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Wiesn: Polizist packt aus – dann ist es selbst für die Polizei gefährlich


Einsatz auf dem Oktoberfest
Polizist packt aus: Das sind die gefährlichsten Momente der Wiesn

Von Jannik Läkamp, Daniel Salg

Aktualisiert am 04.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Polizisten auf dem Oktoberfest (Archivbild): Die Beamten haben auf der Wiesn viel zu tun. (Quelle: Johannes Simon/Getty Images)

Am Tag der Deutschen Einheit geht das größte Volksfest der Welt zu Ende. Im Gespräch mit t-online erzählt ein Polizist von seinen Erfahrungen.

Am Tag der Deutschen Einheit wird auf dem Oktoberfest noch einmal gefeiert. Danach ist die größte Sause der Welt mit mehreren Millionen Besuchern für dieses Jahr vorbei. Nicht nur dabei, sondern mittendrin sind die Polizisten der Wiesnwache. Sie werden von netten Besuchern bei Sonnenschein um Selfies gebeten, müssen aber auch einschreiten, wenn Betrunkene nach der fünften Maß Bier aufeinander losgehen.

Enrico Unger ist seit 2007 immer wieder als Polizist auf dem Oktoberfest im Einsatz. Der 44-Jährige, der normalerweise bei der Polizeiinspektion am Olympiapark arbeitet, leitet eine Gruppe auf der Wiesn. Im Gespräch mit t-online schildert er seine ganz persönlichen Erfahrungen der vergangenen 17 Tage.

Wenn die Stimmung kippt

Wie schaut also ein typischer Tag für einen Polizisten auf dem größten Volksfest der Welt aus? Ganz unterschiedlich. Zum einen ist Unger mit seiner Gruppe, insgesamt sechs Kollegen, immer wieder auf dem Gelände unterwegs, einfach um Präsenz zu zeigen. Und dort sind die Polizisten in den meisten Fällen gern gesehene Gäste. Typisch sei auch, dass die Wiesngäste ihn und seine Kollegen um Selfies bitten. Die Polizisten sind auf dem Oktoberfest tatsächlich ein begehrtes Fotomotiv.

Aber nicht nur Fotos gehören zum Alltagsgeschäft auf der Wiesn. "Wir sind auch da, wenn die Stimmung bei Streitereien kippt", erklärt Unger. Aufgabe der Polizei sei es dann, solche Situationen frühzeitig zu erkennen und zu verhindern, dass aus einem kleinen Streit eine große Schlägerei entsteht.

"Ein Kollege hat dem Kind die Polizeimütze aufgesetzt"

Unger ist selbst Vater von drei Kindern. Fragt man ihn, welcher Einsatz der schönste für ihn war, beginnt er zu grübeln. Doch dann sprudelt es aus ihm heraus. "Das war vielleicht nicht der schönste Einsatz, aber einer, der mir wichtig ist", schiebt der Polizist vorweg.

Am Sonntag wurde ein Vater bei der Polizei gemeldet. Der sei so stark alkoholisiert gewesen, dass er nicht mehr gewusst habe, "wo hinten und vorne ist". Dennoch habe der Mann seinen fünfjährigen Sohn bei sich gehabt. Die Polizei habe dann versucht, den Mann von der Wiesn zu begleiten und ihn in ein Taxi zu setzen oder Angehörige ausfindig zu machen. Dabei sei der völlig betrunkene Vater ausgerastet.

"Für mich ist das Schöne, dass wir dem Kind helfen konnten, dass es nicht alleine auf der Wiesn zurückbleibt, mit einer Person, die nicht mehr zurechnungsfähig ist", sagt Unger. Gemeinsam haben sie dann mit dem Jungen die Mutter der Familie ausfindig gemacht. "Ein Kollege hat das Kind auf die Schultern genommen und ihm auf dem Weg zur Mutter die Polizeimütze aufgesetzt", beschreibt Unger die Situation.

Und der betrunkene Vater? Der habe dann wohl mehr Ärger mit der Familie als mit der Polizei bekommen, vermutet Unger. Am wichtigsten sei für ihn gewesen, dass der Junge nicht in der Dunkelheit alleine auf der vollen Wiesn herumirren musste.

"Kinder und Rollstuhlfahrer werden einfach überrannt"

Überhaupt komme es auf dem Oktoberfest oft vor, dass sich Menschen verlieren. Das liege einfach an den Besuchermassen. "Das passiert uns in der Gruppe auch, deshalb laufen wir ja zu sechst immer geballt herum", erklärt Unger. Wenn einem Polizisten etwas auffalle, würden sich alle Mitglieder der Gruppe gegenseitig einmal antippen.

"Sobald die Zelte in der Wirtsbudenstraße aufgehen und von links und rechts alles herausströmt, keine Chance", sagt Unger und meint damit den Trubel nach Schankschluss. Vor allem für Kinder sei das gefährlich, da diese sich ja je nach Alter nur auf der Hüfthöhe der Erwachsenen befinden. "Die Leute sind so angetrunken, dass Kinder und Rollstuhlfahrer einfach überrannt werden", sagt Unger. Und schiebt hinterher: "Im echten Leben würde das nicht passieren, das macht keiner mit Absicht."

Die Einsätze bleiben noch hängen

Polizisten erleben auf dem Oktoberfest gewiss allerhand. Aber welche Einsätze bleiben bei jemanden wie Unger hängen, der schon viele Jahre dort unterwegs ist? "Das sind solche Sachen, wenn es gegen uns geht", sagt der 44-Jährige.

Am gefährlichsten sei es für die Polizei, wenn sie beispielsweise einen Randalierer über die proppenvolle Theresienwiese zu ihrer Wiesnwache bringen müssen, um ihn in Gewahrsam zu nehmen. "Dann entwickeln Außenstehende oft einen Reflex und sagen, ihr kommt zu sechst, schnappt euch den, was hat er denn gemacht?"

In solchen Situationen werden die Polizisten auf dem Oktoberfest manchmal auch selbst Opfer von Gewalt. "Obwohl wir eigentlich da sind, um Gewalt zu verhindern. Weil da zum Beispiel einer ist, der andere Leute schubst oder sie mit dem Maßkrug schlägt und der für den Tag einfach weg von der Wiesn gehört", erklärt der Polizist weiter.

"Wir freuen uns aufs Ende"

Unger ist übrigens, wie alle anderen Polizisten auch, freiwillig auf der Wiesn im Einsatz. Er sagt: "Wir freuen uns aufs Ende, weil wir körperlich an unsere Grenzen kommen." Andererseits seien sie zum Abschluss aber auch wehmütig.

"Für uns ist es ein prägendes Erlebnis. Wir erzählen uns dann am Ende, wie alte Männer: 'Weißt du das noch?' Es schweißt uns als Gruppe schon zusammen", sagt Unger. Deshalb will er nächstes Jahr – wenn möglich – auch wieder dabei sein.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
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