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Finanzkrise und Schuldenbremse: Darum werden die Staatsschulden immer mehr


Gigantischer Schuldenberg
Der Krisen-Tsunami

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 25.10.2022Lesedauer: 3 Min.
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Ein pro-russischer Soldat vor einem zerstörten Gebäude in Mariupol: Die Lage in der Hafenstadt ist weiterhin prekär.Vergrößern des Bildes
Ein prorussischer Soldat vor einem zerstörten Gebäude in Mariupol (Archivbild): Der Krieg in der Ukraine macht große Staatshilfen notwendig. (Quelle: Alexander Ermochenko/reuters)

Wie die Schuldenbremse dazu führt, dass jede Krise gewaltiger und größer erscheint als ihre Vorgängerin.

Wer eine schlimme Krise bewältigen muss, übertreibt nach einem erfolgreichen Kampf das Ausmaß der Katastrophe gerne ein bisschen. Da wird die Lage grell zugespitzt, die eigene heldenhafte Aktion ins schönste Licht gerückt, die Rettung als Resultat von Mut, Umsicht und Entschlossenheit dargestellt.

Politiker machen es noch geschickter: Die Krise wird von Anfang an als das größtmögliche Unglück betrachtet, der Kampf gegen sie muss mit dem höchsten finanziellen Einsatz geführt werden. Wenn dann hinterher dank kluger und besonnener Haushaltsführung Geld übrig bleibt, lobt man sich auch dafür – anstatt zuzugeben, dass die Sache von Beginn an zu groß angelegt war.

Die Preisschilder zeigen überdeutlich, wie sehr sich der politische Blick auf Krisen verändert hat. Bis zur Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 reichte normalerweise der Ausruf "eine Milliarde", um das allgemeine Erschrecken über eine Missernte, Stahlkrise oder eine Flutkatastrophe deutlich zu machen.

Es braucht immer mehr Geld – und dann noch mehr

Mit der Finanzkrise verschoben sich die Dimensionen: Jetzt kostete eine Krise mindestens 60 Milliarden Euro – das ist jedenfalls in etwa die Summe, die die öffentlichen Haushalte in Deutschland bis 2017 für die Finanzkrise aufwenden mussten.

Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg schufen eine neue Dimension. Heute ist eine Krise erst dann eine Krise, wenn sie 100 Milliarden Euro und mehr kostet, pro Haushaltsjahr. Diese Dynamik entsteht natürlich einerseits wegen der Schwere der Krisen. Doch sie hat andererseits auch mit der Schuldenbremse zu tun, mit der Bund und Länder eigentlich für mehr finanzpolitische Disziplin sorgen wollten.

Als sich Bund und Länder im Jahr 2009 auf die Schuldenbremse einigten, konnten sie nicht ahnen, wie viele tiefe Krisen die Zukunft bereithalten würde. Deshalb schrieben sie in das Gesetzeswerk einen Vorbehalt.

Erst Corona, jetzt der Krieg

Im Fall einer wirklich heftigen Krise, einer echten Notlage, dürfe der Staat auch künftig mehr Schulden machen als erlaubt. Die erste wirklich tiefe Krise, bei der das passierte, war Corona. Die Schuldenbremse wurde ausgesetzt. Die nächste Krise ist der Krieg Russlands gegen die Ukraine.

Nicht geplant war allerdings, was dann passierte: Die Finanzminister – zuerst ein Mann namens Olaf Scholz von der SPD, heute Christian Lindner von der FDP – machen viel mehr Schulden, als die akute Krisenbekämpfung kostet. 272 Milliarden Euro neue Schulden im Jahr 2020 und noch einmal 150 Milliarden Euro im Jahr 2021 brauchten die öffentlichen Haushalte im Jahr 2021, um die Corona-Krise abzufedern.

Die vorläufige Rechnung für die Ukraine-Krise lautet: 28 Milliarden Euro für die ersten Hilfspakete, 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr, 200 Milliarden für die Strom- und Gaspreisbremse.

Tricks erschüttern die Grundsätze solider Finanzen

Die Rechnung der Finanzminister: Wenn die Schuldenbremse demnächst wieder eingehalten werden soll, dann wäre es doch schön, wenn man eine Reserve hätte. So bildeten nicht benötigte Mittel aus der Krise, die zurückgezahlten Kredite aus der Corona-Pandemie und die wieder verkauften Unternehmensbeteiligungen an Lufthansa und Tui ein schönes Polster – für den Kampf gegen den Klimawandel, die Transformation der deutschen Wirtschaft, die Stützung der Rentenkasse.

In akuten Krisen geht es nicht mehr nur darum, das Richtige zu tun. Es wird auch dafür gesorgt, in der Zukunft mehr finanziellen Spielraum zu haben. Das ist zwar eigentlich nicht erlaubt. Denn das Geld, das im Haushalt vorgesehen ist, muss im entsprechenden Jahr verwendet werden. Doch lässt sich dieser Jährlichkeitsgrundsatz dehnen. Mit Sondervermögen wie dem für die Bundeswehr setzen sich die Finanzminister elegant darüber hinweg.

Mittelfristig werden so die Grundsätze guter und transparenter Finanzpolitik erschüttert. Denn zu behaupten, man werde die Schuldenbremse vom kommenden Jahr an wieder einhalten, ist die eine Sache. Sie wirklich ernst zu nehmen und in der Krise nur das Geld zu leihen, das man wirklich braucht, ist die andere.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt: Die Kanzlerin. Porträt einer Epoche.

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