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Krieg in der Ukraine: Wladimir Putins Freunde spielen russisches Roulette


Krieg in der Ukraine
Putins Freunde spielen russisches Roulette

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 14.04.2022Lesedauer: 6 Min.
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Weltkarte zeigt: Diese Länder stehen weiter hinter Putin. (Quelle: t-online)

Der russische Präsident Wladimir Putin steht nach seinem Überfall auf die Ukraine international mit dem Rücken zur Wand. Doch es gibt einige Staaten, die Russlands Angriffskrieg unterstützen. Ein Überblick.

In Europa tobt wieder ein Krieg, Zehntausende Menschen sterben, Millionen sind auf der Flucht und ganze Städte liegen in Trümmern. Der russische Präsident Wladimir Putin hat mit seinem Überfall auf die Ukraine eine Zeitenwende eingeläutet – für die politische Ordnung unserer Welt ist dieser Angriffskrieg so einschneidend, dass Historiker in Zukunft zwischen einem "Davor" und einem "Danach" unterscheiden werden.

Vor allem Staaten mit funktionierenden demokratischen Systemen verurteilen Putins Krieg in der Ukraine. In der Vollversammlung der Vereinten Nationen findet sich eine deutliche Mehrheit gegen diesen Krieg. Doch das Bild ist trügerisch: Es sind nicht nur Schurkenstaaten, die Putin unterstützen oder zumindest versuchen, in dem Konflikt neutral zu bleiben.

Die internationale Politik bleibt von nationalen Interessen geleitet, Moral spielt eine untergeordnete Rolle. Diese Erkenntnis ist zwar nicht neu, aber die Erinnerung daran ist angesichts des blutigen Krieges in der Ukraine so bitter wie notwendig.

Wenn Machthaber wie Putin einen Angriffskrieg führen, finden sie international eigentlich immer Unterstützer. Dafür gibt es viele Gründe:

  • Zu groß sind die wirtschaftlichen und militärischen Abhängigkeiten anderer Staaten von Großmächten wie Russland.
  • Noch immer sind die Blockbildung und die Einflusssphären aus dem Kalten Krieg erkennbar.
  • Die Vorbehalte gegen westlichen Imperialismus sind in vielen Teilen der Welt groß – die Folge der Narben, die vor allem europäische Staaten durch den Kolonialismus in der Welt hinterlassen haben.
  • Andere Staaten lehnen die demokratische Grundordnung als politisches System ab und stellen sich auf die Seite Chinas und Russlands.

Die Folge ist, dass viele Länder im Umgang mit dem Ukraine-Krieg eine Art russisches Roulette spielen. Sie möchten einerseits nicht auf der falschen Seiten der Geschichte stehen und nicht das Ziel westlicher Sanktionen werden. Anderseits sind sie oft auf Importe aus Russland angewiesen oder möchten sich dem Westen politisch nicht zu sehr annähern.

Wut, Angst und Abhängigkeit

Das Potpourri an Interessen führt dazu, dass sich die internationale Gemeinschaft nicht geschlossen gegen die russische Invasion stellt. Dabei ist besonders besorgniserregend, dass nur zwei der zehn bevölkerungsreichsten Staaten der Welt den Ukraine-Krieg verurteilen und Russland dafür verantwortlich machen.

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Die Staaten, die momentan positiv oder zumindest neutral gegenüber Russland auftreten, lassen sich in vier Gruppen unterteilen:

1. Feinde der westlichen Demokratien

Vor allem China greift die aktuelle Hegemonie der USA in der Welt an. Im Ringen um eine neue Weltordnung wirbt Peking für den eigenen Mix aus Kapitalismus und Diktatur. Diese Systemrivalität überlagert in China die anfängliche Skepsis gegenüber dem russischen Angriffskrieg. Putin gilt als wichtiger Verbündeter von Xi. Keinesfalls möchte die Volksrepublik riskieren, dass es durch eine Kriegsniederlage Putins zu einem Machtwechsel in Moskau kommt.

Der Konflikt mit dem Westen hat Russland in die Arme Chinas getrieben. Russland verfügt über viele Rohstoffe und die Volksrepublik ist energiehungrig. Außerdem wird die russische Führung ihre nationalen Währungsreserven nun verstärkt in Yuan anlegen – das gibt Peking eine immer größere Hebelwirkung. Deshalb bedient China nun ein eindeutiges Narrativ: Putin verteidigt in der Ukraine Russland gegenüber einer aggressiven Expansionspolitik der Nato und der USA. Der russische Präsident wird in der Volksrepublik als Held gefeiert.

Es sind vor allem Länder, die schon international geächtet sind, die sich diesem Narrativ anschließen. Syrien, Iran oder Nordkorea befinden sich schon in Konflikten mit dem Westen. Die Länder der prorussischen Allianz in Süd- und Mittelamerika aus Kuba, Venezuela, Nicaragua und Bolivien werden von autoritären Führungen regiert, die den Einfluss der USA zurückdrängen möchten. Auch die Militärjunta in Myanmar unterstützt Putin vor allem, weil sie den Westen als Feind sieht.

Auf dem afrikanischen Kontinent verurteilen dagegen viele Länder den russischen Angriffskrieg in der Ukraine nicht. Russland hat an vielen Stellen erfolgreich Werbung für einen Kampf gegen den westlichen Imperialismus gemacht. Für Südafrika oder Mali, wo die Narben der Apartheid und des westlichen Kolonialismus noch immer spürbar sind, ist der Krieg in der Ukraine weit entfernt. Ihre prorussische Haltung dokumentiert eher ihre Ablehnung des Westens.

2. Die Abhängigen

Russland ist zwar wirtschaftlich keine Großmacht, hat aber starke wirtschaftliche Beziehungen zu vielen Ländern. In Pakistan hat der gestürzte Machthaber Imran Khan zwar vor Kurzem behauptet, dass die USA für einen Putsch in seinem Land verantwortlich seien. Die pakistanische Regierung verurteilt den russischen Angriffskrieg aber vor allem nicht, weil man wirtschaftlich und sicherheitspolitisch vom Kreml abhängig ist. Pakistan befindet sich in einer schweren Rezession, nach dem Rückzug der Nato aus Afghanistan sind Russland und China die Ordnungsmächte in der Region. Man erhofft sich billige Gasimporte aus Russland.

Ähnliches gilt für Indien, einem der größten Ölimporteure der Welt. Die indische Regierung ist gegen eine neue Blockbildung, als Demokratie steht man dem Westen zwar nahe, aber man möchte keinesfalls auf Importe von Kohle und Öl aus Russland verzichten, weil diese existenziell für die indische Wirtschaft sind. Deswegen möchte sich Indien in dem Konflikt gerne wegducken, neutral bleiben und genießt nebenbei die Aufmerksamkeit, die dem Land momentan durch die USA zuteil wird. Auch bevölkerungsreiche Länder wie Nigeria sind von russischen Rohstoffen abhängig – und verhalten sich nun neutral.

Aber die Abhängigkeiten beschränken sich nicht nur auf Rohstoffe. So reagiert Mexiko zum Beispiel zurückhaltend, weil es auf Düngemittel aus Russland angewiesen ist. Indien wiederum bezieht einen Großteil seiner Militärtechnologie von Moskau – viele Länder kaufen Waffensysteme in Russland ein, weil sie preiswerter sind.

3. Die Ängstlichen

Die größte Unterstützung und die meisten neutralen Staaten finden sich in Asien. Das hat vor allem wirtschaftliche und sicherheitspolitische Gründe. In Belarus steht Machthaber Alexander Lukaschenko quasi unter der Kontrolle Putins, russische Soldaten sind schon in seinem Land stationiert. Würde sich eine belarussische Regierung gegen Russland stellen, könnte das Land durch einen russischen Angriff seine Eigenstaatlichkeit verlieren.

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Diese Angst herrscht in vielen Ländern Asiens nicht erst seit dem Ukraine-Krieg. Der Block aus China und Russland dominiert den Kontinent. Das stellt für viele Länder eine sicherheitspolitische Bedrohung dar, besonders wenn sie nicht die USA als Schutzmacht haben – wie Südkorea, Japan oder auch Taiwan.

Deshalb bleiben Länder wie Indonesien oder die Philippinen zurückhaltend neutral. Ehemalige Sowjetrepubliken wie Usbekistan, Aserbaidschan oder Kirgisistan stellen sich dagegen hinter Putin, was an einer Mischung aus Angst, großer Abhängigkeit von Russland und großen ideologischen Gemeinsamkeiten liegt.

4. Die Pendeldiplomaten

Allerdings gibt es auch eine Reihe von Ländern, die sich vor allem aus eigenen Interessen für keine Seite entscheiden möchten. Dazu gehört zum Beispiel die Türkei, die weiterhin auf den Import von russischem Gas setzt und sich von Russland Atomkraftwerke bauen lässt. Präsident Recep Tayyip Erdoğan will Russland nicht sanktionieren, sagt aber auch öffentlich, dass es für Putin an der Zeit sei, sich "gesichtswahrend" aus der Ukraine zurückzuziehen.

Das ist eine Art von Pendeldiplomatie, die viele Regierungen im Ukraine-Krieg betreiben. Oft bieten sich diese Staats- und Regierungschefs als Vermittler in dem Konflikt an. Das trifft auf Ungarn zu, wo Victor Orbán russische Rohstoffe in Rubel bezahlen will. Aber auch auf Israel, das Putin nicht sanktionieren will, weil man auf sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit Russland in Syrien angewiesen ist. Algerien will die EU und insbesondere Italien mit Gas versorgen, aber vereinbart mit dem Kreml gemeinsame Militärmanöver, um die eigenen Grenzen zu sichern.

In die Reihe der Pendeldiplomaten, die aus der Krise vor allem eigene Vorteile ziehen möchten, zählen die Golfstaaten wie Saudi-Arabien. In der Region hat Russland einen starken Einfluss und durch die nun gestiegene Nachfrage an Öl erhoffen sich einige Länder in der Golfregion Zugeständnisse in anderen Fragen – zum Beispiel in Menschenrechtsangelegenheiten. Der Westen unterstützt die Ukraine auch, weil sie eine Demokratie ist, viele Golfstaaten aber haben an Demokratien nicht das größte Interesse.

Letztlich verurteilen viele Länder den russischen Krieg in der Ukraine nicht, aus ganz unterschiedlichen Motiven. Während eine UN-Mehrheit sich gegen Putins Barbarei stellt, wird global gesehen jedoch eine Mehrheit der Bevölkerungen von Regierungen repräsentiert, die den Krieg zumindest tolerieren, ohne die Verantwortlichen zu benennen. Das sind schlechte Vorzeichen – im Ringen um Frieden in der Ukraine und um eine freiheitlich-demokratische Ordnung.

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