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Teure Lastenräder in einer armen Stadt: So wird das nichts mit dem Klimaschutz


Stadt verleiht Cargobikes
Teure Lastenräder in einer armen Stadt: So wird das nichts mit dem Klimaschutz

MeinungVon Andreas Raabe

Aktualisiert am 15.07.2022Lesedauer: 3 Min.
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Pressefoto der Stadt Leipzig zum Lastenrad-Ausleih-Projekt: Sieht gut aus, ist aber teurer als ein Mietauto.Vergrößern des Bildes
Pressefoto der Stadt Leipzig zum Lastenrad-Ausleihprojekt: Sieht gut aus, ist aber teurer als ein Mietauto. (Quelle: Stadt Leipzig/kh)

Die Stadt Leipzig jubelt: Ab sofort gibt es Leih-Lastenräder. Doch die sind viel zu teuer – und wenn nur Wohlhabende beim Klimaschutz mitmachen können, wird das nichts.

In Leipzig kann man seit dieser Woche Lastenräder ausleihen. An elf Stationen im ganzen Stadtgebiet stehen sie bereit. Es soll "eine attraktive Alternative zur Pkw-Nutzung" sein, jubelt der Baubürgermeister Thomas Dienberg.

Möglich macht das ein Pilotprojekt der Stadt Leipzig und der "Transportrad Initiative Nachhaltiger Kommunen". Zur "Einstiegsdroge" könnte das Lastenrad werden, schwärmte Sachsens oberster Fahrradlobbyist, ADFC-Chef Konrad Krause, zum Start des Projektes am Dienstag. Das Leipziger Modellprojekt sei eine "niedrigschwellige Einstiegsmöglichkeit" in die klimaverträgliche Mobilitätswende, sagte er dem MDR.

So weit, so gut. Es ist ja auch wirklich eine tolle Idee: Statt sich für 4.000 Euro ein Lastenrad zu kaufen, kann man es einfach mieten – in einem städtisch geförderten Mietsystem.

Mieträder in Leipzig: Teurer als die Straßenbahn, teurer als Carsharing

Leider hat die Sache einen Haken: Der Mietpreis ist so hoch, dass er das Leih-Lastenrad zu einem der teuersten Fortbewegungsmittel in der Stadt macht – teurer als Straßenbahn oder ein Carsharing-Auto. Das ist schon ein bisschen unglücklich.

Natürlich muss die Leihe ein bisschen was kosten: Für eine Stunde Lastenrad soll der Stadtbürger 4 Euro bezahlen. Leiht man sich ein Rad mit Elektromotor, sind es sogar 4,60 Euro pro Stunde.

Ein Stundenticket für die Straßenbahn kostet in Leipzig drei Euro. Dabei ist Leipzig, zumindest im Osten der Republik, schon lange bekannt für seine teuren Nahverkehrstickets. Die Debatte darum ist alt, die Aufregung war immer groß, wenn die Straßenbahngesellschaft LVB mal wieder die Preise erhöhte. Die Lastenrad-Stunde ist mit vier Euro allerdings 25 Prozent teurer. Das ist schon deutlich.

Ein anderes Beispiel aus Leipzig: Weit verbreitet in der Stadt ist der Carsharing-Service Teilauto. Dahinter steht eine ganz normale private Firma mit Umweltschutzgrundsatz und Gemeinwohl-Bilanz, die ihre Fahrzeugflotte CO2-neutral betreibt.

Bei Teilauto kostet eine typische Einkaufsfahrt mit 2,5 Stunden und 15 Kilometern genau 9 Euro. Dafür gibts ein neuwertiges Auto, Benzin, Versicherung und so weiter. Im Vielfahrer-Tarif kosten die 2,5 Stunden und 15 Kilometer sogar nur 7,20 Euro. Der Preis für das Lastenrad liegt im gleichen Zeitraum bei 10 Euro.

Leipzig: Man braucht Zeit und Geld, um mit dem Lastenrad klimafreundlich herumkurven zu können

Warum muss ein Leih-Lastenfahrrad teurer sein als ein Mietauto oder eine Straßenbahnfahrt? Das sollte man sich im Rathaus mal fragen, wenn man solche Projekte angeht. Und ADFC-Chef Krause sollte erklären, was daran "niedrigschwellig" ist.

Es ist ja irgendwie ganz putzig, wenn die oberen Zehntausend einer sich für cool haltenden Stadt das Geld und die Zeit haben, klimafreundlich mit dem Lastenrad herumzukurven. Eine Wende fürs Klima wird das jedoch nicht bringen. Dafür aber den Spott derjenigen, die sich das alles nicht leisten können.

Man hat im Leipziger Rathaus vielleicht auch kurz vergessen, dass man sich hier in einer der ärmsten Regionen Deutschlands befindet. Leipzig ist mit einem verfügbaren Pro-Kopf-Einkommen von knapp 19.000 Euro im Jahr selbst unter den sächsischen Großstädten das Schlusslicht.

Das Fazit auch dieser Bemühung zur Klimawende ist aus sozialer Sicht mal wieder bitter. Leider. Es ist eine ganz schön teure Einstiegsdroge, dieses Mietprojekt. Solche Vorhaben müssen praktisch und massenkompatibel konzipiert werden. Denn wenn nur Reiche bei der Klimawende mitmachen können, dann wird das alles nichts.

Verwendete Quellen
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