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Russland meldet Einnahme Bachmuts – Kämpfe gehen wohl weiter


Umkämpfte Stadt in der Ostukraine
Experten: Einnahme Bachmuts nur symbolischer Erfolg

Von dpa, t-online, cck

Aktualisiert am 21.05.2023Lesedauer: 4 Min.
Wagner-Chef Prigoschin vermeldete via Videobotschaft die Einnahme von Bachmut, Putin gratulierte. (Quelle: Glomex)
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Die Schlacht um Bachmut gilt als längste des Krieges in der Ukraine. Nun behauptet die russische Seite, die Stadt erobert zu haben. Doch Beobachter sehen mehrere Nachteile für die russische Seite.

Russland kontrolliert nach eigenen Angaben nun vollständig die ostukrainische Stadt Bachmut. Die Privatarmee Wagner habe die Stadt mithilfe der Artillerie- und Luftunterstützung der russischen Streitkräfte komplett erobert, teilte das Verteidigungsministerium in Moskau in der Nacht mit. Beobachter teilen indes mit, dass die ukrainische Armee weiter Stellung nahe Bachmut halte und die Kämpfe andauern dürften.

Zuvor hatte bereits der Chef der Wagner-Söldner, Jewgeni Prigoschin, in Uniform und mit der russischen Flagge in der Hand die Einnahme der seit Monaten äußerst hart umkämpften und inzwischen fast völlig zerstörten Stadt erklärt. Er kündigte zugleich an, dass er seine Söldner am 25. Mai abziehen wolle.

Seine Ansprache nahm er in einem Video auf:

"Artillerie kann immer noch russische Truppen beschießen"

Doch die angebliche Einnahme dürfte weniger vorteilhaft für die russische Seite sein, als sie es derzeit darstellt. Wie die US-Denkfabrik Insitute for the Study of War (ISW) mitteilte, haben die ukrainischen Truppen weiterhin Stellungen nahe Bachmut, von denen sie die russischen Streitkräfte angreifen kann. Und: "Die ukrainische Artillerie kann immer noch russische Truppen in und um Bachmut beschießen."

Es handle sich allenfalls um einen symbolischen Erfolg Prigoschins, wenn die Einnahme denn stimme, heißt es in dem täglichen Briefing zum Krieg in der Ukraine. "Die von Prigoschin behauptete Einnahme der verbleibenden Blöcke in Bachmut ist strategisch unbedeutend, da sie es den erschöpften Wagner- oder konventionellen russischen Streitkräften nicht ermöglichen wird, ein sinnvolles Sprungbrett für weitere Offensivoperationen zu schaffen."

Die ukrainischen Truppen setzen die nördlichen und südlichen Flanken der Stadt unter Druck. Das werde jedes weitere Vordringen Russlands erschweren, teilt das ISW mit. Auch der angekündigte Rückzug von Prigoschin deute darauf hin, dass zumindest die Wagner-Söldner nicht beabsichtigen, weiter nach Westen vorzudringen.

Weitere Nachteile auf russischer Seite

Und das ISW sieht weitere Nachteile für die russische Seite. Zum einen dürfte Wagner kaum ein kontrollierter Abzug innerhalb von fünf Tagen gelingen. Es sei unwahrscheinlich, dass in dieser kurzen Zeit genug Verteidigung aufgebaut werden könne, um Gegenangriffe zu verhindern. Zudem sei die Kommunikation zwischen Wagner und den konventionellen Streitkräften schlecht – ein weiteres Hindernis für einen gelungenen Abzug.

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Zudem geht das ISW davon aus, dass Russland weiterhin zusätzliche Kräfte nach Bachmut bringen muss, um die Stellung dort zu verstärken. Das britische Verteidigungsministerium hatte am Samstag mitgeteilt, dass Russland bereits mehrere Bataillone nach Bachmut geschickt hat. Dabei habe Russland derzeit nur wenige, nicht gebundene Truppen. Das deute darauf hin, dass Russland noch immer viel Kraft und Ressourcen für Bachmut verwende – die an anderer Stelle fehlen dürften.

Selenskyj: "Eine Tragödie"

Verwirrung gab es indes um eine Aussage des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyjs. Während des G7-Gipfels in Japan fragte ihn ein Reporter, ob die Ukraine noch die Stadt kontrolliere und schob nach, dass Russland meldet, die Stadt eingenommen zu haben. Selenskyj antwortete: "Ich denke nicht."

Er sagte weiter dazu: "Aber Sie müssen verstehen, dass es dort nichts mehr gibt. Sie haben alles zerstört." Es gebe dort keine Gebäude mehr, "nur Boden und eine Menge toter Russen". Medien und Beobachter verstanden die Aussage als ein Eingeständnis, die Ukraine habe die Kontrolle über Bachmut verloren. Sein Sprecher Sergii Nykyforov teilte daraufhin mit, Selenskyjs Antwort bezog sich auf den nachgeschobenen Satz des Reporters.

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Putin spricht Glückwünsche aus

Der Sprecher der ukrainischen Armeegruppe Ost, Serhij Tscherewatyj, hatte zuvor im Radio noch dementiert, dass Bachmut erobert sei. Vielmehr seien Prigoschins Truppen am Ende und wollten aufgeben: Sie müssten befürchten, eingekesselt zu werden von den ukrainischen Verteidigern, sagte Tscherewatyj.

Kremlchef Wladimir Putin sprach den Wagner-Truppen und der russischen Armee Glückwünsche aus. Die russischen Streitkräfte hätten Wagner den nötigen Schutz an den Flanken garantiert, sagte Putin nach Angaben seines Pressedienstes. "Alle herausragenden Kämpfer werden mit staatlichen Auszeichnungen geehrt."

Prigoschin dankt Putin: "große Ehre"

Prigoschin kritisierte hingegen einmal mehr die russische Militärführung: "Wir haben nicht nur mit den Streitkräften der Ukraine gekämpft, sondern auch mit der russischen Bürokratie, die uns Knüppel zwischen die Beine geworfen hat", sagte er in einem Video. Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow hätten den "Krieg zu ihrem persönlichen Vergnügen" gemacht. Ihre Launen und die Militärbürokratie hätten dazu geführt, "dass fünfmal so viele Soldaten gestorben sind wie hätten sterben müssen".

Bei Präsident Putin bedankte er sich hingegen dafür, dass dieser den Wagner-Kämpfern Gelegenheit gegeben habe, für Russland zu kämpfen. Das sei eine "große Ehre" gewesen, betonte Prigoschin, der als enger Vertrauter Putins gilt. Die Wagner-Truppe habe der "zerzausten russischen Armee geholfen, wieder zu sich zu finden". Er wolle Bachmut nun den regulären Truppen überlassen.

Nach Darstellung Prigoschins kämpften die Wagner-Truppen seit dem 8. Oktober um die Kontrolle über Bachmut – nun stehe eine Erholungsphase an. Seine Männer seien aber bereit, weiter für Russland zu kämpfen.

Bachmut liegt größtenteils in Trümmern

Die Schlacht um Bachmut gilt als längste und verlustreichste des russischen Angriffskriegs, der vor 15 Monaten mit dem Einmarsch ins Nachbarland begann. Damals hatte die Stadt noch 70.000 Einwohner, inzwischen liegt sie weitgehend in Trümmern. Die Ukraine gab Bachmut trotzdem nicht verloren, um einen Durchbruch der russischen Truppen weiter ins Landesinnere zu verhindern. Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte befohlen, die symbolträchtige Stadt nicht aufzugeben.

Bachmut ist der Hauptteil der nach der russischen Eroberung von Sjewjerodonezk und Lyssytschansk etablierten Verteidigungslinie zwischen den Städten Siwersk und Bachmut im Donezker Gebiet.

Verwendete Quellen
  • understandingwar.org: Russian Offensive Campaign Assessment, May 20, 2023
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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