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Fall Tabitha: Wie Aspergs Bürgermeister mit der Hetze von rechts umgeht


Beschaulicher Ort in den Schlagzeilen
Nach Tod von 17-jähriger Tabitha – Hass trifft Bürgermeister

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Von Michael Ströbel

06.08.2022Lesedauer: 4 Min.
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Links das Fahndungsfoto der getöteten Tabitha, rechts Aspergs Bürgermeister Christian Eiberger (Fotomontage): Seit der Tat hat sich das Leben für Asperg und dessen Oberhaupt verändert.Vergrößern des Bildes
Foto der getöteten Tabitha und Aspergs Bürgermeister Christian Eiberger: Seit der Tat hat sich das Leben für Asperg und das Stadtoberhaupt verändert. (Quelle: Polizei Ludwigsburg/Stadt Asperg)

Der Tod von Tabitha E. rückte den Ort Asperg in den Fokus der Aufmerksamkeit. Rechte nutzen den Fall aus – doch der Bürgermeister wehrt sich.

Vor knapp drei Wochen wurde die 17-jährige Tabitha aus Asperg tot aufgefunden – ein Schock für die Gemeinde und die ganze Region. Wenig später teilten die Polizei Ludwigsburg und die Staatsanwaltschaft Stuttgart mit, dass bereits ein Tatverdächtiger verhaftet worden sei. Dabei handelt es sich laut der Mitteilung um einen 35-jährigen Mann, den das Opfer wohl bereits vor der Tat kannte.

Mit dem Tod von Tabitha ist das beschauliche Asperg im Kreis Ludwigsburg in die Schlagzeilen geraten. Und nicht nur das. Aufgrund des Migrationshintergrunds des Verdächtigen wird der Fall in rechten Kreisen mitunter instrumentalisiert. Aspergs Bürgermeister Christian Eiberger ist seitdem auch Hass ausgesetzt. Dabei will er – wie seine Gemeinde auch – einfach nur in Ruhe die Geschehnisse aufarbeiten und "die Familie von Tabitha unterstützen, so gut es geht", wie er sagt. Dass das nicht möglich ist, liegt vor allem an Neurechten, die sich im Internet formieren.

Rechte Hetze gegen Aspergs Bürgermeister

Schnell schaltete sich auch die AfD Baden-Württemberg in die entstandene Debatte ein. Die inzwischen vom Verfassungsschutz beobachtete Partei unterstellte zudem Innenminister Thomas Strobl, er wolle etwas vertuschen. Weitere Personen und Gruppierungen aus der rechtspopulistischen Ecke – bis hin zur rechtsextremen "Identitären Bewegung", die ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet wird – meldeten sich ebenfalls zu Wort. Manche sahen die Schuld an Tabithas Tod in der Flüchtlingspolitik Angela Merkels begründet.

Der Fall steht beispielhaft für eine Bewegung im Internet, der es nur um Hetze gegen Migranten geht – nicht aber darum, den Angehörigen, Freunden und Nachbarn der Opfer in ihrer Trauer beizustehen.

Unter diesem Vorwand allerdings stellten Mitglieder der "Wackren Schwaben" – eine Gruppe, die ebenfalls der Identitären Bewegung zuzuordnen ist – ein "Gedenkkreuz" an der Asperger Kirche auf. Just an jenem Tag, an dem die Gemeinde ein aus Respekt vor den aktuellen Ereignissen abgespecktes Stadtfest beging und der toten Tabitha gedachte.

Absprache mit Opferfamilie wichtig

"Es wurde bewusst an eine Stelle gestellt, wo später Musikanten auftreten", sagt Aspergs Bürgermeister Chrisitan Eiberger zu t-online. "Es stand schlichtweg im Weg." Also nahm er es und trug es auf die Seite. Währenddessen stellte er fest, dass er gefilmt wurde. "Da habe ich gemerkt: Da passt etwas nicht." Eiberger wurde skeptisch und vorsichtig.

"Mir war immer wichtig, dass alles nur in Absprache mit der Familie geschieht", erklärt er und betont, dass er in ständigem Kontakt mit Tabithas Angehörigen stehe. "In dem Fall wusste ich über keine solche Aktion Bescheid. Es hat sich dann ja auch herausgestellt, dass es Mitglieder der Identitären Bewegung waren, die das Kreuz aufgestellt haben." Daher habe er das Kreuz dann auf dem Platz vor der Kirche noch weiter nach hinten verbannt und es auch nicht wieder nach vorne geholt.

"Unter Garantie hat man sich den Ort auch bewusst ausgesucht. Am Samstag zuvor sind genau an derselben Stelle schon Künstler aufgetreten", mutmaßt Eiberger. "Dass ich dann direkt gefilmt wurde, als ich es nur wenige Meter wegstellen wollte, war bestimmt kein Zufall", glaubt er. In Asperg selbst hatte niemand um ein Denkmal gebeten, stattdessen kamen Leute von außen und brachten nur noch mehr Unruhe in ein Dorf, das gerade mehr Ruhe gebraucht hätte.

Dutzende Anrufe und Nachrichten

"Das Schicksal für die Familie ist dermaßen schlimm. Man sollte es nicht auch noch für politische Instrumentalisierung ausnutzen", meint Christian Eiberger. Doch genau das geschah im Anschluss an das Stadtfest nicht nur mit dem Tod der 17-Jährigen, sondern auch mit seiner Aktion, das Kreuz wegzutragen.

In der Telegramgruppe verbreiteten die "Wackren Schwaben", dass der Bürgermeister das Kreuz absichtlich neben ein Dixi-Klo gestellt habe. Sie verbanden das mit der Aufforderung, es zurück neben den Kircheneingang zu stellen, um das "Gedenken an Tabitha lebendig (zu) halten". Von den Mitgliedern der Gruppe wurde Eiberger heftig beschimpft, als "Dreckssack" und "Verräter am Deutschen Volk". Und es wurde ihm gedroht, dass er "seine gerechte Strafe schon noch bekommen" werde.

Sie veröffentlichten auch die E-Mail-Adresse sowie die Telefonnummern des Bürgermeisters, damit jeder ihn selber fragen könne, warum er das Kreuz eigenständig entfernt habe. Schätzungsweise 50 bis 60 Anrufe und Nachrichten habe Christian Eiberger daraufhin bislang bekommen. Zu möglichen rechtlichen Schritten will er sich lieber bedeckt halten.

Dickes Fell gefragt

Schnell stand für den Asperger Bürgermeister jedoch fest, dass er nicht klein beigeben will. Also suchte er die Offensive und wandte sich an die Öffentlichkeit. Er gab örtlichen Zeitungen und dem SWR Interviews. "Dadurch habe ich sehr viel Zuspruch bekommen, aus dem Dorf und der ganzen Region." Dutzende Nachrichten und Anrufe hätten ihn in wenigen Stunden erreicht. Vielen davon sei vorher gar nicht bewusst gewesen, "was da so abgeht im Internet".

Für die Zukunft hofft Eiberger, dass endlich etwas Ruhe in dem Fall einkehre und die Stadt sich ganz mit der Aufarbeitung der schrecklichen Tat beschäftigen könne. Eine Ruhe, in der auch "die Polizei und die Staatsanwaltschaft ihre Arbeit machen können, damit der Täter seine gerechte Strafe bekommt".

Durch Störfeuer von Leuten von außen werde das nur erschwert. Zu persönlich nehmen will er es allerdings nicht: "Als Bürgermeister braucht man auf jeden Fall ein dickes Fell, das ist unabdingbar". Er sehe auch nicht, dass der Fall die Gemeinde gespalten habe. "Im Gegenteil, ich erfahre wie gesagt viel Zuspruch." Ein Schock sei es aber allemal gewesen. Einer jedoch, den man lieber selbst verarbeite. Ohne die "freundliche Unterstützung" von außen.

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Aspergs Bürgermeister Christian Eiberger
  • Recherchen auf Telegram
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