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Ins Gefängnis für ein Lied? Verwirrung bei Ska-P Konzert in München


Antisemitismus-Vorwurf gegen Ska-P
Ins Gefängnis für ein Lied? Verwirrung bei Konzert in München

Von Christof Paulus

21.07.2023Lesedauer: 3 Min.
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Ska-P mit Sänger und Gitarrist Pulpul bei einem Konzert (Archvibild): Vergangenes Wochenende spielte die Gruppe in München, der Auftritt löste eine Antisemitismus-Diskussion aus.Vergrößern des Bildes
Ska-P mit Sänger und Gitarrist Pulpul bei einem Konzert (Archivbild): Vergangenes Wochenende spielte die Gruppe in München, der Auftritt löste eine Antisemitismus-Diskussion aus. (Quelle: POP-EYE / Imago)

Eklat um die bekannteste Skapunk-Band Europas: Vor einem Konzert in München protestierten Aktivisten gegen Ska-P. Die Band sagt, man habe ihnen mit Gefängnis gedroht.

Die Aufregung um das Konzert von Ska-P auf dem Tollwood-Festival in München reißt nicht ab. Nachdem das "Linke Bündnis gegen Antisemitismus" und weitere Aktivisten das Festival vergangene Woche aufgefordert hatten, die Band auszuladen, behauptete diese bei ihrem Auftritt am Wochenende nun, man habe ihnen mit Gefängnis gedroht. Alle dafür infrage kommenden Institutionen dementieren dies jedoch.

Die Aktivisten werfen der Gruppe vor, sie bediene sich "sowohl antisemitischer als auch antiziganistischer Ressentiments". Im Mittelpunkt der Anschuldigungen steht insbesondere der bereits vor 21 Jahren veröffentlichte Song "Intifada". In diesem heißt es unter anderem in Bezug auf den Holocaust und den Nahost-Konflikt: "Die Opfer sind zu Henkern geworden, sie kehren ihr Inneres nach außen" und "Tot, tot! Von Israel."

Konzert von Ska-P in München schon im Vorfeld in der Kritik

Tatsächlich spielte die Band das Lied am Sonntag nicht, wie mehrere Konzertbesucher übereinstimmend berichten. Stattdessen verkündete sie, dass das Stück verboten worden sei. Auf Nachfrage von t-online bestätigt Manager Javier Gonzalez den Vorgang. "So war es", heißt es in einer E-Mail. Die Band, die etwa für ihre Kiffer-Hymne "Cannabis" international bekannt wurde, sei von zwei Polizisten über "Anordnungen der Staatsanwaltschaft München" informiert worden.

Demnach hieß es auf der Bühne, dass die Band ins Gefängnis kommen würde, wenn sie "Intifada" spielte. Ein außergewöhnlicher Vorgang: Denn das Lied steht nicht einmal auf dem Index der Bundeszentrale für Kinder- und Jugendmedienschutz und ist in Deutschland demnach nicht zensiert. Doch die Staatsanwaltschaft München I dementiert den Vorgang.

Sprecherin Anne Leiding sagt, dafür sei man gar nicht zuständig. Die Behörde beschäftige sich nur mit Taten, die bereits geschehen seien, um deren Vorgang zu ermitteln und entsprechende Maßnahmen einzuleiten. Um eine mögliche Prävention kümmere man sich nicht, sagt sie auf Anfrage von t-online.

Ska-P in München: Wann ein Lied bestraft werden kann

Grundsätzlich sei es zwar möglich, dass auch das Vortragen eines Liedes zu einer Gefängnisstrafe führen könne. Je nachdem, was gesungen werde – und wie – könne der Straftatbestand einer Volksverhetzung erfüllt sein. Die Höchststrafe dafür liegt laut Strafgesetzbuch bei fünf Jahren Freiheitsstrafe. Eine derartige – insbesondere vorsorglich eingeholte – Einschätzung zu Ska-P habe die Staatsanwaltschaft jedoch nicht vorgenommen.

Und auch vonseiten des Kreisverwaltungsreferats, der Ordnungsbehörde der Stadt München, habe es kein Verbot für das Lied gegeben. Es unterfalle dem Schutzbereich der Meinungsfreiheit, teilt das KVR auf Anfrage mit, ein Eingriff darin sei dann gerechtfertigt, wenn Straftaten zu befürchten sind. "Dies ist nach rechtlicher Prüfung des KVR nicht der Fall", heißt es in einem Statement. Auch eine mögliche Ordnungswidrigkeit würde nicht ausreichen, um die Meinungsfreiheit einzuschränken und das Lied zu verbieten.

Antisemitismus-Vorwurf: Das ist der Hintergrund von Ska-P

Wer drohte also dann der Band mit Gefängnis? Übrig bliebe noch die Polizei – doch auch diese sagt auf Nachfrage von t-online, dass man das Stück nicht verboten habe. Ein Sprecher teilt mit, dass man die Band vor dem Auftritt in einem "Informationsgespräch" darauf hingewiesen habe, dass es Bedenken zu dem Stück gebe. Sollte "Intifada" als Volksverhetzung gewertet werden, könne dies auch mit Gefängnis bestraft werden – auch wenn das unwahrscheinlich sei.

Die Vermutung des Polizeisprechers: dass es aufgrund einer Sprachbarriere zu Missverständnissen gekommen sei. Ska-P kommt aus Spanien, hat seine Wurzeln im Madrider Stadtteil Valleco, der für seine linksautonome Szene bekannt ist – Fußballverein Rayo Vallecano gilt oft als Pendant zum FC St. Pauli in Deutschland. Auch dort wurde Ska-P bereits gespielt – worauf ebenfalls Protest folgte. Das Gespräch in München habe man auf Englisch geführt, teilt die Polizei mit.

Verwendete Quellen
  • Anfrage an Javier Gonzalez
  • Gespräch mit Anne Leiding
  • Anfrage an KVR München
  • Gespräch mit Polizeipräsidium München
  • Eigene Recherchen
  • lbga-muenchen.org: "Offener Brief bzgl. des Auftritts von Ska-P am 15. Juli 2023 auf dem Tollwood München"
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