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US Open: John McEnroe über die junge Generation – "Alex Zverev tut mir leid"


John McEnroe zu den US Open
"Was wir erleben, ist unglaublich"


05.09.2022Lesedauer: 5 Min.
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Alexander Zverev: Deutschlands bester Tennisspieler kann verletzungsbedingt nicht an den US Open teilnehmen.Vergrößern des Bildes
Alexander Zverev: Deutschlands bester Tennisspieler kann verletzungsbedingt nicht an den US Open teilnehmen. (Quelle: IMAGO/Ibrahim Ezzat)

Bei den US Open wagt die junge Generation aktuell den nächsten Anlauf auf einen großen Tennis-Titel. John McEnroe erklärt, warum das so schwer ist.

Er holt tief Luft. Dann sagt John McEnroe einen bezeichnenden Satz: "Darüber sprechen wir doch schon seit Jahren", erklärt die Tennislegende in einer virtuellen Presserunde von Eurosport auf Nachfrage von t-online.

Denn auch bei den US Open 2022 (Eurosport überträgt alle Matches der US Open live bei Eurosport 1 im Free-TV sowie bei Eurosport 2 und discovery+) ist sie präsent, die Frage nach dem Generationenwechsel im Herrentennis – beim letzten Major-Turnier des Jahres stehen die Chancen so gut wie schon lange nicht mehr, dass es einen anderen Sieger gibt als im überwältigenden Teil der letzten Jahre.

Noch immer führt der Weg zu einem Grand-Slam-Titel nur über die "Großen Drei", die den Sport seit über 15 Jahren dominieren: Roger Federer, Rafael Nadal und Novak Djokovic. Und nur, weil Djokovic aufgrund seines Impfstatus nicht in die USA einreisen durfte und Federer nach seiner langen Verletzungspause noch nicht wieder zurück ist, muss sich die Konkurrenz bei den aktuell laufenden US Open "nur" mit Nadal auseinandersetzen, als wäre das nicht schon schwer genug. 33 der letzten 42 Grand-Slam-Turniere seit 2012 teilten der Schweizer, der Spanier und der Serbe unter sich auf. Dass gleich drei derart begnadete Spieler quasi zeitgleich nebeneinander existieren – einmalig. "Was wir seit Jahren erleben, ist unglaublich" bestätigt auch McEnroe.

"Das ist besonders bitter"

Doch die Zeit der "Großen Drei" neigt sich langsam dem Ende zu: Federer ist mittlerweile 41 Jahre alt, pausiert bereits seit über einem Jahr nach einer Verletzung, Nadal ist 36 Jahre alt, Djokovic 35. Der Generationenwechsel, die Wachablösung, sie wird seit geraumer Zeit erwartet. Die Jahrgänge der Mittneunziger stehen im Fokus: Deutschlands bester Tennisspieler Alexander Zverev (Jahrgang 1997), der Russe Daniil Medwedew (1996), der Italiener Matteo Berrettini (1996), der Grieche Stefanos Tsitsipas (1998), der Norweger Caspar Ruud (1998) oder der US-Amerikaner Taylor Fritz (1997): Spieler mit besten Anlagen und bestem Potenzial.

Doch einzig dem aktuellen Weltranglistenersten Medwedew und dem Österreicher Dominic Thiem, heute 29 Jahre alt, gelang es bisher, die Phalanx zu durchbrechen. Beide konnten die US Open gewinnen, Thiem 2020 – im Finale gegen Zverev –, Medwedew im vergangenen Jahr im direkten Duell mit dem "Djoker".

Besonders Zverev, Berrettini und Tsitsipas werden vor jedem Grand-Slam-Turnier wieder größte Chancen auf einen Triumph ausgerechnet. Zverev, der mit Olympiagold bereits einen prestigeträchtigen Erfolg außerhalb der ATP-Tour feiern konnte und auf dem Weg ins Finale von Tokio Djokovic ausschalten konnte, ist über die letzten Jahre so etwas wie der tragische Held geworden: 2020 verlor der Hamburger in einem mitreißenden US-Open-Finale gegen Thiem, in diesem Jahr war er im Halbfinale der French Open dem großen Nadal auf dessen Paradebelag Sand ebenbürtig, verletzte sich dann aber schwer und musste aufgeben. "Alex Zverev tut mir leid", erklärt McEnroe. "Vor Kurzem noch war er auf Augenhöhe mit Nadal – und dann kam die Verletzung. Das ist besonders bitter, denn es schien wirklich so, als hätte er entschlüsselt, wie man gegen Nadal spielen muss – was eine der schwersten Aufgaben ist, die es im Tennis gibt."

"Der Prozess dauert viel länger als gedacht"

Tsitsipas ist noch zu inkonstant, leistet sich immer wieder Patzer oder wirkt dem Druck nicht gewachsen. Im French-Open-Finale 2021 gewann der aktuelle Weltranglistenfünfte die ersten beiden Sätze mit starkem Spiel gegen Djokovic, um dann am Ende doch noch 7:6, 6:2, 3.6, 2:6, 4:6 zu verlieren. In New York nun kassierte Tsitsipas eine peinliche Erstrundenniederlage gegen den Kolumbianer Daniel Galan. 0:6, 1:6, 6:3, 5:7 ließ er sich vom 94. der Welt zeitweise vorführen. Berrettini verlor sein erstes Grand-Slam-Finale in Wimbledon 2021 – gegen Djokovic, ebenfalls nach anfänglicher Führung (7:6, 4:6, 4:6, 3:6). Ruud hatte im Finale der French Open 2022 beim 3:6, 3:6, 0:6 gegen Nadal keine Chance.

"Ich glaube, die Jungen suchen nach Möglichkeiten, ihr Potenzial voll auszuschöpfen und sich stetig zu verbessern", betont McEnroe. "Sie haben nur ein Problem: Sie treffen irgendwann ständig auf diese Legenden, die eben genau wissen, wie man gewinnt, und wie sie die Schwächen ihrer unerfahreneren Gegner zu ihrem Vorteil nutzen, sowohl spielerisch als auch mental." Allerdings sei die Chance da, die Granden zu besiegen: "Wir reden aber über Spieler, die 35, 36 und 41 Jahre alt sind. Also wachsen die anderen hoffentlich einmal über sich hinaus und finden zu sich." McEnroe erkennt aber auch: "Der Prozess dauert viel länger als gedacht."

Und noch jüngere Jahrgänge kommen bereits nach: Der erst 18-jährige Spanier Carlos Alcaraz gilt als potenzieller Nachfolger Nadals, steht bereits auf Platz fünf der Weltrangliste. Auf Jannik Sinner (2001) stützen sich die Hoffnungen der italienischen Fans, Dänemark setzt auf Holger Rune (2003), und auch dem Kanadier Felix Auger-Aliassime (2000) wird viel zugetraut. Bis auf Rune stehen sie alle bereits unter den Top-20 der Welt.

"Das zehrt mental an dir"

Ohnehin: Eine Vorherrschaft wie unter Federer, Nadal und Djokovic schließt McEnroe für die Zukunft aus. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass auch nur einer der Jungen herankommt an das, was wir über so viele Jahre gesehen haben. Am ehesten hätte ich noch gesagt, dass sich Alcaraz von der Gruppe absetzen könnte. Aber er ist gerade 1,85 Meter groß, muss sich ständig mit den Medwedews und Zverevs dieser Welt messen, die fast zwei Meter groß sind, Leute mit starken Aufschlägen. Das zehrt mental an dir. Das wird es für die ganz Jungen schwer machen." Der siebenmalige Grand-Slam-Sieger sieht einen anderen Weg: "Ich glaube eher, dass es sich wie im Damentennis entwickeln wird: Eine ganze Menge Spieler, die die vielen Titel unter sich aufteilen, und immer wieder wird ein anderer herausragen." Tatsächlich ist das Favoritenfeld im Damentennis weitaus offener: Im selben Zeitraum, in dem bei den Herren Federer/Nadal/Djokovic 33 von 42 Grand Slams gewinnen konnten, teilten sich die Titel bei den Damen unter 21 (!) Spielerinnen auf.

Die Generation um Zverev und Medwedew sei im perfekten Alter für die großen Erfolge: "Ich bin der Meinung, dass es besser ist, wenn Spieler erst etwas später in ihren Karrieren ihren Zenit erreichen, also eher eben mit Mitte, Ende 20. Dann wissen sie das alles besser einzuordnen." In der heute startenden zweiten Turnierwoche wird sich herausstellen, ob es schon jetzt bei den US Open einen Titel-Debütanten geben wird – und eine Antwort auf die jahrelange Frage.

Verwendete Quellen
  • Gespräch mit John McEnroe
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