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Menschenrechte: Chinas dunkle Seite verdüstert sich weiter


"Tiefpunkt noch nicht erreicht"
Chinas dunkle Seite verdüstert sich weiter

ap, Christopher Bodeen

19.11.2017Lesedauer: 4 Min.
Insassen und ein Aufseher in einem Gefängnis in Hongkong.Vergrößern des BildesInsassen und ein Aufseher in einem Gefängnis in Hongkong. (Quelle: EPA/JEROME FAVRE/dpa-bilder)
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Wirtschaftlich, militärisch und auch politisch ist China längst eine Supermacht. Die Unterdrückung Oppositioneller wird dabei schnell vergessen. Dabei ist die Menschenrechtslage so prekär wie lange nicht mehr.

Nach fünf Jahren im Gefängnis und drei weiteren unter Hausarrest hielt Gao Zhisheng es nicht mehr aus. Mit der Hilfe von Freunden und einem Fahrer entkam der chinesische Menschenrechtsanwalt am 13. August seinen Bewachern und fand im Haus eines Fremden Zuflucht.

Die Teigtaschen mit Schweinefleisch, die dieser für ihn zubereitete, waren Gaos erste richtige Mahlzeit seit Jahren. Doch seine Freiheit währte nur kurz. Nach weniger als drei Wochen nahm die Polizei ihn in der Stadt Jiexiu in der Provinz Shanxi wieder fest. Gaos Verbleib seitdem ist nicht bekannt, wie sein Fluchthelfer Li Fawang sagt.

Sein Schicksal illustriert die Unterdrückung, der Menschenrechtler nach Angaben von Aktivisten unter Präsident Xi Jinping immer stärker ausgesetzt sind. Xi ist seit dem Parteitag der Kommunisten im Oktober der mächtigste chinesische Staatschef seit einer Generation.

"Die Aussichten sind düster"

Angesichts des anhaltenden Wirtschaftsbooms und des wachsenden weltweiten Einflusses Chinas ist der Präsident nach Einschätzung von Analysten überzeugter denn je, dass das Land ein streng autoritäres Ein-Parteien-System braucht. Zugleich zwingt eine zunehmende Entfremdung junger Chinesen von der Politik die Partei dazu, sich wieder verstärkt in das Alltagsleben der Bürger einzubringen.

"Die Aussichten für die Menschenrechte sind düster, und wir sehen keinen Hinweis auf Besserung", sagt Maya Wang, eine in Hongkong ansässige Forscherin der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Sie beschreibt die derzeitige Repression als schlimmste seit der Niederschlagung der Demokratiebewegung auf dem Pekinger Platz des Himmlischen Friedens 1989. Aber: "Wir haben das Gefühl, dass wir den Tiefpunkt noch nicht erreicht haben."

Kein Wort der Kritik von Trump

Wang und andere Aktivisten verweisen auf eine wachsende Zahl von heimlichen Inhaftierungen und Prozessen hinter verschlossenen Türen. Immer häufiger ignorierten die chinesischen Behörden außerdem gesundheitliche Probleme von politischen Gefangenen, die oft in Isolationshaft oder zusammen mit Schwerverbrechern untergebracht seien. Von den USA unter Präsident Donald Trump kommt wenig Unterstützung.

Indem er bei seinem Besuch in Peking in der vergangenen Woche das Thema Menschenrechte nicht angesprochen habe, habe Trump "der chinesischen Regierung Legitimität verliehen, während sie einer der größten Verletzter der Menschenrechte ist", sagt Wang.

Die Regierung in Peking weist den Vorwurf der Menschenrechtsverletzungen zurück und beteuert, das Land rechtsstaatlich zu führen. Ein Multiparteiensystem und den westlichen Begriff universaler Rechte lehnt sie aber als Bedrohung für die chinesische Gesellschaft und deren wirtschaftliche Errungenschaften ab.

Folter, Erniedrigung, Schikanen

Seit dem Parteitag habe sich die Situation weiter verschlimmert, beklagt der in Thailand ansässige chinesische Aktivist Wu Yuhua, der auch als Ai Wu bekannt ist. "Politische Häftlinge leiden unter Folter, Erniedrigung, Schikanen und Diskriminierung", sagt Wu. "Ich bin sehr pessimistisch, was die Aussichten für die Menschenrechte in China angeht."

Für viele Bürgerrechtler war der Krebstod des inhaftierten Friedensnobelpreisträgers Liu Xiaobo im Juli ein Tiefpunkt. Trotz seiner elfjährigen Haftstrafe wegen "Untergrabung der Staatsgewalt" war der Schriftsteller und Systemkritiker in seinem Glauben an ein demokratisches China ein Symbol des Mutes und der Beharrlichkeit geblieben.

Auch der Umgang mit weniger prominenten Aktivisten zeugt von der Entschlossenheit der KP, mit Härte gegen Kritiker vorzugehen. Der Autor und Menschenrechtler Yang Tongyan starb Anfang November im Alter von 56 Jahren. Er war im August kurz vor Verbüßung seiner vollständigen zwölfjährigen Haftstrafe wegen Staatsgefährdung aus gesundheitlichen Gründen entlassen worden. Er hatte bereits zuvor zehn Jahre im Gefängnis gesessen, weil er die Gewalt von 1989 kritisiert hatte.

Xi will die Gesellschaft kontrollieren

Selbst vor den Familien der Aktivisten machen die Vergeltungsmaßnahmen nicht halt. Der jugendliche Sohn des Pekinger Anwalts Wang Yu darf das Land nicht verlassen und kann damit nicht wie geplant in Australien studieren, wie sein Vater sagt. Wang war in einer landesweiten Razzia gegen Anwälte und andere Aktivisten am 9. Juli 2015 festgenommen worden. Er wurde später freigelassen, aber unter strenge Überwachung in der Inneren Mongolei gestellt. Erst kürzlich durfte er nach Peking zurückkehren.

Auch um das Wohl von Gao sorgen sich nun viele. Der 53-Jährige war international bekannt geworden durch die Verteidigung von Mitgliedern der verbotenen Falun-Gong-Bewegung und durch seinen Einsatz für die Landrechte von Bauern. Nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis, wo er nach eigenen Angaben gefoltert wurde, konnte der einst lebhafte Anwalt kaum noch gehen oder sprechen. Er hatte seine Zähne verloren und war auf Flüssignahrung angewiesen.

Während seines Hausarrests wurde er rund um die Uhr von Dutzenden Polizisten überwacht. "Es tat mir so leid, dass ich ihn nicht beschützen konnte", sagt Gaos Fluchthelfer Li. Er war nach Gaos erneuter Festnahme mehr als einen Monat lang inhaftiert. Ein zweiter Freund, der bei der Flucht half, sitzt noch immer im Gefängnis.

Nach Ansicht von Aktivisten dürfte sich die Lage weiter verschlechtern. "Xi ist entschlossen, die Gesellschaft um jeden Preis zu kontrollieren, und es ist ihm egal, was andere dazu sagen", erklärt der langjährige Menschenrechtlicher Hu Jia, der unter strenger Überwachung in Peking lebt. "Sein ultimatives Ziel ist es, die Herrschaft der Kommunistischen Partei zu bewahren, und jeder, der nach Freiheit strebt, wird seine Freiheit verlieren."

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