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Köln | Karl Lauterbach: "Am Aus für Verbrennermotor führt kein Weg vorbei"


SPD-Politiker Karl Lauterbach
"Ein Tempolimit käme der Gesundheit aller zugute"

InterviewVon Michael Hartke

Aktualisiert am 13.09.2021Lesedauer: 6 Min.
Interview
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Für SPD-Politiker Karl Lauterbach ist E-Mobilität die Zukunft: "Der Verbrenner muss spätestens 2035 auslaufen."Vergrößern des Bildes
Für SPD-Politiker Karl Lauterbach ist E-Mobilität die Zukunft: "Der Verbrenner muss spätestens 2035 auslaufen." (Quelle: Political-Moments/imago-images-bilder)

Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach (SPD) ist auch Lokalpolitiker und will in Köln seinen Wahlkreis verteidigen. Im t-online-Interview spricht er über seinen Lebensstil, Impfgegner

Derzeit ist der SPD-Politiker und Mediziner Karl Lauterbach vor allem zu Corona ein viel gefragter Experte. In seinem Wahlkreis Köln-Mülheim/Leverkusen muss er gegen die CDU-Kollegin Serap Güler aber auch mit anderen Themen wie Verkehrswende und Bildung überzeugen können. Wie er seinen Wahlkreis erneut gewinnen möchte, hat er im t-online-Interview erzählt.

t-online: Herr Lauterbach, Sie sagen, Sie seien häufig in Ihrem Wahlkreis unterwegs und würden mit den Menschen sprechen. Welche Sorgen und Nöte bekommen Sie da mit?

Karl Lauterbach: Im Moment sprechen die Menschen mit mir vor allem über Corona und die Impfung dagegen. Abgesehen davon machen sich die Menschen hier aber auch Sorgen um ihre Rente. Die reicht oft nicht, um gut leben zu können. Eine bezahlbare Wohnung ist im Stadtbezirk Mülheim genauso wie in Leverkusen schwer zu finden.

Jüngere Bürgerinnen und Bürger fragen mich außerdem häufig, ob wir den Klimawandel noch abwenden können. Ich sage dann immer, dass wir es zwar nicht mehr schaffen können, den Klimawandel komplett abzuwenden. Wir müssen aber alles dafür tun, ihn zu bremsen. Das ist unsere Pflicht.

Sie sprechen den Klimawandel an. Wie stehen Sie zum Verbrenner?

Für mich führt kein Weg am Aus des Verbrenners vorbei. Der Verbrenner muss spätestens 2035 auslaufen. E-Mobilität ist die Zukunft. Was die umweltschädliche Herstellung der Batterien betrifft, ist die Forschung bereits dabei, den Anteil an Lithium, das bis jetzt durch sehr harte Eingriffe in die Natur gewonnen wird, stark zu verringern. In Zukunft kann Lithium wahrscheinlich auch durch Magnesium ersetzt werden.

Warum kann man nicht weiter am Verbrenner festhalten und stattdessen synthetisches Benzin in den Tank füllen? Für dessen Herstellung nutzt man CO2 aus der Luft, das später bei der Verbrennung eins zu eins wieder freigesetzt wird.

Das Problem bei synthetischen Kraftstoffen ist, dass sie nur vermeintlich CO2-neutral sind, da bei deren Herstellung selbst viel Energie benötigt wird. Diese Energie kommt beim aktuellen Strommix zumeist von fossilen Energieträgern.

Und was ist gegen Wasserstoff als neuen Sprit einzuwenden?

Auch da ist die energieintensive Herstellung entscheidend. Für die Herstellung von Wasserstoff wird so viel Strom gebraucht, dass der Umweg von Strom zu Wasserstoff, aus dem dann im Auto wieder Strom zum Fahren wird, sehr verlustreich ist. Der Wirkungsgrad des Wasserstoffs ist um ca. 2/3 geringer, als wenn man direkt mit Strom fahren würde.

Muss es also eine höhere CO2-Bepreisung geben?

Auch daran führt kein Weg vorbei. Damit müssen wir es schaffen, Menschen zum Umstieg auf den ÖPNV oder zur E-Mobilität zu bewegen. Verbrenner und Individualverkehr werden damit unattraktiver. Das funktioniert aber natürlich nur im Zusammenhang mit dem Ausbau des ÖPNV.

Denken Sie an den letzten Streik. Was machen die Menschen, wenn sie kein Auto mehr haben, aber Busse und Bahnen streiken?

Ich hoffe mal, dass es in der Zukunft deutlich seltener zu Streiks kommt, indem wir die Arbeitsbedingungen im ÖPNV langfristig verbessern. Abgesehen davon können wir nicht sagen, weil es die Gefahr von Streiks gibt, müssen die Leute weiter ihr eigenes Auto haben.

Wie wollen Sie Menschen, die dringend auf ihr Auto angewiesen sind und sich kein E-Auto leisten können, von der CO2-Abgabe entlasten?

Geringverdiener, die sehr auf ihr Auto angewiesen sind, könnten durch eine sogenannte Klimaprämie entlastet werden.

Warum vertreten Sie so vehement ein Tempolimit von 130?

Studien belegen ganz klar drei Dinge, die ein Tempolimit von 130 km/h auf Autobahnen bewirken würde: Der Ausstoß von Feinstaub verringert sich bei einer Reduzierung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit enorm. Feinstaub ist für viele Krankheiten mitverantwortlich. Ein Tempolimit von 130 käme also der Gesundheit aller Bürgerinnen und Bürger zugute.

Ein Tempolimit von 130 würde so viel CO2 einsparen wie der Flugverkehr Deutschlands insgesamt verursacht. Somit ist ein Tempolimit ein wichtiger Baustein, um den Klimawandel zu bremsen. Außerdem: Ein Tempolimit verhindert eine Vielzahl schwerer Verkehrsunfälle.

Ein weiteres emotionales Thema sind die Mieten. Was wollen und können Sie konkret dafür tun, um in Mülheim und Leverkusen mehr bezahlbaren Wohnraum zu schaffen?

Unser Ziel als SPD ist es, den sozialen Wohnungsbau massiv zu fördern. Wenn mehr Wohnungen am Markt verfügbar sind, sinken die Mietpreise insgesamt. Außerdem wollen wir den Wohnungsbau günstiger und so attraktiver machen, indem wir die hohen Bauauflagen reduzieren.

Auch Integration beschäftigt Mülheim und Leverkusen schon lange. Eine Umfrage von 2017 hat ergeben, dass der hohe Ausländeranteil in Rheindorf-Nord für viele ein Grund sei, hier wegzuziehen. Wie beurteilen Sie die Situation der hier lebenden Menschen mit Migrationshintergrund?

Ich sehe bei der Integration von Menschen mit Migrationshintergrund beispielsweise in Rheindorf-Nord große Fortschritte. Ich kenne die Menschen dort und weiß, dass sie hart arbeiten, dass ihre Kinder zur Schule gehen und dass sie sehr gut die deutsche Sprache beherrschen. Zu sagen, dass Menschen mit Migrationshintergrund schlechter integriert sind, weil Menschen mit deutschen Wurzeln aus Rheindorf wegziehen wollen, ist zwar sehr bedauernswert, aber nicht automatisch ein Beleg dafür, dass die dort lebenden Menschen mit Migrationshintergrund nicht ausreichend integriert sind. Das leuchtet mir nicht ein. Im Übrigen sehe ich diese große Abwanderung zum jetzigen Zeitpunkt aus dem Stadtteil auch nicht.

Wie engagieren Sie sich aktiv für die Integration von Menschen?

Nicht nur, dass ich mit den Leuten vor Ort rede und mir ihre Sorgen anhöre. Ich war erst neulich mit dem Leverkusener Integrationsrat in der Moschee in Leverkusen-Manfort im Gespräch und habe mich nach dem Befinden der Menschen dort erkundigt. Frau Güler war übrigens nicht dabei. Ich unterstütze außerdem einige Integrationsprojekte in Köln und Leverkusen. Von daher kann ich nicht sagen, dass sich in Sachen Integration in meinem Wahlkreis zu wenig tut.

Was muss passieren, um Menschen aus Stadtteilen wie Rheindorf oder Wiesdorf aus der Armut zu holen?

Wir wollen den Mindestlohn auf zwölf Euro erhöhen. Damit helfen wir Menschen in schlecht bezahlter Arbeit, um mehr Geld fürs Leben zu haben. Schlupflöcher, um den Mindestlohn zu umgehen, müssen wir stopfen. Außerdem wollen wir Verstöße künftig strenger verfolgen, die Kontrollen intensivieren. Der Personalmangel beim Zoll müsste durch die Schaffung neuer Stellen beseitigt werden.

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Schule und Bildung sehen Sie als wichtigste Voraussetzung, die Lebenssituation der Menschen in Ihrem Wahlkreis langfristig zu verbessern. Wo sehen Sie den größten Verbesserungsbedarf beim Schulsystem?

Wir müssen insgesamt mehr in unser Schulsystem investieren, weil viele Schulen nicht mehr auf dem Stand für eine moderne Ausbildung sind.

Wie sieht für Sie echte Bildungsgerechtigkeit aus?

Echte Bildungschancengerechtigkeit beginnt schon vor der Schule. Wir müssen die Kinder durch frühkindliche Förderung so auf die Schule vorbereiten, dass sie genau die Schule besuchen, die ihrer Qualifikation entspricht. Bildung muss weniger vom Einkommen und der Bildung der Eltern abhängen als von dem, was die Kinder selbst leisten können.

Ist das dreigliedrige Schulsystem noch das richtige?

Ich selbst halte das dreigliedrige Schulsystem für veraltet, weil es die Bildungsunterschiede in Abhängigkeit von der Schicht verstärkt.

Eng mit dem Thema Schule verbunden ist auch die Corona-Krise. Wie wollen Sie die Gesellschaft wieder einen, nachdem die Pandemie sie zunehmend gespalten hat?

Wenn wir die Krise erfolgreich gemeistert haben, werden die unterschiedlichen sozialen Gruppen auch schnell wieder zusammenfinden. Es ist wichtig, dass Menschen jetzt nicht voneinander getrennt werden und dass man nicht spaltet, sondern dass jeder jedem zuhört und wir gute Argumente austauschen. Unterschiede in der Bewertung der Corona-Politik müssen später auch noch einmal systematisch aufgearbeitet werden.

Bis dahin wartet aber noch ein großer Berg an Arbeit auf Sie. Wie können Sie Corona-Hotspots langfristig bekämpfen und die Impfskepsis beseitigen?

Ich bin im regen Austausch mit den Bürgern in Leverkusen und leiste in meiner Funktion als Impfarzt in Köln und Leverkusen Aufklärungsarbeit. Ich setze mich für erneute Impfaktionen in Stadtteilen ein. Damit erreiche ich aber auch nicht die 'Querdenker'. Die sind für meine Argumente nicht empfänglich. Sie reden zwar mit mir. Ich höre zu, aber sie sind nun mal gegen die Impfung. Trotzdem: Jede Impfung zählt.

Wie helfen Sie Gastronomen, Künstlern und mittelständischen Unternehmen nach der Pandemie wieder auf die Beine?

Wir haben schon jetzt einiges getan, um die Kulturbetriebe hier in Mülheim und Leverkusen zu unterstützen. Ich selbst engagiere mich vor Ort dafür, dass Kultureinrichtungen auch nach Corona bestehen bleiben. Die Corona-Hilfen sind durch Finanzminister Scholz mit auf den Weg gebracht worden.

Sie haben sich insgesamt hohe Ziele gesteckt. Wie groß rechnen Sie sich Ihre Chancen aus, den Wahlkreis damit wieder zu gewinnen?

Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich den Wahlkreis 101 Köln-Mülheim/Leverkusen wieder für mich gewinnen werde. Viele Bürger signalisieren mir durch ihren Zuspruch, dass sie gerne hätten, dass ich die Arbeit im Bundestag für sie fortsetze. Das gilt sowohl für die Bürger in Köln-Mühlheim als auch in Leverkusen.

Verwendete Quellen
  • Eigenes Interview mit Karl Lauterbach
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