seit 2015 geflüchtete Menschen in Köln betreut. Schmieder macht die Kommunikationsstrategie der Stadt dafür verantwortlich.

So sei im Vorfeld die Bevölkerung des Stadtteils zu wenig und falsch informiert worden. Es habe an Sprachmittlern und Menschen, die im Veedel bekannt sind, gefehlt. Zudem hätten Migrantenorganisationen, Moschee-Gemeinde und Flüchtlingshilfen in solche Kampagnen einbezogen werden müssen. "Die Menschen hier brauchen eine Vertrauensbasis", sagt Schmieder. Sie bemängelt, dass es angesichts der Zahlen nun so aussehe, dass "wieder die schuld sind, die hier wohnen".

Wer war in Finkenberg impfberechtigt? Die Sonderimpfungen der Stadt richten sich an Menschen, die auf engstem Raum oder in prekären Wohnverhältnissen leben. Also diejenigen der rund 7.000 Finkenberger, die in keinem Einfamilienhaus oder einer Eigentumswohnung leben. Nur wer bei diesen entsprechenden Adressen gemeldet und über 18 Jahre alt ist, durfte sich impfen lassen.

Lebensrealitäten unterschätzt

Dabei habe die Stadt die Lebensrealitäten der Menschen entweder unterschätzt und einfach schlichtweg ignoriert, sagt Schmieder. Auch Sabine Dekant vom "Solibund", der als interkulturelles Zentrum und Träger der freien Jugendhilfe anerkannt ist, sagt, dass "keine Begegnung auf Augenhöhe" stattgefunden habe.

Die Impfbereitschaft sei durchaus vorhanden. Das bestätigt auch Musa Deli, Leiter des Gesundheitszentrums für Migrantinnen und Migranten in Köln. Das sei aus Telefonaten, die ihn jüngst erreicht hätten, herauszuhören gewesen. Aktionen wie Flyer verteilen und Plakate aufhängen nütze nichts. Viele von den Menschen, die man erreichen will, können nicht lesen, sagt Deli. Analphabetismus sei weit verbreitet und werde häufig unterschätzt.

Schwierige Mobilisierung erwartet

Dass es schwierig sein würde, die Menschen in Finkenberg zum Impfen zu bewegen, hat die Stadt erwartet. Das teilte das Presseamt auf Anfrage mit. "Gleichwohl wurde ein maximales Kontingent für Finkenberg eingeplant, das sich aber auch an der Leistungsfähigkeit des Impfbusses orientiert." 1.500 Dosen standen für ursprünglich zwei Aktionstage bereit. Die Sonderimpfungen wurden schließlich um einen weiteren halben Tag kurzfristig verlängert – "um das niederschwellige Impfangebot längst möglich aufrechtzuerhalten", so eine Stadtsprecherin.

Den Vorwurf, die Bewohner zu wenig informiert zu haben, weist die Stadt zurück: "Über die Sozialraumkoordination wurden zum einen der IKD (Interkulturelle Dienst) sowie verschiedene Migrantenorganisationen, die vor Ort aktiv und bekannt sind, in die Werbung und Aufklärung einbezogen."

Dekant und Schmieder bestätigen, dass die Stadt auch bei ihren Organisationen angefragt hatte. "Doch alle Vorschläge und Bedenken hat man ignoriert", so Dekant.

Dabei hat die Stadt in Finkenberg zum ersten Mal zwei mobile Teams in die Wohnhäuser geschickt, um dort bei den Menschen für die Impfung zu werben und sie zu impfen. Vereinzelt soll es vorgekommen sein, dass das Team der Stadt an der Wohnungstür abgewiesen wurde. "Bei so einer Vielzahl fremder, mir unbekannter Menschen vor der Tür hätte ich die auch nicht aufgemacht", sagt Dekant vom "Solibund".

Liegt Finkenbergs Impfbereitschaft wirklich so niedrig?

426 Menschen haben sich am ersten, 206 am zweiten Tag in Finkenberg impfen lassen. 30 sind dann noch hinzugekommen. Die Gesamtzahl von 662 entspreche etwa 13 Prozent der dort lebenden Menschen über 18 Jahren, heißt es seitens der Stadt. Sie sei "somit vergleichbar mit der Impfquote vorangegangener Impfaktionen in den Stadtteilen Chorweiler (11%) und Meschenich (12%)".

"Ich bezweifle, dass diese Quote das Problem der hohen Inzidenzwerte in den Hotspots lösen wird", sagt Schmieder angesichts der Prozentzahlen. "Spätestens im Herbst werden wir wieder vor dem gleichen Problem stehen, wenn man jetzt nicht höhere Impfquoten anstrebt, bei solch richtigen und wichtigen Aktionen mit mobilen Impfteams."

Auch dass bei der Aktion keine niedergelassenen Arztpraxen eingebunden worden sind, sehen Schmieder und Dekant kritisch. Die Stadt begründet das mit der kurzfristigen Umsetzung um das Pfingstwochenende herum.

Die Migrantenorganisationen kritisieren auch den Einsatz des Impfstoffes Johnson & Johnson in Finkenberg. Es gibt Zweifel, inwieweit die Impfberechtigten über den Impfstoff aufgeklärt werden konnten. Denn die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt jenen nur für Menschen ab 60 Jahren. Nach einem ärztlichen Aufklärungsgespräch kann jedoch jeder damit geimpft werden, der möchte.

Während einige Hundert Menschen die Impfung begrüßten, lehnen einige den Impfstoff ab, wie t-online erfuhr. Dass es jedoch keine grundsätzliche Ablehnung ist, zeigen die Sonderimpfungen in Duisburg-Marxloh, sagt Schmieder. Auch dort sei mit Johnson & Johnson geimpft worden. Doch vor Ort wären auch Mediziner verschiedener Nationalitäten und mehr Sprachmittler gewesen.

Verwendete Quellen
  • Gespräche und Beobachtungen vor Ort
  • Telefonate mit den genannten Protagonisten
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