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Ende der Börsenparty? Die Liste der Warnzeichen ist lang


Ende der Börsenparty?
Der Giftcocktail

Meinungt-online, Daniel Stelter

06.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Aktienhändler an der Börse in New York: Ist die Party an den Finanzmärkten bald vorbei?Vergrößern des BildesAktienhändler an der Börse in New York: Ist die Party an den Finanzmärkten bald vorbei? (Quelle: EPA/JUSTIN LANE/dpa-bilder)
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An den Finanzmärkten läuft gerade jede Menge falsch, dennoch stürzen sich Anleger auf alles, was hohe Renditen verspricht. Die Party könnte schneller vorbei sein, als viele glauben.

Eine Analyse von Daniel Stelter

Na, denken auch Sie darüber nach Bitcoins zu kaufen? Verdenken kann ich es Ihnen nicht, hört man doch überall von den phänomenalen Gewinnen, die in kurzer Zeit erzielt wurden. 10.000 Prozent in vier Jahren sind wirklich beeindruckend.

Die dahinter liegende Technologie ist interessant und könnte in der Tat unser Geldwesen und viele Geschäftsprozesse radikal verändern. Dennoch sollten Sie die Finger davon lassen. Niemand kann Ihnen sagen, was Bitcoins wirklich wert sind. Sie können morgen auf 100.000 Dollar steigen – aber genauso gut auf 100 Dollar fallen.

Die Bitcoin-Manie ist ein besonders deutliches Symptom für das, was falsch läuft an den Finanzmärkten. Denn nicht nur Bitcoins sind deutlich teurer geworden, fast alle Vermögenswerte sind es in den letzten Jahren: von Immobilien über Kunst bis zu den Aktienmärkten. Wohin man auch blickt, wird für Vermögenswerte so viel gezahlt, wie nur vor den großen Krisen an den Finanzmärkten wie 1929 und 2001. Alles ist "zur Perfektion" bepreist. Nichts darf schiefgehen, sonst droht der große Knall.

Die Liste der Warnzeichen:

  • Die Anleger in den USA investieren so stark wie seit 30 Jahren nicht mehr.
  • Die Schwankungen an den Börsen sind so gering wie nur selten seit Beginn der Aufzeichnungen.
  • Zugleich spekulieren immer mehr Anleger auf einen weiteren Rückgang dieser Volatilität.
  • Die Unternehmen – vor allem in den USA – haben sich in den letzten Jahren stark verschuldet, vor allem, um Aktienrückkäufe und Übernahmen zu finanzieren.
  • Noch nie wurden so viele Aktien an der Wall Street auf Kredit gekauft wie heute.
  • Die Anleihen von hoch verschuldeten europäischen Unternehmen erbringen weniger Zinsen als zehnjährige US-Staatsanleihen.
  • Chronische Pleitekandidaten wie Argentinien können 100-jährige Anleihen ausgeben.

Egal, welchen Indikator man auch verwendet, die Märkte sind teuer. Nun warnt sogar die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, die Notenbank der Notenbanken, vor der hohen Bewertung an den Märkten und der Sorglosigkeit der Anleger.

Neue Stockwerke für den Schuldenturm

Der Grund für diese Entwicklung ist offensichtlich: Es ist die bis heute nicht bewältigte Finanz- und Eurokrise. Hohe Verschuldung führte zur Krise und diese haben wir mit noch mehr Schulden bekämpft. Mit immer billigerem Geld wurde der Schuldenturm vor dem Einsturz bewahrt. Dummerweise haben wir aber noch weitere Stockwerke oben draufgesetzt.

Damit sind wir gefangen in einer Politik tiefer Zinsen. Und genau dieses billige Geld dient allen Optimisten als Argument dafür, weiter in die Märkte einzusteigen. Sei es doch "alternativlos". Nach dieser Logik ist fast jeder Preis für Immobilien und Aktien gerechtfertigt. Diese Überlegung ist allerdings nicht in sich konsistent. Tiefe Zinsen können dauerhaft nur in einem Umfeld Bestand haben, in dem es geringes Wirtschaftswachstum gibt. Wer also bei der Bewertung von Vermögenswerten den Abzinsungssatz senkt, muss zwingend auch die Erwartungen für künftiges Ertragswachstum reduzieren.

Wie weit wir von normalen Zinsen entfernt sind, zeigt das Beispiel Deutschland. Eigentlich müssten bei uns angesichts von Fast-Vollbeschäftigung und moderater Inflation die Zinsen für zehnjährige Staatsanleihen bei rund fünf Prozent liegen, nicht bei 0,5 Prozent.

Nun zeichnen sich für das kommende Jahr dennoch steigende Zinsen ab. Nicht, weil die Realwirtschaft so gut dasteht, sondern, um wieder Munition für geldpolitische Maßnahmen zu haben, wenn es das nächste Mal kriselt. Das könnte sich angesichts der oben genannten Faktoren als Killer für die Börsen und die hoch verschuldete Weltwirtschaft erweisen.

Wirtschaft könnte in Schieflage kommen

Zehn der letzten 13 Phasen, in denen die US-Notenbank Fed die Zinsen erhöht hat, führten zu einer Rezession. In drei Fällen kam es zu einer Krise in den Schwellenländern. Diesmal könnte beides die Folge sein, warnen doch Experten schon seit Langem vor der hohen US-Dollar-Verschuldung der Schwellenländer.

Dies würde die Weltwirtschaft und vor allem die Finanzmärkte hart treffen. Die Zinsen würden dann zusätzlich steigen, weil das Ausfallrisiko, das vom Markt derzeit konsequent verdrängt wird, prominent in das Bewusstsein rücken würde. Die Unternehmen kämen dann von mehreren Seiten unter Druck: höhere Finanzierungskosten, Verluste im eigenen Wertpapierportfolio – alleine die größten 30 US-Unternehmen haben 1200 Milliarden in Anleihen angelegt (LINK: https://think-beyondtheobvious.com/stelters-lektuere/der-sagenhafte-reichtum-der-us-konzerne/ ) – und sinkende Gewinne. Ein Giftcocktail erster Ordnung für Aktien.

Natürlich werden die Notenbanken im Zuge der nächsten Krisenphase die Geldschleusen erneut und noch drastischer öffnen, vielleicht im Versuch, einen globalen Neustart zu ermöglichen. Davor muss die Krise – und damit die Panik an den Märkten – jedoch so offensichtlich sein, dass die Notenbanken einen Vorwand haben, so zu handeln. Setzen sie damit doch die eigene Existenz aufs Spiel.

Lieber jetzt aussteigen?

Selbst ohne Einbruch sind in einer Welt, in der die meisten Assets hoch bewertet sind, nur noch magere Renditen möglich. Was die berechtigte Frage aufwirft: Soll man angesichts der beschränkten Chancen und des deutlichen Risikos überhaupt auf diesem Niveau noch mitspielen oder doch lieber Chips vom Tisch nehmen und die Cashquote erhöhen? Die Opportunitätskosten sind gering.

Das letzte Mal, als US-Aktien in der Summe der Indikatoren so hoch bewertet waren, war im Jahre 1997. Wer damals ausstieg, erkannte die Fehlbewertung zwar richtig, verpasste jedoch weitere zweieinhalb Jahre Aufschwung mit 60 Prozent Kursgewinn. Dass es innerhalb von 20 Jahren zweimal zu einer historischen Blase kommt, ist unwahrscheinlich, aber nicht ausgeschlossen. Darauf setzen würde ich nicht.

Daniel Stelter zählt zu den führenden Ökonomen Deutschlands und betreibt den Blog "Think beyond the obvious", in dem er regelmäßig wirtschaftliche und finanzpolitische Themen analysiert und kommentiert.

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