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Cowboy sucht Begleitung: Ein Münchner schürft Gold in Alaska


Auf der Jagd nach dem großen Glück
Münchner sucht Goldgräber-Kumpel für Alaska

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 30.08.2022Lesedauer: 5 Min.
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Lucien Thiele beim Goldwaschen in den USA (Archivbild): Der zugezogene Münchner fährt jedes Jahr in die USA und reist durch die Wildnis.Vergrößern des Bildes
Lucien Thiele beim Goldwaschen in den USA (Archivbild): Der zugezogene Münchner fährt jedes Jahr in die USA und reist durch die Wildnis. (Quelle: Thiele)

Lucien Thiele sucht in Amerika nach Gold, Bären und Freunden. Für seine nächste Reise sucht er eine Begleitung.

Für Münchner Verhältnisse ist die Olympia-Alm geradezu abgeschieden. Kein Wunder, dass es Lucien Thiele hierher zieht. Und vielleicht ist es auch die goldene Geschichte des Ortes. Wie fast immer am Freitagnachmittag sitzt er wieder hier, genießt die Sonne und ein Bier und hat ein Schild im Blick, sein eigenes, das hier schon wochenlang an der Olympia-Alm hängt. Wer es liest, bekommt sofort große Augen.

"Reisebegleitung nach Kanada und Alaska gesucht", steht dort. "Ein SUV ist bereits gemietet und mein Flug gebucht", heißt es weiter. Und: "Goldfunde sind hundertprozentig garantiert! Wir haben gute Chancen auf das Nordlicht sowie mit Sicherheit einige Bärensichtungen." Zum Beweis packt Thiele ein kleines Glasröhrchen aus und raschelt kurz damit.

Amerika-Liebhaber an der Olympia-Alm in München

Sein Gold kann Thiele mitbringen nach München. Die Elche, seine Freunde und die Ruhe aber nicht. Und deshalb wäre der "Cowboy", wie seine Freunde ihn nennen, und er sich selbst auch, gerade lieber in Amerika. Doch es wird wieder nicht klappen, das weiß er schon, wie schon 2020 und 2021. Den Aushang wird er deshalb bald abhängen. Aber nächstes Jahr, da soll alles besser werden. Wenn noch jemanden der Goldrausch packt.

1993, da fing alles an, berichtet der Hobby-Goldgräber. Erst wurde er, fast ein wenig zufällig, mitgenommen in die USA. Dann flog er wieder und wieder, mit Freunden, seinen Eltern, seiner damaligen Partnerin. Irgendwann auch alleine, jedes Jahr, sechs Wochen lang. Wenn er über Amerika redet, hat Thiele dauernd Fernweh. Und das, obwohl er vom Knochenjob Goldschürfen sicher nicht reich wird. Und ihm ein Bär mal die Rippen brach.

"Eigentlich lassen die einen in Ruhe", erzählt Thiele über seine Begegnung mit dem Raubtier. "Nur wenn man sie bedroht oder ihnen im Weg steht, wird es ungemütlich." Damit das nicht passiert, mache er sich früh bemerkbar. Thiele formt eine kleine Schaufel mit seiner Hand, setzt sie an den Mund und hebt das Kinn leicht, als er von seiner Begegnung erzählt: "'Hallo Bär', rufe ich in den Wald hinein", sagt er. Dann zögen sich die Tiere in der Umgebung ohnehin zurück.

Bären in Amerika: Münchner erzählt von gefährlicher Begegnung

Nur manchmal, da lässt sein Warnruf ein Tier unbeeindruckt. Gefährlich sei die Situation erst trotzdem nicht gewesen, schildert Thiele. Er habe den Bären erst aus ein paar Metern Entfernung beobachtet, aber nicht bemerkt, dass er nicht allein war. Ausgerechnet jetzt kamen ein paar Wanderer zu Thiele und dem Bären, stellten sich hinter ihm auf.

"Dann kam der Bär auf mich zu", erinnert sich der Hobby-Goldgräber. "Er wollte mir nichts, nur vorbeigehen." Doch als Thiele ausweichen wollte, blockierten die anderen Wanderer hinter ihm den Weg. "Der Bär baute sich vor mir auf und stieß mich weg", erzählt Thiele. Für das Tier nur ein kleiner Stupser. Thiele ging zu Boden. Sonst seien Bären aber dennoch "absolut kein Problem", wie Thiele auf seinem Aushang schreibt. "Durch ausreichende Erfahrung und Bärenspray."

Furcht vor Bären soll die Suche nach einer Begleitung für ihn nicht einschränken. Und aufs Goldwaschen würde er notfalls auch verzichten, sagt er, wenn auch nicht so ganz. Für die Geduldsarbeit, die er oft auf Knien und fast immer mit nassen Schuhen verrichtet, hegt er eine Begeisterung, die nur wenig damit zu tun hat, Reichtümer anzuhäufen.

Es ist eine von vielen Leidenschaften, die ein bisschen typisch sind für einen Menschen wie ihn, der die Freiheit so sehr liebt, dass er sich gerne für Wochen in die Wildnis verzieht. Aufgewachsen in der DDR, kaufte sich der heute 59-Jährige kurz nach der Wende ein Motorrad, war Mitglied in einem Motorradklub. Schon vor dem Fall der Mauer liebte er die FKK-Strände, das vielleicht größte Freiheitssymbol der Diktatur. Dass er versuchte, aus dieser zu entkommen, versteht sich fast von selbst. Er kam nach Bayern.

Warum ein Amerika-Fan aus München lieber in Bayern lebt

Hier arbeitet er an vier Tagen die Woche als Feinmechaniker, meist verbringt er einen Großteil seiner Urlaubstage in Amerika. Umziehen dorthin möchte er aber nicht. "Die Gesundheitsversorgung", sagt er. Das Leben in Deutschland sei besser. Und dann und wann könne er hier auch zum Goldwaschen gehen, etwa in der Loisach. So ertragreich und spannend wie in Amerika sei es da aber nicht.

Über die Jahre hat er seine Technik verfeinert, sagt er. Mit einer Pfanne, inzwischen hat er ein ganzes Arsenal, kleinere Pfannen, große Pfannen, sucht er in Wasserläufen, hockt sich hinein und wäscht das Gestein im Flussbett aus, bis er Goldkörnchen findet. Das kleine Röhrchen, das er heute an der Olympia-Alm dabei hat, ist die Ausbeute eines ganzen Urlaubs. Eine halbe Unze etwa, vielleicht 15 Gramm.

Der Geldwert: Einige Hundert Euro. Emotional, das merkt man Thiele an, ist das Gold unbezahlbar. In den Staaten hat er inzwischen eine feste Stelle, die er sich mit einem Freund teilt. Dort suchen die beiden nach Gold. Seit drei Jahren hat sich dort nichts mehr getan, berichte ihm der Freund aus Übersee. Denn wenn Thiele nicht kommt, lässt er die Goldjagd auch ruhen.

Zwei Jahre stoppte ihn die Corona-Pandemie, und nun, wo er wieder zurück dürfte, bräuchte er eine Begleitung. Dieses Jahr konnte er keine finden, jetzt sucht er eine für nächstes Jahr. Was die Person mitbringen müsse? Das sei fast egal, sagt Thiele. Mindestens 25 Jahre alt solle sie sein, besser 27. Ob Mann oder Frau, das sei einerlei. Er komme mit vielen Menschen zurecht. Und stellt klar: Auf eine Romanze sei er nicht aus, da soll es keine Missverständnisse geben.

Münchner sucht Begleitung für Abenteuer in Amerika

Man müsse eben wissen, worauf man sich einlasse: Nächte im Zelt, Einsamkeit, Ruhe und sicher nicht jeden Tag eine frische Dusche. Und nach jetzigem Stand ebenfalls nötig: ein gültiges Impfzertifikat für die USA. Daran scheiterte etwa dieses Jahr, dass eine Interessentin ihn begleiten konnte. Doch warum braucht er überhaupt jemanden, war er doch bereits mehrfach alleine in der Wildnis? Der Führerschein ist das Problem, erzählt Thiele offen.

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Der sei ihm vor einigen Monaten abgenommen worden. Verdacht auf Epilepsie habe man bei ihm festgestellt, erzählt er – und widerspricht dem Befund: "Das stimmt nicht." Machen könne er dagegen wenig. Und ohne Auto sei die Amerika-Reise zwecklos. Doch die Reise biete ja auch viele Erlebnisse, er kenne sich aus. 1.000 Euro für die Flüge, einen Reisepass und ein US-Visum brauche man übrigens noch. Es lohne sich ganz sicher, ist Thiele überzeugt.

Er ist jedenfalls schon im Goldrausch. Vielleicht passt er auch deshalb so gut hierher, auf seinen Stammplatz an der Olympia-Alm in Sichtweite des Olympiastadions, wo vor 50 Jahren die besten Sportler der Welt nach dem Edelmetall jagten. Seine Sehnsucht nach Amerika kann Thiele hier aber nie ganz stillen. Er will wieder zurück – damit er sich nicht mehr mit der Abgeschiedenheit der Olympia-Alm mitten in der Millionenstadt zufriedengeben muss. Sondern mit Gold und echter Einsamkeit.

Hintergrund zum Beitrag

Wer Lucien Thiele begleiten möchte, kann sich bei ihm melden. Erreichbar ist er unter 0163/9151861, per Mail unter lucicowboy@aol.com oder meist Freitag und Samstag in München an der Olympia-Alm.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit Lucien Thiele
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