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Interview zum "Paradise Papers"-Skandal: "Wir stehen erst am Anfang"


Interview zum "Paradise Papers"-Skandal
"Der Staat bescheißt sich selbst"

t-online, Stefan Rook

Aktualisiert am 06.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Selbst der Flughafenbetreiber wird in den "Paradise Papers" genannt.Vergrößern des BildesSelbst der Flughafenbetreiber wird in den "Paradise Papers" genannt. (Quelle: Arne Dedert/dpa-bilder)
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Die "Paradise Papers" zeigen, wie internationale Konzerne, Reiche und Superreiche jedes Schlupfloch nutzen, um mit gerade noch legalen Tricks Steuern zu sparen. Im Interview mit t-online.de erklärt Enthüllungsjournalist Frederik Obermaier, wie auch deutsche Staatsunternehmen Steuerschlupflöcher nutzen. Und deutet weitere Enthüllungen an.

Ein Interview von Stefan Rook.

Herr Obermaier, Sie haben für die „Paradise Papers“ fast 13,4 Millionen Dateien ausgewertet. Was macht diese Dokumente so brisant?

Frederik Obermaier: Die „Paradise Papers“ zeigen, wie die Reichen und Superreichen ihr Geld in Steueroasen verstecken. Sie zeigen aber auch, wie große multinationale Konzerne wie Nike oder Apple versuchen, jedes noch so kleine Steuerschlupfloch zu nutzen. Sie zeigen ebenfalls, wie Staaten weltweit dadurch jedes Jahr hunderte Millionen von Dollar oder Euro entgehen. Das ist Geld, das die Staaten ansonsten für Krankenhäuser, für Schulen, für Kindergärten aufwenden könnten.

Wie kam es zu der Recherche?

Ausgangspunkt waren Dokumente, die meinem Kollegen Bastian Obermayer und mir zugespielt worden sind. Das sind Dokumente von zwei Offshore-Dienstleistern – also Firmen, die sich darauf spezialisiert haben, Briefkasten-Firmen oder so genannte Trusts aufzusetzen und zu verwalten. Zusätzlich waren es Informationen aus den Firmenregistern von 19 Steueroasen weltweit, die uns einen einzigartigen Einblick in das Geschäft in Steueroasen gegeben haben. Man muss sich klar machen, dass in vielen Steueroasen Firmenregister nicht oder nur zu einem geringen Teil öffentlich sind und die Informationen dort nur sehr rudimentär sind. Das heißt, man kann über die offiziellen Datenbanken nicht einmal herausfinden, wem eine Firma gehört. Das haben uns diese Daten ermöglicht.

Wie lange hat die Recherche gedauert?

Mehr als ein Jahr lang hat unser Team bei der "Süddeutschen Zeitung" an dem Projekt „Paradise Papers“ gearbeitet.

Was können Sie zu den Informanten sagen?

Die Daten wurden der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt. Aus Gründen des Quellenschutzes machen wir aber keine Angaben über Herkunft, Zeitpunkt und Abläufe.

Wie haben Sie die Dokumente auf ihre Echtheit überprüft?

Wir haben die Dokumente zum einen mit Daten verglichen, die wir schon hatten – aus früheren Leaks oder die uns anderweitig zugespielt wurden. Wir haben sie mit öffentlichen Datenbanken verglichen, mit Firmenregistern und Gerichtsdokumenten. Am Ende dieser Recherche stand natürlich auch der so genannte Vorhalt. Das heißt, wir haben die Personen und Firmen angeschrieben, mit unserer Recherche konfrontiert und um Stellungnahme gebeten. Es hat niemand ernsthaft die Echtheit dieser Dokumente in Frage gestellt. Eine große Hilfe war für uns, dass neben unseren eigenen Recherchen und Cross-Checks auch andere Medien den gleichen Prozess durchgeführt haben. Wir haben mit fast 100 Medien weltweit zusammengearbeitet. Niemand hat Hinweise darauf gefunden, dass wir in irgendeiner Art und Weise an der Echtheit der Dokumente zweifeln müssten.

Sie schreiben, dass viele der von ihnen aufgedeckten Transaktionen und Geschäfte nicht wirklich illegal sind. Was erhoffen Sie sich von der Publikation der „Paradise Papers“?

Wir Journalisten haben nicht nur die Verantwortung, auf mutmaßlich illegale Geschäfte hinzuweisen, sondern auch auf illegitime Geschäfte. Das Problem bei Geschäften in Steueroasen ist, dass viele gerade noch legal sind. Es gibt ein riesiges Heer an Anwälten und Beratern, die sich nur darauf spezialisiert haben, Schlupflöcher in bestehenden Gesetzen zu finden. Das ist ein Katz-und-Maus-Spiel: Sobald ein Schlupfloch geschlossen wurde, zum Beispiel durch ein neues Gesetz, hat die andere Seite schon wieder das nächste gefunden. Medien haben die Aufgabe, auf diese Schlupflöcher und die damit verbundenen Missstände hinzuweisen und damit die Öffentlichkeit zu informieren und ihr auch die Möglichkeit zu geben, auf Politiker einzuwirken, damit diese Schlupflöcher geschlossen werden.

Was sind die wichtigsten Erkenntnisse der „Paradise Papers“ – vor allem in Hinblick auf Deutschland?

In Bezug auf Deutschland ist es so, dass wir hunderte deutsche Personen und Firmen in den Daten gefunden haben. Darunter auch Staatsunternehmen. Zum Beispiel Fraport, ein Unternehmen, das in großen Teilen der öffentlichen Hand gehört. Da muss man sich die Frage stellen: Schickt es sich für ein Staatsunternehmen, Steuerschlupflöcher zu nutzen? Zugespitzt formuliert, bescheißt sich der Staat da selbst.

Glauben Sie, dass die „Paradise Papers“ etwas verändern können?

Ich glaube, dass Projekte oder Leaks wie die „Panama Papers“ oder die „Paradise Papers“ dazu führen, dass bei den Nutzern die Angst wächst. Heutzutage gibt es so viele Leaks in der Finanzwelt und speziell in Steueroasen, dass sich niemand, der dort Geschäfte macht, sicher sein kann, dass er beim nächsten Leak nicht der Nächste ist, der öffentlich gemacht wird. Während wir jetzt reden, könnte schon irgendwo wieder ein Whistleblower einen USB-Stick einstecken und Gigabyte oder Terabyte an verräterischen Daten herunterladen, um sie Behörden oder Journalisten zur Verfügung zu stellen.

Was sollten staatliche Strafverfolgungsbehörden jetzt tun?

So merkwürdig es sich anhört: Lesen wäre ein Anfang. In unseren Berichten finden sich viele Ansatzpunkte für Ermittlungen. Die Frage ist, ob der Wille da ist. Und bei den Fahndern, bei denen der Wille da ist: Haben sie die Kapazitäten, dass sie diese wichtige Arbeit auch erledigen können?

Werden sie mit Strafverfolgungsbehörden kooperieren?

Die Süddeutsche Zeitung wird die Originaldokumente und -daten nicht der Allgemeinheit und auch nicht den Strafverfolgungsbehörden zur Verfügung stellen. Allein schon aus Gründen des Quellenschutzes wäre dies nicht möglich. Wir sind nicht der verlängerte Arm der Staatsanwaltschaft oder der Steuerfahndung, eine Zusammenarbeit würde gegen journalistische Prinzipien verstoßen. Dem Staat stehen ausreichend Mittel zur Verfügung, den hier aufgedeckten Missständen nachzugehen.

Kommt da noch mehr?

Was wir bis jetzt veröffentlicht haben, ist nur der Anfang. Wir sind am Beginn einer Serie von Veröffentlichungen. Ich möchte jetzt noch nicht ins Detail gehen, aber es wird noch Einiges kommen. Wir planen eine Berichterstattung, die nicht nach einem Tag oder zwei Tagen endet, sondern länger dauern wird. Genug Stoff gibt es jedenfalls.

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