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Chlorhuhn: Brauchen wir das Chlorhuhn auf deutschen Tellern?


Keimfrei durch Chlorbad
Brauchen wir in Deutschland das Chlorhuhn?

Nina von der Bey

01.07.2014Lesedauer: 3 Min.
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Chlorhühnchen: Das mit Chlor desinfizierte Geflügel gibt es bislang in den USA, nicht aber in Europa.Vergrößern des Bildes
Chlorhühnchen: Das mit Chlor desinfizierte Geflügel gibt es bislang in den USA, nicht aber in Europa. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)

Wie ein Gespenst geistert das "Chlorhuhn" momentan durch die Medienlandschaft und deutsche Köpfe. In den USA ist die Behandlung roher Hähnchen mit Chlor Standard. Keime sollen so abgetötet werden. Durch das geplante Freihandelsabkommen TTIP könnte das gechlorte Geflügel auch auf unseren Tellern landen. Experten stehen dem skeptisch gegenüber.

In den USA wird Geflügel in der Regel nach dem Schlachten mit chlorhaltigen Chemikalien eingesprüht oder in Kühlbäder mit solchen getaucht. Das soll das für Campylobacter und Salmonellen anfällige Fleisch desinfizieren und Krankheitserreger fern halten. Wer dabei an das chlorhaltige Wasser im Schwimmbad denkt, liegt nicht ganz richtig: Die Desinfektionskur für Hähnchen enthält eine deutlich niedrigere Chlorkonzentration. Im Anschluss wird das Fleisch gewaschen, so dass der Verbraucher möglichst wenig von der Chemikalie mit seiner Nahrung aufnimmt. Ob aber überhaupt Chlor an seinem Hühnerfleisch haftet, erfährt der Konsument in den USA nicht. Für chlorbehandeltes Geflügelfleisch gibt es dort keine Kennzeichnungspflicht.

Trotz Chlor viele Salmonellen-Fälle in den USA

Ob das Chlorbad wirklich die Keime vom Menschen fernhält ist allerdings fraglich. Salmonellen verursachten in den USA laut US-Behörde für Krankheitskontrolle und Prävention jedes Jahr rund 1,2 Millionen Krankenfälle, wovon 450 tödlich enden, wie die Stiftung Warentest berichtet. Auf Geflügel seien demnach in den Staaten mehr Todesfälle zurückzuführen als auf jedes andere Lebensmittel. Es zeigte sich auch, dass sich die Zahl der Keimbelastung dort seit den 90er Jahren kaum verändert hat. 2013 fanden US-Tester in rund 11 Prozent der getesteten rohen Hähnchenbrüste Salmonellen. Campylobacter wiesen sie sogar in 43 Prozent nach. Multiresistente Keime belasteten rund die Hälfte der Proben, so die Stiftung Warentest weiter. Zu einem großen Erfolg scheint die Chlor-Desinfektion also nicht zu führen.

Experte: Das Problem liegt an anderer Stelle

In der EU gibt es seit 1997 ein Einfuhrverbot für mit Chlor behandeltes Hähnchenfleisch aus den USA. In der europäischen Staatengemeinschaft darf das Fleisch nach dem Schlachten nur mit Wasser gewaschen werden. Doch auch unser Geflügel hat ein Keimproblem. Im Jahr 2012 wurden über 20.000 Salmonellen-Infektionen gemeldet, heißt es im Epidemiologischen Bulletin des Robert Koch-Instituts.

Deutsche Experten sehen jedoch in der Chlorbehandlung nicht die Lösung des Keimproblems: "Meiner Meinung nach ist die Desinfektion von Geflügel nicht die Lösung bei der Prävention von Salmonellen und Campylobakterinfektionen", sagt Dr. Ernst Tabori, ärztlicher Direktor des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH) gegenüber t-online.de. Die Ursachen der Keimbelastung sieht er an anderer Stelle: "Das grundlegende Problem liegt zum einen in der Massentierhaltung. Hat zum Beispiel nur ein Tier von vielen Tausenden im Stall eine Salmonelleninfektion, so haben sich bald sehr viele andere auch infiziert. Dazu kommen noch die Verarbeitung im Schlachthof und die vielen Kontaminationsmöglichkeiten des Fleisches auf dem Weg zum Verbraucher." Auch Prof. Dr. Uwe Rösler vom Institut für Tier- und Umwelthygiene an der Freien Universität Berlin äußerte gegenüber test.de die Ansicht: "Eine Desinfektion mit Chlorverbindungen ist nur dann ein probates Mittel, wenn sämtliche andere Möglichkeiten zur Desinfektionsverhütung - etwa in der Mast - ausgeschöpft sind."

Schutz vor Keimen im Haushalt besonders wichtig

Eine besonders große Infektionsquelle sei zudem die Verarbeitung des Fleisches zu Hause: "Die Infektion entsteht beim Menschen in der Regel nicht etwa durch die direkte Berührung mit dem Fleisch, sondern durch das Verschleppen der Keime über Geschirr und andere Küchenwerkzeuge", so Tabori. Zudem kann allein die Behandlung von Geflügel das Risiko einer Infektion mit Keimen nur etwas reduzieren. Denn auch anderes Fleisch wie zum Beispiel rohe Mettwurst oder Speisen mit rohem Ei können Salmonellen übertragen. "Werden (auch nur geringe Mengen) der Bakterien in andere Nahrungsmittel verschleppt, so können sie sich gut vermehren, beispielsweise in Mayonnaise oder im Kartoffelsalat. Die Infektion findet beim nachlässigen Umgang mit Lebensmitteln, fehlender oder unzureichender Reinigung der Küchenwerkzeuge und insbesondere mangelhaft ausgeprägter Händehygiene in der Küche auch beim Chlorhühnchen einen Weg zur Ansteckung", erklärt der Experte.

Chlorhuhn schadet dem Menschen nicht

Schädlich aber ist mit Chlor behandeltes Fleisch allerdings nicht. So kam die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit schon 2005 in einem Gutachten zu dem Ergebnis, dass die vier Chemikalien Chlordioxid, angesäuertes Natriumchlorit, Trinatriumphosphat und Peroxysäuren keinen Grund zu Sicherheitsbedenken geben. Auch Tabori ist der Meinung: "Ein Risiko ist - wenn überhaupt vorhanden - als vernachlässigbar gering zu betrachten. Die Diskussion darum lenkt nur vom eigentlichen Problem ab. Meiner Meinung nach sind im Schutz vor Infektionen die gebührende Reinigung der Küchenwerkzeuge und des Geschirrs, die umsichtige Sorgfalt beim Umgang mit dem Lebensmitteln sowie das Händewaschen die wichtigsten Maßnahmen", so der Hygiene-Spezialist.

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