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Russland und der Ukraine-Krieg: Der 9. Mai könnte ein Wendepunkt sein


Russlands Krieg und der 9. Mai
Dieser Tag könnte doch ein Wendepunkt werden


Aktualisiert am 06.05.2022Lesedauer: 4 Min.
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Panzer fahren durch Moskau: Die Übungen zur Militärparade könnten Aufschlüsse über Putins Plan geben. (Quelle: t-online)

Der Kreml lässt die russische Armee in Moskau für die große Propaganda-Parade zum "Tag des Sieges" proben. Den 9. Mai sahen viele Experten als logisches Datum für ein mögliches Kriegsende – ein Irrglaube.

Wochenlang kursierten Expertenstimmen darüber, dass Russland den Krieg in der Ukraine am 9. Mai beenden wolle – einem der wichtigsten Feiertage des Landes. Doch nach einem Kriegsende sieht es nicht aus, die Invasion verläuft längst nicht so, wie es sich Russlands Präsident Wladimir Putin vorgestellt haben dürfte.

Welche Bedeutung nimmt der Tag nun ein – und warum wollte Russland den Krieg überhaupt bis zum 9. Mai beenden? Die wichtigsten Antworten.

Warum ausgerechnet der 9. Mai?

Dieser Tag ist in Russland als Tag des "Sieges über Nazi-Deutschland" bekannt. In der Nacht vom 8. auf den 9. Mai 1945 kapitulierte die Wehrmacht in Berlin-Karlshorst, damit war das Ende des Zweiten Weltkriegs in Europa besiegelt. Unter Putin entwickelte sich das Datum erneut zu einem der wichtigsten Feiertage.

"Der 9. Mai bedeutet nicht nur für Putin sehr viel, sondern für die gesamte russische Gesellschaft", sagt Alexander Libman, Professor am Osteuropa-Institut, im Gespräch mit t-online. "Die Vorstellung vom Sieg im Krieg als einer großen Errungenschaft Russlands ist sehr tief verwurzelt."

Prof. Dr. Alexander Libman ist ein in Russland geborener Wissenschaftler des Osteuropa-Instituts. In seiner Forschung beschäftigt er sich vor allem mit politischen Zusammenhängen in Osteuropa und Russland. Außerdem ist er Dozent an der Freien Universität Berlin.

Was bedeutet der Tag für Putin?

Neben der Bedeutung für die Gesellschaft sei der kommende Montag auch ein wichtiger Tag für Putins Propaganda. Deshalb ist laut Libman davon auszugehen, dass der russische Präsident den Tag für seine Botschaften nutzt.

Video | Putins "Weltuntergangsflugzeug" über Moskau gesichtet
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Quelle: t-online

Auch Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) meint: "Es wird aus russischer Sicht jetzt darauf ankommen, die bisherigen Ergebnisse der 'Militäroperation' zu Erfolgen umzudeuten. Am Ende kommt es darauf an, wie Putin den Erfolg definiert, und propagandistisch wird er dazu sicher in der Lage sein." Der Wissenschaftler ist sicher: "Putin wird immer einen Grund finden, um zu sagen: 'Wir haben einen Erfolg.'"

Was ist am 9. Mai zu erwarten?

Dass Russland den Krieg am kommenden Montag beendet, ist ausgeschlossen. "Unser Militär wird seine Handlungen nicht künstlich an irgendeinem Datum ausrichten", sagte Russlands Außenminister Sergej Lawrow dem italienischen Fernsehsender Mediaset.

Wie jedes Jahr am 9. Mai wird es auch in der kommenden Woche eine Militärparade in Moskau geben. "Putin wird dabei eine Ansprache halten. Und es kann passieren, dass an diesem Zeitpunkt verschiedene Wenden im Krieg proklamiert werden", so Libman. Was letztendlich an dem Tag passiert, bleibe abzuwarten und sei schwer vorhersehbar.

Eine Option sei die Annexion der ostukrainischen Städte Luhansk und Donezk. Das Problem: Dafür bedarf es eines Referendums. Ob dieses so schnell organisiert werden kann, darf bezweifelt werden.

Eine andere Option ist die offizielle Kriegserklärung Russlands. Zwar hält Libman dieses Szenario für unwahrscheinlich, sagt aber: "Das Wort Krieg impliziert rechtliche Veränderungen. Das würde es Russland beispielsweise erlauben, eine Massenmobilisierung durchzuführen", sagt er. Der britische Verteidigungsminister Ben Wallace erwartete zuletzt sogar, dass Putin den Feldzug in der Ukraine als weltweiten Krieg gegen "Nazis" deklarieren wolle. Das Wort Krieg ist, aus Angst vor kritischen Berichten und Widerstand im Inland, in Russland bisher verboten.

Auch Experten vom britischen Royal United Services Institut (RUSI) rechnen damit, dass Putin an dem traditionsreichen Tag die nächste Stufe der Eskalation einleitet. Demnach werde der russische Präsident in der nächsten Woche eine neue Großoffensive ankündigen. Russland habe erkannt, dass es Zeit brauche, die militärischen Ziele im Nachbarland zu erreichen.

Die Erklärung einer weiteren Eskalation hält auch der Historiker Kamil Galeev nicht für ausgeschlossen. Er sehe aber noch eine zweite Option, schrieb er bei Twitter: die Verkündung eines taktischen Siegs, um dem Vorwurf entgegenzuwirken, dass Putin mit der Invasion bisher völlig gescheitert sei. Beispielsweise könnte der russische Präsident die Eroberung von Mariupol als Sieg anpreisen.

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Was ist unter der Mobilisierung zu verstehen?

Mehr Soldaten und Reservisten werden in Kampfbereitschaft versetzt. Der Grund: "Aufgrund der hohen Verluste in der Ukraine kann es sein, dass Russland sehr bald Nachschub braucht. Es kann sein, dass die freiwillige Mobilisierung nicht ausreicht und man Soldaten braucht, die zwangsweise an die Front ziehen", erläutert Wissenschaftler Libman.

Für ihn ist dieser Faktor langfristig Russlands größte Schwachstelle. "Wir sprechen häufig über die Lieferung von Waffen an die Ukraine oder Sanktionen. Aber wir sprechen gar nicht über das, was Putins Krieg vielleicht am stärksten einschränkt: Das sind die Menschen", meint Libman.

Die russische Armee habe auf absehbare Zeit nicht ausreichend Soldaten, weshalb Russland mit seiner militärischen Operation an seine Grenzen stoßen könne. "Putin werden früher oder später die Soldaten ausgehen – das ist für mich die zentrale Einschränkung für einen Angriff gegen die Ukraine."

Greift Russland nun auch den Westen an?

Auf die Frage hat Libman eine klare Antwort. "Das wird nicht passieren." Zwar sei eine nukleare Ausbreitung des Krieges mittlerweile nicht mehr ausgeschlossen. "Dass aber am 9. Mai Putin einfach so einen größeren Angriff startet, ist aus meiner Sicht ausgeschlossen."

Verwendete Quellen
  • Telefongespräch mit dem Wissenschaftler Prof. Dr. Alexander Libman
  • Telefongespräch mit dem Wissenschaftler Wolfgang Richter
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