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Umstellung des Gas-Bezahlsystems: "Das wäre ein enormer Verlust für Putin"


Neues Dekret
Was die Umstellung der Gas-Bezahlung für Deutschland heißt

Von Mauritius Kloft

Aktualisiert am 01.04.2022Lesedauer: 5 Min.
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Mitarbeiter der inzwischen gestoppten Pipeline Nordstream 2 (Archivbild): Für deutsche Gasabnehmer dürfte sich nach der Zahlungsumstellung wenig ändern.Vergrößern des Bildes
Mitarbeiter der inzwischen gestoppten Pipeline Nordstream 2 (Archivbild): Für deutsche Gasabnehmer dürfte sich nach der Zahlungsumstellung wenig ändern. (Quelle: ITAR-TASS/imago-images-bilder)

Westliche Staaten müssen künftig ihre Gasrechnungen in Rubel überweisen, kündigte Putin jedenfalls groß an. Nun steht fest: Zahlungen in Euro sind weiter möglich, das System wird umgestellt. Aber warum dieses Hickhack?

Es ist nicht überliefert, ob in Russland Aprilscherze erzählt werden. Doch um einen solchen handelt es sich bei der Ankündigung des Kremlchefs Wladimir Putin ohnehin nicht. Mit Wirkung zu diesem Freitag (1. April) ordnete er an, dass Kunden aus westlichen Staaten Konten bei der Gazprom-Bank eröffnen müssen, um weiter russisches Gas zu erhalten. Andernfalls würden die Lieferungen für die auf einer Liste "unfreundlicher Länder" aufgeführten Staaten eingestellt.

Vor einer Woche hatte er dagegen noch bekannt gegeben, russisches Gas an die "unfreundlichen Staaten" künftig nur noch gegen Rubel zu verkaufen. Begründet hatte Moskau sein Vorgehen mit einem angeblichen "Wirtschaftskrieg" des Westens.

Doch: Warum jetzt das Hin und Her? Was bringt das Putin? Und: Welche Folgen müssen deutsche Gasabnehmer nun befürchten? t-online erklärt es.

Wie soll das russische Gas in Zukunft bezahlt werden?

Dem Dekret zufolge sollen alle Zahlungen von der russischen Gazprom-Bank abgewickelt werden, einer Tochterfirma des staatlichen Energieriesen Gazprom. Die Käufer sollen demnach Zahlungen in Fremdwährung auf ein Konto der Gazprom-Bank überweisen, die die Bank dann in Rubel umwandelt und auf das Rubel-Konto des Käufers überweist.

Letztlich handelt es sich also um einen Währungsumtausch. Die Gazprom-Bank ist wie viele andere russische Banken nicht von Wirtschaftssanktionen des Westens betroffen. Andernfalls wäre dieses System auch nicht möglich.

Was ändert sich für deutsche Gasabnehmer?

Nach Ansicht von Experten wenig. "Aktuell gibt es für Gasabnehmer in Deutschland in der Praxis keine Änderungen und die Versorgung ist weiterhin gewährleistet", sagt Malte Küper, Energieexperte am Institut der deutschen Wirtschaft (IW Köln), t-online. "Zumindest so lange, wie sich Russland an die vertraglich festgelegten Überweisungen für Gas in Euro und Dollar hält."

Auch Ulrich Leuchtmann, Leiter der Devisenabteilung bei der Commerzbank, sieht das so. "Für die deutschen Unternehmen dürfte sich unter dem Strich nicht besonders viel ändern", sagte er. Die Gazprom-Bank unterliege derzeit keinen wesentlichen Finanzsanktionen, was aber auch beabsichtigt sei, damit die Bezahlung von Gaslieferungen für den Westen überhaupt möglich sei.

Selbst aus Russland kommen vergleichbare Äußerungen. "De facto gibt es für diejenigen, die russisches Gas erhalten, die für die Lieferungen bezahlen, keine Änderung", sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow vor Journalisten. "Sie erwerben nur Rubel für den Betrag in der Währung, der im Gasvertrag festgelegt ist", fügte er hinzu.

Tatsächlich liefert Russland eigenen Angaben zufolge den Rohstoff weiter in großem Umfang für den Transit durch die Ukraine nach Europa. Am Freitag würden 108,4 Millionen Kubikmeter Gas durch das Leitungssystem gepumpt, sagte der Sprecher des Energieriesen Gazprom , Sergej Kuprijanow, der Agentur Interfax zufolge. Das entspricht fast der vertraglich möglichen maximalen Auslastung pro Tag.

Zahlt Deutschland unter diesen Bedingungen?

Ja, zumindest ist das anzunehmen. Wenn das russische Dekret vorliege, wolle die Regierung es "gründlich prüfen und bewerten", sagte eine Sprecherin des Wirtschafts- und Klimaschutzministeriums am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur.

Der Kanzler beharrte auf seiner Ablehnung einer Begleichung der Rechnungen in Rubel. "Die Zahlung russischer Gaslieferungen findet entsprechend der bestehenden Verträge in Euro und Dollar statt", erklärte Olaf Scholz (SPD) am Donnerstag auf Twitter. "Das ist so, das wird auch so bleiben, und das habe ich gestern in meinem Gespräch mit Präsident Putin auch deutlich gemacht."

Das heißt folglich: Wenn das Bezahlsystem wie erwartet umgestellt wird, wird Deutschland auch weiterhin seine Rechnungen bezahlen. Die Frage ist nur, wie lange (siehe unten).

Wie profitiert Russland von dieser Umstellung?

Zunächst schlicht dadurch, dass westliche Staaten weiter ihre Gasrechnungen bezahlen. Hätte der Kreml das Bezahlsystem nicht umgestellt, hätte der Westen seine bestehende Haltung zu einem vollständigen Importstopp wohl noch einmal überdenken müssen – trotz aller Abhängigkeit vom russischen Gas, sagt IW-Experte Küper.

"Auch Russland ist von den Gaseinnahmen aus dem Westen abhängig", so Küper. "Putin hat derzeit keine nennenswerte Alternative zum Export des Gases nach Europa." Zwar verkaufe Russland einen Teil des Gases auch nach China, doch bei Weitem nicht so viel wie nach Europa. Und dieses stamme aus anderen Gasfeldern, so Küper. Außerdem dauere es Jahre, neue Pipelines oder Terminals für den Export von LNG aufzubauen.

"Bei einem Lieferstopp müsste Russland folglich die Förderung in diesen Gasfeldern einstellen", sagt er. "Das wäre ein enormer Verlust für Putin." Letztlich bestünde eine gegenseitige Abhängigkeit, was die Lage verzwickt mache.

Experte: "Wirkt wie ein Test"

Doch warum hat Putin überhaupt zunächst angekündigt, dass die Gasrechnungen in Rubel bezahlt werden müssten, nur um jetzt wieder zurückzurudern?

"Zum einen wird versucht, die bestehenden Sanktionen abzumildern und den Rubel zu stärken", so Küper. Der zuletzt wegen der westlichen Sanktionen unter Druck geratene Rubel dürfte etwas aufwerten.

Zeitgleich bekommt Russland wieder Zugang zu ausländischen Devisen. Wenn deutsche Importeure Konten bei der russischen Bank eröffnen, hat Russland den Zugriff auf die darauf vorhandenen Devisen. So könnte das Land seine Devisenreserven wieder aufbauen, die westliche Sanktionen stark getroffen haben. "Darüber hinaus wirkt es wie ein Test, um auszuloten, wie weit der Westen bereit ist zu gehen", so Küper.

Die Kehrtwende Putins und das daraus resultierende Hickhack beim Bezahlen der Gasrechnungen dürfte nicht zuletzt daran liegen, dass der Kremlchef nach innen keine Schwäche eingestehen wollte – und sich so behelfen muss.

Ist die Gefahr eines Lieferstopps nun gebannt?

Nein. Auch Experte Küper sieht das so. "In der aktuellen Situation lässt sich nichts ausschließen." Möglich sei zudem auch immer noch, dass der Westen ein Energieembargo verhängt. Auch wenn viele Ökonomen vor den wirtschaftlichen Folgen warnen, jüngst etwa die Wirtschaftsweisen.

"Deutschland ist stark von russischen Energielieferungen abhängig. Ein Stopp dieser Lieferungen birgt das Risiko, dass die deutsche Volkswirtschaft in eine tiefere Rezession abrutscht und die Inflation noch stärker zunimmt", sagte Wirtschaftsweisin Monika Schnitzer.

Bereits am Mittwoch hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Frühwarnstufe des Notfallplans Gas ausgerufen, die erste von drei möglichen Stufen. Das bedeutet, dass die Bundesregierung sich auf eine erhebliche Verschlechterung der Gasversorgung vorbereitet (mehr dazu lesen Sie hier).

Ein Team aus Vertretern der Bundesnetzagentur, des Wirtschaftsministeriums und sonstigen Experten soll die Lage engmaschig beobachten. "Der Krisenstab ist ein wichtiges Signal, auch wenn das Szenario eines sofortigen Importstopps zunächst gebannt scheint", so Küper.

"Umso entscheidender ist es, uns durch den gemeinsamen europäischen Einkauf von Flüssiggas und den Ausbau der erneuerbaren Energien möglichst schnell aus der Abhängigkeit Russlands zu lösen."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
  • Gespräch mit Malte Küper
  • Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa und AFP
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