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Pauken in den Ferien – muss das sein?


Pauken in den Ferien – muss das sein?

t-online, dpa, Nicola Wilbrand-Donzelli

Aktualisiert am 14.07.2017Lesedauer: 6 Min.
Zeit zum Abschalten und Faulenzen wird für Schüler immer wichtiger.Vergrößern des BildesZeit zum Abschalten und Faulenzen wird für Schüler immer wichtiger. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Für viele Schüler mit weniger guten Zensuren heißt es in den Ferien "Büffeln", wenn sie im folgenden Schuljahr bestehen wollen. Aber wie viel Lernpensum kann dem Nachwuchs in den Ferien zugemutet werden und wie geht man das Pauken am effektivsten an, ohne dass die Erholung auf der Strecke bleibt? Einer Umfrage zufolge lernen 59 Prozent der Schüler in den Ferien.

Eigentlich sind Schulferien zum Erholen, Abschalten und Faulenzen da. Das ist heute wichtiger denn je, weil der Druck auf die Kinder und der damit verbundene Stress vor allem durch die verkürzte Gymnasiums-Zeit erheblich gestiegen ist. Wie jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Urlaub hat, haben auch Schulkinder das Recht auf Ferienzeit ganz ohne Verpflichtungen, wo ihr Leben nicht vom Takt des Stundenplanes, von Hausaufgaben und von Prüfungsvorbereitungen bestimmt wird.

Dafür plädiert die Hamburger Pädagogin, Lerntherapeutin und renommierte Autorin von Lernhilfen Dorothee Raab im Gespräch mit t-online.de: "Eigentlich bin ich grundsätzlich dagegen, dass in den Ferien gelernt wird, denn Kinder brauchen freie, unbeschwerte Zeit, um sich von dem anstrengenden Schulalltag zu erholen. Das gilt ganz besonders für leistungsschwächere Kinder, die Schule oftmals als wesentlich anstrengender erleben als ihre Mitschüler, die ohne Mühe den geforderten Stoff bewältigen."

Keine zusätzlichen Lerneinheiten in den Oster- und Weihnachtsferien

Doch manchmal – etwa nach einer längeren Krankheit oder wenn eine Nachprüfung ansteht, um doch noch die Versetzung zu schaffen, muss es eben sein: Mathe üben, Formeln pauken oder Englisch-Grammatik wiederholen. Entscheidend sei dabei, den richtigen Zeitpunkt zu wählen, weiß Lerntherapeutin Raab: "In den kurzen Ferien an Weihnachten, Ostern oder im Herbst sollte das Thema Schule unbedingt außen vor bleiben. Nur in den langen Sommerferien ist genug Zeit, eventuell zu den Büchern zu greifen. Das gilt aber wirklich nur für Schüler mit schlechten Leistungen."

Die zweite Hälfte beziehungsweise das letzte Drittel der Ferien sei dafür am besten geeignet, rät die Pädagogin weiter: "Haben die Kinder nämlich schon ein paar Erholungswochen hinter sich, ist die Lust zu lernen, die Neugier und die Motivation wieder größer. Außerdem bleibt das Gelernte dann besser haften und ist präsenter, wenn die Schule wieder beginnt."

Auf die Dosis kommt es an

Um die "Ferienpaukerei" nicht zum Frusterlebnis werden zu lassen, sollten Eltern darauf achten, dass nur in kleineren Dosierungen geübt wird: "Ein Pensum über mehrere Stunden am Stück, halte ich für völlig übertrieben und sinnlos", so Dorothee Raab. "Jüngere Kinder im Grundschulalter sollten maximal eine Stunde pro Tag lernen."

Damit die Vorsätze auch erfolgreich umgesetzt werden können, empfiehlt die erfahrene Lerntherapeutin Müttern und Vätern mit ihren Kindern einen Plan mit klaren Abmachungen und Zielsetzungen zu erstellen und danach vorzugehen. "Das hat den Vorteil", weiß die Expertin, "dass sowohl die Kinder als auch die Eltern einen überprüfbaren Rahmen haben, an dem sie sich in kleinen Etappen entlang hangeln können."

Mit den Lehrern vorher den Stoff absprechen

Um auch das Richtige zu lernen und nicht nach dem Gießkannenprinzip den gesamten Stoff eines Schuljahres in Angriff zu nehmen, rät die Hamburger Pädagogin noch vor den Ferien Unterstützung bei den jeweiligen Lehrern zu holen: "Sie wissen meist konkret, wo die Lücken sind, welche Defizite vorliegen und was genau nachzuarbeiten ist. Mit solchen Tipps lässt sich das Ganze viel gezielter angehen, wird dadurch überschaubarer und auf jeden Fall weniger entmutigend."

Eltern sind meist schlechte Hilfslehrer

Doch wie sollten die Kinder lernen? Am besten alleine und selbstständig oder mit Hilfe eines kompetenten Nachhilfelehrers, weiß Dorothee Raab: "Mütter und Väter, die mit am Schreibtisch des Kindes sitzen, halte ich allerdings für weniger geeignet. Hier kommt es nicht selten zu Spannungen und Stress, weil die Eltern zu viel Druck ausüben und zu hohe Erwartungen haben."

Eine weitere Alternative sind Intensiv-Ferienkurse bei Nachhilfeschulen oder Lerncamps, die jedoch, abgesehen von den relativ hohen Kosten, aus der Sicht von Dorothee Raab nicht für jeden Schülertyp eine optimale Lösung darstellen: "Diese Art Unterricht hat den Nachteil, dass meist in Gruppen gelernt wird und so nicht individuell genug auf die Schwächen und aber auch die Stärken des jeweiligen Schülers eingegangen werden kann. Das passt nicht für jedes Kind." Andere hingegen profitieren von dem kollektiven Miteinander. Denn die gemeinsame Arbeit in der Gruppe kann auch anspornen und die soziale Kompetenz fördern.

Der Alltag ist der beste Lehrmeister

Um das Lernen interessanter zu gestalten und nicht die gewohnten Schulbücher zum zigsten Mal zu "beackern", gibt es auch andere Möglichkeiten, dem vom Lehrer empfohlenen Stoff aufzuarbeiten und zu vertiefen: "Hier können beispielsweise kompakte und attraktiv gestaltete Lernhilfen beziehungsweise Übungshefte aus dem Buchhandel weiterhelfen oder bestimmte PC-Programme, die bei Kindern besonders beliebt sind", so die Erfahrungen von Dorothee Raab. Die meisten dieser ergänzenden Lehrmittel sind so konzipiert, dass die Kinder völlig selbstständig damit arbeiten können.

Der ideale Lehrmeister ist allerdings der Alltag: "Kinder lernen am besten, wenn sie theoretischen Stoff mit der Praxis verbinden können und dabei noch kreativ sein können. Warum in den Ferien also mal in aller Ruhe zusammen mit dem Nachwuchs einen Kuchen backen und währenddessen so ganz nebenbei das Abmessen in Gramm oder Milliliter üben", meint die Lerntherapeutin.

"Auf diese Weise sehen die Kinder auch einen praktischen Sinn in der Mathematik, begreifen, warum man lernt und die ungeliebte Materie wird anschaulicher und weniger abstrakt." Nach demselben Prinzip des sogenannten "informellen Lernens" können auch Sprachen trainiert werden - ganz ohne Lerndruck. Es ist doch viel spannender und lebensnaher, etwa im Frankreich-Urlaub beim Bäcker die Frühstücksbrötchen selbst zu bestellen oder in London nach dem Weg zu fragen, als nur trockene Vokabeln aus dem Buch zu pauken.

Belohnungen funktionieren nur bei Jüngeren

Gelingt es dem Nachwuchs das vereinbarte "Ferien-Lernprogramm" erfolgreich zu absolvieren, können auch kleine Belohnungen zusätzlich motivierend wirken: "Das funktioniert jedoch nur bei jüngeren Kindern – aber dann sollte es für die geleistete Arbeit nie Geldgeschenke geben", erklärt die erfahrene Pädagogin weiter.

"Gemeinsame Unternehmungen sind die optimale Form, um den Kindern eine Freude zu machen und Anerkennung zu zeigen. Um das Ganze spannender zu gestalten, eignet sich auch ein Punktesystem." Bei "erlernten" fünf Punkten, die es etwa nach zwei Diktaten gibt, kann man beispielsweise zusammen Eis essen gehen. Zehn Punkte sind dann vielleicht ein Ausflug in die Kletterhalle. Der Phantasie der Eltern sind da keine Grenzen gesetzt.

Bei Jugendlichen sind solche Motivationshilfen dagegen eher zum Scheitern verurteilt: "Mit Belohnungen läuft in diesem Alter meist gar nichts mehr. Hier bleibt den Eltern nur der Appell an die Vernunft und das Argument, dass ein guter Schulabschluss nicht unwichtig sei. Trotz aller pubertärer Coolness ist es manchmal für die Teenager ein gutes Gefühl, wenn sie das Bewusstsein haben, dass sich ihre Eltern Gedanken machen und sich kümmern", meint Dorothee Raab.

"Einmischen sollten sich Mütter und Väter aber nicht beim Umsetzen des Ferien-Lernplans. Dieser Druck und die Kontrolle können kontraproduktiv wirken und bei den Jugendlichen dann erst recht zur völligen Verweigerung führen."

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"Übertriebener Ehrgeiz ist fehl am Platz"

Funktioniert das Ferien-Lern-Projekt trotz aller Bemühungen nicht wie erhofft, sollten Eltern daraus keinen Konflikt entstehen lassen und ihren Kindern Vorwürfe machen: "Gelassenheit heißt das Zauberwort. Übertriebener Ehrgeiz und Zwang ist hier fehl am Platz", kommentiert Raab abschließend." Jedes Kind hat sein Lerntempo und sucht sich seinen Weg im Leben. Selbst wenn die Schule weiter schwierig bleibt, hat dies rückblickend immer einen Sinn für die kindliche Entwicklung." Außerdem lernten Kinder auch außerhalb der Schule durch Spielen, Sport, Basteln oder Gespräche eigentlich ohnehin pausenlos dazu – nur eben ohne Lehrmittel.

Mehrheit der Schüler lernt in den Ferien

Die meisten Schüler packen Bücher und Hefte in den Ferien nicht weg: 59 Prozent lernen ihren Eltern zufolge auch in der unterrichtsfreien Zeit. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage. 38 Prozent gucken sich den Schulstoff dagegen überhaupt nicht an.

Nach den Gründen gefragt, warum ihre Kinder in den Ferien lernen, sagen 67 Prozent der befragten Eltern: "um den Schulstoff zu festigen". Knapp die Hälfte (47 Prozent) gibt an, dass sich der Nachwuchs damit aufs nächste Schuljahr vorbereitet. Immerhin 38 Prozent glauben, dass Spaß am Lernen für die Kinder im Vordergrund steht.

Unbeteiligt ist die Familie nicht, wenn Kinder in den Ferien lernen: 72 Prozent sagen, dass Eltern, Großeltern oder Geschwister die Kinder unterstützen. Mit Freunden lernen nur 24 Prozent der Schüler, ein Nachhilfelehrer ist nur bei 8 Prozent dabei.

Im Auftrag der Lernplattform Scoyo wurden im Mai 2017 rund 1000 Eltern mit schulpflichtigen Kindern befragt.

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