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Olaf Scholz will weniger Frührentner: Was soll dann seine Sozialpolitik?


Frührente
Wer schlau ist, geht eher

MeinungEine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Aktualisiert am 16.12.2022Lesedauer: 3 Min.
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Olaf Scholz: Um eine grundlegende Rentenreform wird die Bundesregierung in Zukunft nicht herumkommen, sagt Ursula Weidenfeld.Vergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Um eine grundlegende Rentenreform wird die Bundesregierung in Zukunft nicht herumkommen, sagt Ursula Weidenfeld. (Quelle: Felix Zahn/photothek.net)

Ältere Arbeitnehmer sollen bis zur Regelaltersgrenze arbeiten – so will es die Bundesregierung. Warum betreibt sie dann eine Sozialpolitik, die das Gegenteil bewirkt?

Bundeskanzler Olaf Scholz hat am Wochenende verlangt, dass die Menschen in Deutschland länger arbeiten. Sie möchten, so sagte er, doch bitte künftig bis zur Regelaltersgrenze arbeiten. Die liegt zurzeit bei gut 66 Jahren und steigt bis zum Jahr 2031 auf 67 Jahre. Die Beschäftigten aber gehen im Schnitt zwei Jahre früher. Scholz hat recht mit seiner Forderung. Doch fragt man sich, warum die Bundesregierung auf der anderen Seite alles tut, um die Leute ab 63 von ihrem Arbeitsplatz zu verjagen.

In den kommenden Jahren gehen Millionen Babyboomer in den Ruhestand. Das belastet nicht nur die Rentenkasse außerordentlich. Auch auf dem Arbeitsmarkt werden riesige Lücken klaffen. Schon in wenigen Jahren geht es nicht mehr um Facharbeitermangel. Dann geht es um das Fehlen von Arbeitskräften sämtlicher Gehalts- und Qualifikationsstufen in allen Bereichen.

Die Rentenkarte ist beliebt

Die Probleme der Rentenkasse und des Arbeitsmarktes wären viel geringer, wenn die Beschäftigten wenigstens bis zum Erreichen der regulären Altersgrenze arbeiten würden. In der Realität aber ermutigt die Bundesregierung sie, so früh wie es eben möglich ist zu gehen: In der vergangenen Legislaturperiode war die Rente mit 63 für besonders langjährig Versicherte das Herzensthema der Sozialdemokraten.

Wer 45 Versicherungsjahre eingezahlt hat, soll in Rente gehen dürfen, auch wenn man noch nicht 66 ist. Rund ein Viertel der Rentner macht heute von dieser Regelung Gebrauch. Kein Wunder: Wer danach weiterarbeiten will, kann es tun – und bekommt zusätzlich zur Rente sein Einkommen.

Auch für Vorruheständler lohnt es sich, die Rentenkarte zu ziehen. Denn mit der Corona-Pandemie kam die Idee, auch für sie die Zuverdienste liberal zu gestalten. Durften Vorruheständler bis dahin nur einen kargen Betrag verdienen, ohne dass Kürzungen bei der Rente drohten, wurde die Grenze nun üppig gestaltet. Rentenkürzungen musste kaum noch jemand fürchten. Von Januar an wird der Zuverdienst nun freigestellt. Damit sollen diejenigen, die gerade in Rente gegangen sind, zur Rückkehr ermutigt werden. Weil es sich für sie lohnt.

Genau dieser Punkt aber ist auch der Pferdefuß dieses Konstrukts. Denn die Bundesregierung geht von der Annahme aus, dass die Versicherten motiviert werden müssen, den Arbeitsmarkt zu entlasten, anstatt sich mit 63 ins Wohnmobil zu setzen und an die Ostsee zu reisen. Was aber ist mit denjenigen, die normalerweise einfach weiter arbeiten würden? Warum sollen sie die Vorruhestandsrente liegen lassen, die sie künftig ohne Kürzung zusätzlich zum Verdienst bekommen können?

Ein wenig Realismus würde nicht schaden

In ein paar Tagen können Sie, sofern Sie in einem vorruhestandsfähigen Alter sind, bequem in die vorgezogene Rente gehen und dennoch weiter arbeiten, wie Sie lustig sind. Das kostet Sie zwar einen Rentenabschlag von 0,3 Prozent für jeden Monat, den Sie früher als vorgesehen in den Ruhestand wechseln. Diese Einbuße aber können Sie locker ausgleichen: Sie kaufen (am besten noch in diesem Jahr) ein paar Punkte in der Rentenversicherung, und außerdem suchen Sie sich eine schöne Beschäftigung.

Vielleicht machen Sie auch einfach da weiter, wo Sie gerade aufgehört haben, Sie sind ja noch jung. Wenn Sie es ganz schlau anstellen, machen Sie sich mit Ihrer Expertise selbstständig. Dann müssen Sie nur Steuern zahlen, doch weder Sie noch Ihre Auftraggeber müssen Sozialversicherungsbeiträge dafür entrichten.

Je flexibler der Übergang in die Altersrente ist, desto mehr hilft das dem Arbeitsmarkt, rechnet die Bundesregierung vor. Wahrscheinlich hat sie damit recht. Doch solange sie den Vorruhestand übersteuert, darf sie nicht darüber klagen, dass die Beschäftigten den Regelaltersgrenze-Appell überhören und genau das tun, wozu sie ermutigt werden: früher zu gehen und anders weiterzumachen. Der Kanzler kann es drehen und wenden, wie er will: Um eine große Rentenreform kommt diese Bundesregierung vielleicht gerade noch so herum. Die nächste aber nicht mehr.

Ursula Weidenfeld ist Wirtschaftsjournalistin in Berlin. Ihr neues Buch heißt:

Anm. d. Red.: In einer früheren Version dieser Kolumne hieß es, dass die Beiträge zur Arbeitslosen und Rentenversicherung für alle Arbeitnehmer entfallen, die bei Rentenbezug noch weiterarbeiten. Das jedoch ist nicht der Fall, den entsprechenden Satz haben wir deshalb nachträglich gestrichen.

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