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Gaskrise in Deutschland: Das wird nicht funktionieren


Gaskrise in Deutschland
Das wird nicht funktionieren

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 04.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Wirtschaftsminister Robert Habeck, Bundeskanzler Olaf Scholz und Finanzminister Christian Wolfgang: Ein Gaspreisdeckel soll die Verbraucher schützen. (Quelle: IMAGO/M. Popow)

Preisbremsen wirken nicht. Dennoch gelten Deckel als sexy – die Marktwirtschaft dagegen als dysfunktional. Zu Unrecht.

Ein Deckel ist ein nützliches Ding. Er hält schädliche Einflüsse von außen fern, wärmt und spart auch noch Energie. Das schätzt nicht nur die schwäbische Hausfrau, das finden auch Politiker toll. Deshalb soll es nun den Gaspreisdeckel geben.

Der werde uns wärmen, uns vor Unfrieden bewahren und uns die Angst vorm Winter vom Hals schaffen, versprechen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP). Leider wird das nicht klappen. Denn der Gasdeckel kann im Unterschied zum Kochutensil, an das er sich anlehnt, eines nicht: Energie sparen.

Die soziale Marktwirtschaft in Deutschland wurde am 20. Juni 1948 erfunden. Damals gab es einen mutigen Wirtschaftsprofessor, der die Preise für die meisten Güter der westlichen Besatzungszonen freigab. Mit der Währungsreform und der Liberalisierung der Preise durch Ludwig Erhard kam im kriegszerstörten Land die Wirtschaft in Schwung. Sie waren das Ende der Preisdeckel, der Rationierungen und der Krise.

Der Deckel verändert die Genetik unserer Wirtschaftsordnung

Der aktuelle Gasdeckel ist das genaue Gegenteil. Was mit "Wuuuuuumms!" daherkommt und wie im Superman-Comic Überkräfte gegen die Krise verspricht, wird den Gencode der Wirtschaftsordnung umprogrammieren.

Wenn nicht mehr die Preise anzeigen, dass ein Gut knapp und teuer ist, muss es jemand anderes tun. Wer den Preis generell deckelt, muss am Ende den Verbrauch rationieren. Oder er riskiert, dass Verbrauch und Subventionen durch die Decke gehen.

Die Geschichte der "Deckel" in der deutschen Politik ist lang und unerfreulich. Sie beginnt mit großen Hoffnungen und scheitert in der Regel am unüberbrückbaren Gegensatz von Rationierung und Effizienz.

In der Gesundheitspolitik zum Beispiel regierte zu Beginn des Jahrtausends der "Kostendeckel", der die Honorare der Mediziner festschrieb. Die Ärzte schlossen daraufhin ihre Praxen wochenweise ab, gingen lieber zur Jagd oder segelten vor Sylt – und brachten den Deckel gemeinsam mit den aufgebrachten Patienten zu Fall.

Schon der Mietendeckel hat wenig überzeugt

Wenig überzeugend fiel auch die Bilanz des Berliner Mietendeckels aus. Bevor er vom Verfassungsgericht gekippt wurde, erfreuten sich ausgerechnet die Wohlhabenden daran. Deren Mieten wurden durch den Deckel vorübergehend gesenkt, obwohl sie sich auch zuvor kaum hatten einschränken müssen.

Schließlich hatten sie die Luxus-Mietverträge für Kaminzimmer und Bad mit Doppelwaschbecken vorher unterschrieben. Für die Nicht-so-gut-Verdiener mit Einfach-WC dagegen war die Sache von vornherein ein Rohrkrepierer. Ihre Mieten waren zu niedrig, um gedeckelt zu werden.

Der Hinzuverdienstdeckel bei der Rente ab 63 wurde gerade erst gekippt. Zu viele rüstige Fachkräfte hatten wegen der Abschläge keinen Grund mehr gesehen, wenigstens ein bisschen weiter zu arbeiten und hatten sich lieber mit dem Wohnmobil auf die Reise zu den Enkelkindern gemacht.

Deckel für und gegen alles

Der "kleine Pflegedeckel" des früheren Gesundheitsministers Jens Spahn dagegen hat die Eigenbeteiligung der Pflegeheimbewohner nicht wie erwünscht gedrückt, und der Sozialbeitragsdeckel von 40 Prozent muss mit jährlich wachsenden Milliardenzuschüssen erkauft werden.

Dem Deckel-Enthusiasmus der Politik haben diese ernüchternden Erfahrungen ganz und gar nicht geschadet. Deckel haben immer noch ein verdächtig gutes Image. Der Finanzminister (Wahlversprechen "Wir sichern die soziale Marktwirtschaft") träumt beim Gas jetzt sogar von einem "atmenden Deckel". Der soll die vorgesehenen 200 Milliarden Euro im Einklang mit den Preisschwankungen am Weltmarkt unters Volk bringen.

Dabei gibt es auch für diese Idee eine handfeste Warnung der jüngsten Geschichte. Der "atmende Deckel" ist nämlich eine Erfindung aus dem Erneuerbare-Energien-Gesetz. Er sollte einmal dafür sorgen, dass nur so viel Photovoltaik (PV)-Anlagen gebaut werden, wie die Regierung gerne hätte. Doch auch dieser Vorstellung von Planbarkeit ging so schnell die Luft aus, dass der Infodienst "Solarthemen" im vergangenen Jahr alarmiert rätselte: "Erstickt atmender Deckel die PV?"

Die vorgeschlagene Neuauflage bei der Gasversorgung lässt auf weitere, ähnlich gelungene Aphorismen hoffen. Das ist aber auch schon das Beste, was man über die neue Deckelei sagen kann.

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