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Reisehinweis: Wie sicher ist ein Urlaub in der Türkei noch?


Das müssen Urlauber jetzt wissen

dpa, t-online, Julia Naue, Philipp Laage, msc

Aktualisiert am 21.07.2017Lesedauer: 5 Min.
Die weltberühmte Blaue Moschee (Sultan-Ahmed-Moschee) in Istanbul vor dem Bosporus.Vergrößern des BildesDie weltberühmte Blaue Moschee (Sultan-Ahmed-Moschee) in Istanbul vor dem Bosporus. (Quelle: Robert Harding/imago-images-bilder)
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Nach der Verhaftung eines deutschen Menschenrechtlers in der Türkei hat das Auswärtige Amt seine Reisehinweise verschärft. Wie sicher ist Urlaub in der Türkei jetzt noch?

Seit Monaten kriselt es zwischen Deutschland und der Türkei. Nachdem sich zwischenzeitlich die Gemüter auf beiden Seiten etwas beruhigt hatten, eskaliert im Juli 2017 die Krise erneut. Grund ist die Verhaftung des Berliner Menschenrechtlers und IT-Experten Peter Steudtner. Am 5. Juli war er in Istanbul in seinem Hotel, wo er einen Sicherheits-Workshop leitete, verhaftet worden. Vorwurf: Terrorunterstützung.

Bislang hat die Bundesregierung deutliche Worte vermieden. Die diplomatische Krise erreicht nun aber einen neuen Höhepunkt. Jetzt verschärft die Bundesregierung die Reisehinweise für die Türkei.

Was bedeuten die aktuellen Reisehinweise des Auswärtigen Amtes?

Die Risiken für Reisende sind von Land zu Land unterschiedlich. Eine Übersicht gibt das Auswärtige Amt (AA) online in seinen Reise- und Sicherheitshinweisen.

Akute Gefahr für Leib und Leben besteht, wenn das AA eine Reisewarnung ausspricht. Das gilt in der Regel für Kriegs- und Konfliktstaaten. Aktuell gibt es Reisewarnungen für Afghanistan, Libyen, Syrien, Irak, Jemen und Somalia sowie den Gaza-Streifen in den Palästinensischen Gebieten (Stand: 20. Juli 2017). Für manche Länder gibt es zudem Teilreisewarnungen. Dann sind dort nur bestimmte Regionen lebensgefährlich, etwa der nördliche Sinai in Ägypten.

Statt ausdrücklich davor zu warnen, kann das AA von Reisen in Länder oder Regionen abraten oder dringend abraten. Letzteres gilt derzeit etwa in der Türkei für die Grenzgebiete zu Syrien und zum Irak.

Was bedeutet das für Pauschaltouristen?

Wichtig für Pauschalurlauber: Erst wenn das AA ausdrücklich vor einem Land oder einer Region warnt, holen deutsche Reiseveranstalter ihre dortigen Gäste auf jeden Fall nach Deutschland zurück. Und Urlauber dürfen gebuchte Reisen dorthin gebührenfrei stornieren. Dann handelt es sich um höhere Gewalt. Rät das AA lediglich dringend von einem Reiseziel ab, ist die Lage nicht so eindeutig: Auch dann kann höhere Gewalt und damit ein kostenloses Stornorecht vorliegen – es muss aber nicht so sein. Es gibt Veranstalter, die Reisen in Länder und Regionen anbieten, von denen das AA dringend abrät.

Entspannte Ferien klingen anders

Nach den Verhaftungen mehrerer Deutscher und den neuen Reisehinweisen des Auswärtigen Amtes klingt die Türkei für viele nicht mehr nach einem Land, in dem man gerne seine Ferien verbringen möchte. Der Tourismus ist bereits stark zurückgegangen, Reiseveranstalter hoffen auf das Last-Minute-Geschäft. Und mancher Urlauber dürfte sich fragen: Soll ich dieses Jahr eine Reise in die Türkei buchen oder nicht?

Was spricht gegen Türkei-Urlaub?

"Als Urlauber würde ich mich in so einer Umgebung nicht wohlfühlen", meint Prof. Marie-Luise Raters, Dozentin für Ethik an der Universität Potsdam. Außerdem habe man eine moralische und persönliche Verantwortung, sagt Raters: "Genauso wie man wissen sollte, wie das eigene T-Shirt produziert wurde, sollte man sich auch Gedanken machen, wen man mit seinem Urlaub finanziell unterstützt."

Boykott würde die ganze Bevölkerung bestrafen

"Die Türken leiden ja nicht alle unter dem Wegfall des Tourismus. Es gibt auch Türken, die unter der Regierung Erdogan leiden", erklärt Prof. Raters. Und nicht alle Türken arbeiten im Tourismus. Diese würde man nicht bestrafen, sondern mit einem Boykott politisch sogar unterstützen.

Auch der Tourismusexperte und ehemalige TUI-Vorstand Karl Born aus Hannover spricht sich für einen Boykott aus – allerdings nicht aus moralischen Gründen. Für ihn steht die Sicherheit im Vordergrund.

Auch das Auswärtige Amt warnt seit langem: Personen, gegen die türkische Behörden zum Beispiel wegen des Verdachts auf Verbindungen zur sogenannten Gülen-Bewegung vorgehen, könne die Ausreise untersagt werden. Das gelte auch für Menschen, die nicht die türkische Staatsbürgerschaft besitzen.

Vereinzelt wird die Einreise verweigert

Seit Anfang Februar 2017 wurde in einzelnen Fällen deutschen Staatsangehörigen an den beiden Istanbuler Flughäfen die Einreise in die Türkei ohne Angabe genauer Gründe verweigert. Die betroffenen Personen mussten nach einer Wartezeit in Gewahrsam von mehreren Stunden ihre Rückreise nach Deutschland antreten. Deutsche mit türkischen Wurzeln, die sich auf Facebook oder Twitter kritisch über Erdogan geäußert haben, sollten besonders vorsichtig sein.

Der Tourismusforscher Prof. Torsten Kirstges von der Jade-Hochschule in Wilhelmshaven betont zwar, dass es weltweit auch weitere Länder gibt, in denen das politische System durchaus fragwürdig sei – und die man deshalb streng genommen auch nicht mehr bereisen dürfte. "Allerdings ist die Türkei ständig in den Schlagzeilen und präsent", sagt er.

Und es kommt noch etwas hinzu: Durch Erdogans Wettern gegen Angela Merkel, die Deutschen oder auch den in der Türkei inhaftierten "Welt"-Journalisten Deniz Yücel gebe es eine deutsche Betroffenheit. "Wenn die Chinesen die ganze Zeit gegen uns wettern würden, würde da wahrscheinlich auch keiner mehr hinwollen."

Was spricht für einen Türkei-Urlaub?

Zwei gewichtige Argumente führt die deutsche Reiseindustrie ins Feld, wenn es um Gründe für einen Türkei-Urlaub im Sommer geht: Zum einen ist das der gute Preis, zum anderen die große Gastfreundschaft.

Viel Qualität für wenig Geld

"Die Qualität der türkischen Hotels ist extrem hoch und das bei wirklich guten Preisen", sagt TUI-Produktchef Stefan Baumert. Er spricht vom besten Preis-Leistungsverhältnis im Mittelmeerraum. Der Spezialist Öger Tours rechnet vor: Urlaub in einem sehr guten Hotel in der Türkei sei im Durchschnitt um bis zu 40 Prozent günstiger als ein vergleichbarer Urlaub im westlichen Mittelmeerraum.

Der Preis ist vor allem für Familien mit knappem Budget ein wichtiges Argument. Viele Hotels bieten All-inclusive-Angebote. Wer im Urlaub den Euro zweimal umdrehen muss, hat so die Kosten im Griff. Und die touristische Infrastruktur in der Türkei ist gut.

Roter Teppich für Urlauber

Und dann ist da die viel beschworene Gastfreundlichkeit der Türken, die so gar nicht zu Erdogans scharfer Rhetorik gegen Europa passt. "Die türkischen Hoteliers rollen Urlaubern den roten Teppich aus", wirbt Tui-Mann Baumert. "Die türkische Gastfreundschaft führt bei unseren Kunden zu Top-Werten bei der Gästezufriedenheit."

Wer einmal in der Türkei Urlaub gemacht hat, kommt oft gerne wieder. "Unsere Gäste kehren sehr zufrieden aus ihrem Türkei-Urlaub zurück", sagt Öger-Tours-Sprecherin Katrin Rüter. Insbesondere deutsche Urlauber seien bei den Hoteliers sehr beliebt.

Dialog statt Vorurteile

Vor einem Urlaub kann man sich fragen, ob man ein autokratisches System unterstützen möchte. Jedoch sollte man die Türken nicht kollektiv bestrafen, lautet ein weiteres Argument. Nur weil Erdogan Deutsche pauschal als Faschisten bezeichnet hat, sollten Deutsche nicht den gleichen Fehler machen, und pauschal alles Türkische verurteilen.

"Ein Boykott eines Landes schadet meist nicht der Regierung, sondern vor allem den Menschen, die ihren Lebensunterhalt aus dem Tourismus beziehen", sagt der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig. Reisen ermögliche Begegnungen und den Dialog zwischen Menschen und helfe, Vorurteile abzubauen.

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Sicherheitslage: Ein Anschlag kann überall passieren

Und das Thema Sicherheit? Prof. Kirstges weist darauf hin, dass das Risiko eines Terroranschlags in der Türkei nicht unbedingt höher sein dürfte als in vielen anderen Ländern. "Opfer eines Anschlags kann man auch im hohen Norden Europas werden."

Mehrheit der Deutschen will nicht mehr in die Türkei

Offenbar ziehen Urlauber auch Konsequenzen aus dem Verfassungsreferendum: Die große Mehrheit der Deutschen hadert nach dem Referendum in der Türkei mit dem Land als Urlaubsziel: Wie eine veröffentlichte Emnid-Umfrage für das Magazin "Focus" ergab, sagten 82 Prozent der Befragten, dass sie künftig nicht mehr in die Türkei reisen wollen. Für 16 Prozent bleibt das Land hingegen ein Urlaubsziel.

Die Umfrage ergab auch Unterschiede zwischen Frauen und Männern: Während 87 Prozent der weiblichen Befragten Reisen in die Türkei derzeit ablehnen, sagten das 77 Prozent der Männer von sich. Das Institut Emnid befragte 1004 Bundesbürger.

Eine persönliche Entscheidung

Auf der einen Seite steht ein vielen Urlaubern unberechenbarer Präsident Erdogan, der Stimmung gegen Deutschland schürt und Gegner verfolgt. Auf der anderen Seite stehen Top-Hotels zu niedrigen Preisen und die große Gastfreundschaft der Menschen. Am Ende muss jeder Urlauber selbst entscheiden, ob ein Urlaub in der Türkei 2017 in Frage kommt oder nicht. Die aktuellen Reisehinweise des Auswärtigen Amtes könnten die Entscheidung erleichtern.

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