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Diesel-Urteil: "Es braucht schnell eine blaue Plakette"


Reaktionen auf Diesel-Urteil
"Es braucht schnell eine blaue Plakette"

Von dpa, reuters, afp, dru

Aktualisiert am 27.02.2018Lesedauer: 3 Min.
Streitfall blaue Plakette: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes streiten Beobachter über die Konsequenzen. Im Bild: ein rundes Protestplakat der Organisation Greenpeace in Stuttgart.Vergrößern des BildesStreitfall blaue Plakette: Nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes streiten Beobachter über die Konsequenzen. Im Bild: ein rundes Protestplakat der Organisation Greenpeace in Stuttgart. (Quelle: Marijan Murat/dpa)
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Das Bundesverwaltungsgericht ebnet in einem wegweisenden Urteil den Weg für Diesel-Fahrverbote in Deutschland. Der Entscheid sorgt für Zuspruch, aber auch reichlich Kritik. An den Börsen gerieten Papiere von Automobilherstellern unter Druck.

Nun ist es amtlich: Diesel-Fahrverbote in Städten sind nach geltendem Recht grundsätzlich zulässig. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig am Dienstag entschieden.

Die Richter wiesen die Revision der Länder Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen, die auf eine Zuständigkeit des Bundes gepocht hatten, zurück. Fahrverbote sind demnach als letztes Mittel zulässig, um die Grenzwerte für gesundheitsschädliches Stickoxid (NOx) einzuhalten.

Streitfall blaue Plakette

Das Urteil bewegt Millionen deutsche Diesel-Besitzer und auch viele Beobachter in Politik und Wirtschaft. Besonders eine blaue Plakette wird seit Jahren diskutiert, um bundesweit vor allem ältere Dieselfahrzeuge aus Innenstädten mit schlechter Luft herauszuhalten.

Grünen-Fraktionschef Toni Hofreiter forderte von der Regierung rasches Handeln bei der Schadstoffminderung von Diesel-Autos. Dass hier zu wenig getan werde, sei eine "krasse Form von Körperverletzung", sagte er im ZDF. "Und es braucht schnell eine blaue Plakette, es braucht schnell eine Nachrüstung."

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kündigte nach dem Urteil an, einen neuen Anlauf für eine blaue Plakette zu starten. Das Land werde umgehend auf die Bundesregierung zugehen und die Einführung der Plakette anmahnen, sagte er. Denn diese sei unabdingbar, um einen kommunalen Flickenteppich bei Fahrverboten zu vermeiden und um eine effektive Kontrolle der Verbote zu ermöglichen.

Auch die Berliner Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) sprach sich für eine blaue Plakette aus. Pop sagte, die Autohersteller müssten nun die Hardware schmutziger Diesel auf eigene Kosten nachrüsten. "Zusätzlich brauchen wir nun die blaue Plakette, um eine Fahrerlaubnis für saubere Autos zu schaffen."

Union wehrt sich gegen blaue Plakette

Unionsfraktionschef Volker Kauder sagte, er sehe keine Notwendigkeit für die Einführung einer blauen Plakette. "Es ist richtig, dass es nicht zu pauschalen Verboten kommt – und das deswegen auch eine blaue Plakette nicht erforderlich ist." Er forderte von Kommunen wie Stuttgart konsequentere Anstrengungen, um die Richtwerte einzuhalten.

Auch CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt sah nach dem Urteil vor allem die Städte selbst in der Pflicht. Städte wie Düsseldorf oder Stuttgart müssten selbst für Abhilfe sorgen, eine blaue Plakette sei nicht notwendig, sagte Dobrindt.

"Die Autoindustrie hat sich böse verzockt"

Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) sprach von einer Niederlage für die Bundesregierung. "Wir erleben hier ein Debakel für die Regierungspolitik der großen Koalition, die sich einseitig auf die Seite der Autoindustrie geschlagen hat", sagte DUH-Chef Jürgen Resch. Er sprach zugleich von einem "ganz großen Tag für saubere Luft in Deutschland". Nun sei die Autoindustrie in der Pflicht, durch Nachrüstungen an den Fahrzeugen für bessere Luft zu sorgen. "Ab heute erwarte ich von der Autoindustrie, dass sie liefert", sagte Resch. Der Geschäftsführer des Naturschutzbundes Nabu, Leif Miller, erklärte: "Die Autoindustrie hat sich böse verzockt."

Greenpeace-Sprecher Niklas Schinerl erklärte, jede Stadt könne nun "das Recht ihrer Bürger auf saubere Luft selbst durchsetzen". Die Umsetzung des Urteils werde aber bald zeigen, dass nur eine bundesweit einheitliche Regelung mit einer "blauen Plakette" einen Flickenteppich unterschiedlicher Regeln verhindern könne. "Die Bundesregierung muss mit einer Plakette verhindern, dass bald niemand mehr weiß, welcher Diesel noch in welche Stadt fahren kann", forderte er.

Mittelstandsverband: Fahrverbote wären Enteignung von Betriebsvermögen

Der Mittelstandsverband BVMW hingegen sah in dem Urteil eine Gefährdung für die Existenz vieler kleiner und mittlerer Unternehmen. Verbandschef Mario Ohoven warnte, Fahrverbote kämen einer Enteignung von Betriebsvermögen bei vielen Firmen gleich. Der Hightechverband Bitkom warnte: "Mit Fahrverboten doktert man an den Symptomen herum. Die Ursachen der Luftverschmutzung bleiben unangetastet: ein ineffizienter Individualverkehr auf Basis fossiler Energieträger."

Die Papiere der deutschen Automobilhersteller gaben unmittelbar nach dem Urteil nach. Zwischenzeitlich fielen BMW um 0,74 Prozent, Daimler um 0,63 Prozent und Volkswagen um 1,76 Prozent zurück. Letztere hatten allerdings am Montag noch kräftig zugelegt.

FDP-Chef Christian Lindner erhob auf Twitter schwere Vorwürfe. Fahrverbote seien ein falscher Weg, schrieb er. "Seit Jahren haben Politik und Verwaltung den Bürgern und Betrieben die Anschaffung von Dieselfahrzeugen fast aufgedrängt. Wenn ihre Nutzung jetzt verboten wird, dann ist das kalte Enteignung und Wortbruch in einem."

Städtebund: Saubere Luft durch Verbote sind Irrglaube

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund bezeichnete es als "Irrglauben", mit Fahrverboten könne das Schadstoffproblem gelöst werden. Es sei ein falscher Eindruck, dass sich mit möglichst viel Regulierung und Verboten die Stickoxid-Belastung in den betroffenen Städten reduzieren lasse, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Auch der Maschinenbau-Verband VDMA argumentierte, generelle Fahrverbote seien der falsche Weg. Weit besser wäre eine bessere Verkehrslenkung und ein attraktiver öffentlicher Nahverkehr, erklärte der Verband.

Die stellvertretende CDU-Vorsitzende und designierte neue Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner erklärte auf Twitter: "In einem Pendlerland müssen wir auch an die denken, die einen kleinen Geldbeutel haben, sich nicht das neueste Automodell leisten und auch nicht mit dem Fahrrad zur Arbeit kommen können."

Verwendete Quellen
  • dpa
  • Reuters
  • AFP
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