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Oktoberfest 2023 | Ein Tag mit den Wiesn-Sanis: "Alkohol nicht das Hauptproblem"


Eskapaden auf der Wiesn
"Alkohol ist nicht das Hauptproblem"

Von Daniel Salg, Jannik Läkamp

Aktualisiert am 01.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Das Team der Wiesn-Sanis bei einem Einsatz: Besonders Gaffer sind ein Problem.Vergrößern des Bildes
Das Team der Wiesn-Sanis bei einem Einsatz: Besonders Gaffer sind problematisch. (Quelle: Jannik Läkamp/t-online)

Das Oktoberfest ist das größte Volksfest weltweit und mutmaßlich auch das mit den meisten Alkoholleichen. Ein Großteil von ihnen landet beim Rettungsdienst.

"Einsatz für Trage 73/3", schallt es über den Hinterhof der Sanitätsstation der Wiesnwache. Für Alex Klapper (22) und seinen Kollegen Stefan Seibt (45) heißt das: Es geht wieder los. Sie rücken zusammen mit drei weiteren Sanitätern aus. Gemeinsam bilden sie ein Sanitätsteam auf der Wiesnwache. t-online begleitet sie einen Nachmittag lang auf dem größten Volksfest der Welt.

Viel wissen sie noch nicht über den Einsatz, als sie mit ihrer rollenden Trage – quasi ihr Rettungswagen zum Schieben – vom Behördenhof auf dem Westteil der Theresienwiese ausrücken. Einzig ein Stichwort ist ihnen bekannt: Kreislauf. Nichts, was Verwunderung bei dem Team auslöst. Einsätze wegen Kreislaufproblemen seien zurzeit – wegen des guten Wetters – die häufigsten auf dem Oktoberfest.

Also keine Eile? Doch, wie dringend sie gebraucht werden, wissen die Sanitäter meist erst nach dem Einsatz. Gerade einmal etwas mehr als vier Minuten brauchen sie auf der Wiesn durchschnittlich bis zum Einsatzort. Auch heute stehen sie innerhalb weniger Minuten dort, wo man sie braucht.

Gaffer gehören zum Alltag

In diesem Fall ist das ein kleiner Stand neben dem Bräurosl-Festzelt. Dort liegt eine ältere Dame am Boden. Ihre Füße hat sie nach oben auf einen Stuhl gestreckt, eine Ärztin ist schon zufällig als Ersthelferin vor Ort gewesen. Der Verdacht der Sanitäter bestätigt sich: der Dame ist vermutlich wegen der Hitze schlecht geworden. Sie ist sichtlich erschöpft, aber bei Bewusstsein.

Direkt vor Ort checkt das Team Blutzucker, Sauerstoffsättigung und die übrigen Vitalparameter. Nichts Auffälliges – es bleibt also ein Routineeinsatz. Routine ist leider auch das, was Kollege Merlin Assmann erlebt, während die anderen drei an der Patientin arbeiten: Ein Passant bleibt stehen und starrt die am Boden Liegende an. "Bitte weitergehen", sagt Assmann bestimmt.

Es wird nicht der letzte Gaffer sein, der ihnen im Laufe des Einsatzes begegnet. Genau deshalb ist die Trage des Teams mit einem blauen Sichtschutz ausgestattet. Darunter verstecken sie auch diese Patientin vor lästigen Blicken und schieben sie Richtung Wache.

Auf der Wiesn steht eine kleine Klinik

Das Wort Wache ist in diesem Fall aber fast untertrieben. Der Rettungsdienst unterhält nämlich auf dem Festgelände eine kleine Klinik. Neben 19 Liegeplätzen gibt es dort eine Art Schockraum und sogar einen mobilen Computertomografen. Rund um die Uhr sind hier Pfleger und Ärzte vor Ort. Die kümmern sich nun auch weiter um die Patientin. Das Sanitätsteam ist damit wieder einsatzbereit.

Alle fünf Sanitäter haben sich freiwillig zum Dienst auf der Wiesn gemeldet und bekommen für ihren ehrenamtlichen Einsatz lediglich eine Aufwandsentschädigung. "Würde es mir keinen Spaß machen, wäre ich nicht hier", sagt Klapper.

Sein Kollege Seibt sieht es genauso, er macht im Leben abseits des Oktoberfests einen Bürojob bei der Lufthansa. Für den Sanitätsdienst auf der Wiesn nimmt er sich seit 2018 extra Urlaub, zudem hat er in seiner Freizeit eine entsprechende Ausbildung absolviert.

Ob Betrunkene ihnen die Arbeit hier nicht schwer machen? "Der Alkohol ist gar nicht das Problem", findet Klapper, "sondern eher die Folgen davon. Das, was der Alkohol mit den Menschen macht." Damit meint er Brüche von Trunkenbolden ebenso wie klaffende Wunden nach Schlägereien. Generell unterscheide sich die Arbeit auf der Wiesn aber kaum vom normalen Rettungsdienstalltag, von Brüchen bis hin zu Schlaganfällen sei alles dabei.

Bis zu 12 Teams gleichzeitig auf der Wiesn

In Stoßzeiten sind bis zu zwölf Sanitätsteams gleichzeitig auf dem Oktoberfest unterwegs. Der nächste Einsatz führt das Team um Alexander Klapper und Stefan Seibt heute zu einer alten "Bekannten": Eine chinesische Staatsbürgerin braucht ihre Hilfe. Einige Stunden zuvor waren sie schon einmal zu ihr gerufen worden.

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Beim ersten Einsatz habe sich die Frau nur unwohl gefühlt. Sie leide an psychischen Vorerkrankungen und nehme deshalb Medikamente ein. Sie und ihr Mann hatten nach dem ersten Einsatz den Sanitätern versichert, das Oktoberfest zu verlassen. Darum ließ das Team die beiden ziehen.

Nun also stehen sie wieder vor der Frau. Anstatt heimzugehen, habe sie noch eine Maß getrunken. Aber bloß eine, so ihr Mann. Sicher ist: Das war keine gute Idee, jetzt ist die Frau definitiv ein Fall für die Ärzte in der Wiesnklinik. Sie wirkt sichtlich benommen und reagiert nur noch träge auf die Fragen des Teams. Wohl weil sich ihre Medikamente nicht mit Alkohol vertragen, vermutet Klapper.

Der amtierende "Maß-König"

Ob die Dame wirklich nur ein Bier getrunken hat? Das werden die fünf nicht erfahren. In der Wiesnklinik messen die Ärzte den Blutalkoholwert nur bei besonders stark alkoholisierten Patienten. Die krassesten Fälle haben sogar die Chance, mit ihren Werten auf einem Whiteboard in der Sanitätsstation zu landen.

Der amtierende "Maß-König", so bezeichnen sie hier den am stärksten alkoholisierten Patienten, kam nach 10 Maß Bier auf die Sanitätsstation. Nach sechs Stunden ausnüchtern hatte er noch unrühmliche 2,08 Promille im Blut. So schlimm ist es bei der Frau zum Glück nicht.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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