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Skipisten ohne Schnee: "Dann haben wir den Wintersport halt kaputtgemacht"


Absurde Bilder aus den Alpen
"Dann haben wir es uns halt kaputtgemacht"

Von Christof Paulus

Aktualisiert am 06.01.2023Lesedauer: 6 Min.
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Skifahren bald Geschichte? Videos zeigen, wie es um bekannte Skigebiete bestellt ist. (Quelle: t-online)

Skifahren ohne Schnee in den Bergen: Die Berge sind grün, nur für Skifahrer gibt es weiße Streifen. Doch wer alle auf den Pisten für rücksichtslose Hedonisten hält, liegt falsch.

Zum Glück ist das Wetter schlecht. Am Dienstag hängen die Wolken tief am Alpenrand, so tief, dass sie verdecken, was Wintersportler eh nicht sehen wollen. Gerade in den Weihnachtsferien, die in Bayern an diesem Wochenende zu Ende gehen, machen viele gerne Urlaub in den Bergen. Ski und Snowboard oft im Gepäck. Dieses Mal wären Wanderschuhe vielleicht die bessere Wahl gewesen.

Wenn sich die Wolken über dem Spitzingsee verziehen, entblößen sich grüne Hänge, als sei der Winter noch gar nicht da gewesen und immer noch Oktober. Nur weiße Streifen an manchen Bergen zeigen, dass die Skisaison schon lange begonnen hat. Skifahren bei Plusgraden und auf grünen Wiesen, das gab es schon immer. Doch in Zeiten der Klimakrise werden die Bilder häufiger. Gerade jetzt, in der Energiekrise, sind auf den Pisten immer wieder Erklärungen für den Wintersport gefordert. Und Lösungen für die Frage: Was machen, wenn der Winter nicht in die Berge kommt?

Grüne Berge in Bayern: Ein Problem für den Skiurlaub

Antonia Asenstorfer ist eine der Personen, die danach suchen muss – und fündig wird. Sie ist Geschäftsführerin bei "Alpen Plus Partner", einem Verbund, der in den bayerischen Alpen zwischen Isar und Inn Skipässe verkauft und Bergbahnen betreibt. Am Dienstag, als über ganz Südbayern eine dichte Wolkendecke hängt, sitzt sie in ihrem Büro am Spitzingsee. Der Region, in der sich kürzlich Nationaltorwart Manuel Neuer beim Skitouren ein Bein brach.

Auch Neuer hatte wohl mit dem Problem zu kämpfen, das auch Asenstorfer umtreibt: zu wenig Schnee. Während bei Neuer die Schneedecke – im freien Gelände, nicht auf einer Piste – noch dünn war und er womöglich deshalb stürzte, hadert Asenstorfer damit, dass der Neuschnee ausbleibt. Beim Blick aus ihrem Fenster sieht man: Abfahren, das geht schon, sogar gut, wie einer der Snowboarder im Tal berichtet. Doch Plusgrade und vor allem immer wieder Regen setzen der Abfahrt am Spitzingsee zu.

Dabei ist der Spitzingsee, eine gute Stunde südlich von München gelegen, noch eines der höher gelegenen Skigebiete in der Region. Vom Brauneck in Lenggries berichtet Asenstorfer etwa, dort nur noch ein "Minimalangebot" aufrechterhalten zu können. Und auch am Spitzingsee laufen nicht alle Lifte. Viele Eindrücke aus den Bergen rund um den Jahreswechsel sind trist, es klingt nach Abgesang: auf kalte Winter, Skipisten und eine ganze Branche. Aber Asenstorfer will sich darauf nicht einlassen. Immerhin sehe man auch jetzt nur eine Momentaufnahme.

Nur Kunstschnee hält Skigebiete in Bayern noch am Laufen

Davon zeugen auch die Skipisten. Denn das, was von ihnen noch übrig ist, ist ebenso ein Zeuge dieses Winters. Der schlug Mitte Dezember schon einmal mit einer Kältewelle zu, die große Mengen Schnee mitbrachte, Hoffnung auf weiße Weihnachten machte und es den Skigebieten erlaubte, noch mehr Kunstschnee obendrein zu produzieren. Nun zehren sie davon, solange es noch geht und bis es wieder kälter wird. Aber wann wird das sein?

Natürlich sind auch die schneefreien Berge kein Bild, das man ohne Kontext betrachten sollte. Warme Wintertage gab es schon immer, auch wenn dieser Tage Temperaturrekorde fallen. Beweise für die Klimakrise sind die aktuellen Bilder nicht – aber trotzdem für eines ihrer Symptome. Solange die Erderwärmung zunimmt, werden warme Tage häufiger. Kälteperioden gibt es zwar weiterhin, doch sie werden seltener und kürzer. Das weiß man auch hier oben auf den Skipisten.

Alexandra Schürmann kommt aus Leverkusen, macht Skiurlaub am Spitzingsee. Im Rheinland, bei ihr zu Hause, schneie es kaum noch, sagt sie. Das sei auch einer der Gründe, weshalb sie mit ihrer Familie nun hier ist. "Mein Sohn hat daheim so gut wie nie Schnee gesehen", sagt sie. Aber: "Kunstschnee braucht viel Energie. Trotzdem so viel davon zu erzeugen, finde ich schwierig." Sie sieht ihr eigenes Hobby kritisch. Dennoch ist sie da.

Das Problem mit dem Kunstschnee: Teuer und energieintensiv

"Wir haben Bekannte hier", erklärt sie. "Die besuchen wir, sonst würde ich auf Skifahren verzichten." Wie lange man das in Deutschland noch machen könne, weiß sie nicht. Spaß mache es schon auch auf Kunstschnee, selbst wenn der Untergrund an diesem Dienstag nach Regen in der Nacht schwer zu fahren sei. Doch wenn Skifahren gar nicht mehr gehen sollte, dann ist das eben so, sagt sie. "Dann haben wir es uns halt kaputtgemacht."

Wie Schürmann findet auch der Snowboarder Moritz Kreutzmann, der ganz aus der Nähe kommt, dass weiße Berge eigentlich dazugehören, die reinen Kunstschnee-Pisten gefallen ihm weniger. "Aber im Nebel ist es egal, man sieht da eh nicht viel", sagt er. Macht er sich Sorgen um sein Hobby? Grundsätzlich schon, aber persönlich treffe ihn das wohl weniger. "Ich ziehe bald nach Österreich zum Studieren, auf den Gletschern dort kann man immer fahren", sagt er.

Die Erderwärmung bedroht Skipisten, so könnte man die Lage zusammenfassen. Andere geben sich damit nicht zufrieden. Aktivisten prangern an, dass die Pisten ihre Umgebung in Mitleidenschaft ziehen. So forderte der BUND (Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland) etwa zu Beginn des Winters von den Skigebieten, auf Kunstschnee zu verzichten. "Schneekanonen waren aufgrund ihrer schlechten Ökobilanz schon immer problematisch", sagte der Vorsitzende Richard Mergner in einer Pressemitteilung.

Wie ist die Zukunft des Skifahrens in Bayern?

Und jetzt, in der Energiekrise, könne man ohne Schneekanonen 16 Millionen Kilowattstunden Strom sparen, dazu Millionen Liter Wasser. "Sie verbrauchen Unmengen an Strom und haben nur für einen kleinen Teil der Bevölkerung einen fragwürdigen Nutzen", erklärte der BUND. Und ohnehin: "Gerade in den niedrigeren Lagen wird schon in sehr naher Zukunft kein profitabler Skibetrieb mehr möglich sein", prognostizierte er.

Asenstorfer sieht das anders. Ja, die Skitage würden seltener: Seien es vielleicht einst 120 im Winter gewesen, seien es nun vielleicht 110, irgendwann nur noch 100, überschlägt sie. Und natürlich könne sie nicht in die Zukunft schauen. "Aber dass man auch in 20 oder 25 Jahren noch zum Skifahren nach Bayern kommen kann, davon gehe ich aus", sagt Asenstorfer. Und das sei wichtig – schließlich habe auch die Wintersportregion im bayerischen Oberland Vorteile, obwohl sie weniger schneesicher ist als die Tiroler Gletscher.

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Ein "ballungsraumnahes Skigebiet" biete die Region etwa, die Asenstorfer es nennt. Das heißt: Skipisten, nur einen Tagesausflug von der Millionenstadt München entfernt. "Sollte man hier nicht mehr fahren können, bin ich sicher, zieht es viele weiter weg, nach Österreich oder in die Schweiz", sagt sie. Eine bessere Klimabilanz habe man damit nicht, ganz im Gegenteil. Und Almbauern hätten ihr gesagt, dass eine geschlossene Schneedecke, auch unter Kunstschnee, die Vegetation darunter schütze.

Skigebiete in der Nähe von München und ihre Zukunft

Um ihre Zukunft sichern zu können, müssen die bayerischen Skigebiete kreativ sein. Manche Regionen horten Schnee unter Planen, teils über den Sommer hinweg. Asenstorfer erzählt von Skipisten, die auf wenige Zentimeter genau mit GPS vermessen sind – sodass Pistengeräte genau erfassen, wie viel Schnee auf der Piste liegt und ihn von dickeren an dünnere Stellen schieben. Hinzu kommt, dass der Freistaat die Seilbahnen subventioniert – etwas, das der BUND gerne stoppen möchte. Und die Wintersportregionen setzen nicht nur auf Tourismus im Winter. Auch im Sommer laufen viele Seilbahnen, sind Hütten für Wanderer geöffnet.

Einige Gemeinden in Bayern nennen sich inzwischen nicht mehr Wintersportorte, sondern "Bergsteigerdörfer". Sachrang oder Schleching im Chiemgau etwa verzichten auf Schneekanonen, setzen im Winter, wenn überhaupt, auf Naturschnee, auf Ehrenamtliche, die einen Lift betreiben, ohne dabei große Massen an Skifahrern anzuziehen. Und wenn der Schnee fehlt, wollen sie hier die Wanderer, Kletterer oder Ausflügler. Nachhaltiger soll das sein, beständiger und auch dann noch sicher, falls die Erderwärmung wirklich Skigebiete zum Schließen zwingt.

Keine Prognose für Skiurlaub in den Faschingsferien

Aber was passieren wird, und wann, das weiß man in den Bergen selten. Langzeitprognosen lassen sich kaum aufstellen, findet Asenstorfer, selbst auf die nächsten Ferien zu Fasching Ende Februar zu blicken, fällt ihr schwer. Die Vergangenheit zeigt: "Die Faschingsferien sind oft eine sichere Bank zum Skifahren", sagt sie. Gewiss ist das aber nicht. Und in den Weihnachtsferien erwarteten zwar auch viele Gäste, dass sie in schneebedeckten Bergen Skifahren können. Doch so ungewöhnlich sei es gar nicht, dass es rund um den Jahreswechsel Plusgrade habe.

Die Hoffnung auf weiße Weihnacht werde schließlich, wie auch dieses Mal, oft enttäuscht. Ein großer Teil des Winters liege noch vor uns. Bis dahin müssen Skifahrer sich mit Kunstschneepisten begnügen. Auch Asenstorfer selbst: Auf der Fensterbank liegt ihr Helm, vor oder nach der Arbeit fährt sie selbst oft, wie sie erzählt. Aber nicht nur zum Spaß, sagt die Geschäftsführerin. "Man muss ja auch wissen, wie die eigenen Pisten sind."

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen
  • Gespräche mit Antonia Asenstorfer, Alexandra Schürmann, Moritz Kreutzmann
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