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Das nächste Opfer Russlands? Baerbock kämpft gegen die Putin-Panik


Das nächste Opfer Russlands?
Baerbock kämpft gegen die Putin-Panik

Von Patrick Diekmann, Bukarest

15.07.2022Lesedauer: 5 Min.
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Baerbock in Bukarest: Die Außenministerin verspricht Solidarität und Geld, aber hat sonst wenig im Gepäck, um Moldau vor Russland zu schützen.Vergrößern des Bildes
Baerbock in Bukarest: Die Außenministerin verspricht Solidarität und Geld, aber hat sonst wenig im Gepäck, um Moldau vor Russland zu schützen. (Quelle: Sina Schuldt/dpa-bilder)

Putin will keinen Frieden und die Sanktionen gegen Russland zeigen noch wenig Wirkung. Außenministerin Baerbock versucht in Rumänien, Kurs zu halten.

Es wird nicht einfach, das war vielen westlichen Politikern von Anfang an klar. Wladimir Putin setzt seinen blutigen Angriffskrieg in der Ukraine fort, ungeachtet der militärischen Probleme für die russische Armee und ungeachtet der Sanktionen gegen Russland. Der Kremlchef setzt darauf, dass er am Ende einen längeren Atem haben wird als das westliche Bündnis. Während das russische Regime kritische politische Partizipation seiner größtenteils armen Bevölkerung niederknüppelt, zittern Deutschland und Europa vor einem Gasnotstand und einer Megainflation. Es ist perfide, dass Putin darin einen Vorteil für sich sieht.

Der Ukraine-Konflikt ist in einer Phase, in der das westliche Bündnis seinen Kurs festigen muss – in Richtung einer langfristigen Solidarität mit der Ukraine und mit Staaten, die von Russland bedroht werden. Bei ihrem Besuch in Rumänien geht es für Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) um die Unterstützung für Moldau, das aufgrund der Destabilisierung zu zerbrechen droht. Aber Baerbock muss an mehreren Fronten kämpfen, denn auch in Deutschland sind die Sanktionen gegen Russland nicht mehr unumstritten in der Bevölkerung.

Für die Ministerin geht es aktuell darum, die Reihen zu schließen – international auf der Moldau-Konferenz in Bukarest und in Deutschland. Dafür braucht es ein Ende des Panikmodus, denn es sind die zahlreichen Ängste in Europa, die die Solidarität mit der Ukraine etwas bröckeln lassen. Putin nutzt diese Ängste für seine machtpolitischen Interessen – ob die Ängste aber wirklich berechtigt sind, kann aktuell niemand im Westen sagen. Denn durch seinen brutalen Angriffskrieg ist der russische Präsident vor allem eines geworden: unberechenbar.

Russland greift auch Moldau an

In Bukarest trifft die deutsche Außenministerin zumindest auf eine inhaltliche Geschlossenheit. Gastgeber Rumänien sowie Deutschland, Frankreich und zahlreiche Unterstützer sind sich einige darüber, Moldau gegen Putin unterstützen zu müssen. Denn auch die kleine Republik leidet massiv unter der russischen Aggression in der Ukraine.

Ein Teil des Staatsgebietes von Moldau – Transnistrien – ist von der russischen Armee besetzt. Deshalb herrscht verständlicherweise die große Furcht, dass das Land nach der Ukraine das nächste Opfer von Putins gewaltsamer Expansionspolitik werden könnte. Schon jetzt soll die russische Armee laut der Regierung in Chisinau versuchen, Soldaten in der Republik Moldau zu rekrutieren.

Doch obwohl noch keine russischen Panzer die kleine Republik angreifen, hat die Destabilisierung längst begonnen. Moldau kämpft mit schweren wirtschaftlichen Verwerfungen durch die Corona-Pandemie, die Bedrohung durch Russland macht es deutlich schwieriger, Unternehmen zu finden, die in dem Land investieren wollen. Moldau zählt zu den ärmsten Ländern in Europa, die Inflation liegt bei über 30 Prozent und Fachkräfte und intellektuelle Eliten verlassen das Land – aus Angst vor einem russischen Angriff. Außerdem sind mittlerweile 70.000 Ukrainerinnen und Ukrainer in die kleine Republik geflohen.

Das zeigt: Auch Moldau wird angegriffen, wird Opfer von Putin – in einem hybriden Krieg. Die Republik ist aktuell ein Land in Panik und der Westen versucht, der dortigen Regierung mit seiner Rückendeckung einen Ausweg aus dieser Krise zu ermöglichen.

Deutschland übernimmt Führungsrolle

Deshalb war es wichtig, dass das westliche Bündnis Moldau in diesem Kampf nicht hängen lässt – diese Front in dem Konflikt durfte nicht ignoriert werden. Immerhin kamen in Bukarest 600 Millionen Euro an Unterstützung in unterschiedlichen Bereichen für Moldau zusammen. Das war ein wichtiges Signal an Putin und das Geld ist notwendig, damit das Land am Ende nicht an der aktuellen Situation zerbricht. Auch dass Moldau zeitgleich mit der Ukraine EU-Beitrittskandidat wurde, ist vor allem ein Symbol. Denn im Prinzip wissen sowohl die EU als auch Moldau, dass Letzteres noch zahlreiche Reformen umsetzen muss – besonders bei der Korruptionsbekämpfung.

Trotzdem erklärte Baerbock in Bukarest: "Mit dem EU-Kandidatenstatus wird unterstrichen: Wir lassen kein Land, sei es auch noch so klein, sei der Druck auch noch so groß, gerade aus Russland, in dieser schwierigen Situation allein."

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Die deutsche Außenministerin übernimmt die Federführung bei der Unterstützung für das kleine Land. Denn auf diplomatischer Ebene war es immerhin bemerkenswert, dass die französische Außenministerin Catherine Colonna nicht persönlich bei der Konferenz erschien, sondern nur ihre Staatssekretärin schickte.

"Wir stehen zusammen"

Frankreich hat nach der Parlamentswahl mit großen innenpolitischen Problemen zu kämpfen. Dass nun die französische Außenministerin nicht nach Bukarest reiste, ist ein fatales Signal – denn in Europa ist es vor allem die Achse Berlin-Paris, die im Kampf gegen Putin unheimlich wichtig ist.

Doch wenn Frankreich innenpolitisch geschwächt ist, bedeutet das automatisch eine größere Verantwortung für Deutschland. Ziel ist es, die Geschlossenheit und die Solidarität im westlichen Bündnis weiter zu stärken. In Baerbocks Worten: In der Moldau-Frage gehe es darum, Destabilisierungen aus Moskau "gemeinsam zu kontern". "Wir stehen zusammen."

Es gibt allerdings noch eine andere Front, an der Baerbock kämpfen muss – und diese liegt in Deutschland. Der Ukraine-Krieg markiert eine Zäsur, die auch den Wohlstand vieler Bundesbürger angreifen wird. Deshalb gibt es auch in Deutschland Panik: vor steigenden Gaspreisen, Frieren im Winter, einem wirtschaftlichen Kollaps oder vor einem Dritten Weltkrieg. Viele dieser Sorgen sind zwar berechtigt, aber ob es wirklich so weit kommt, liegt ausschließlich in den Händen von Wladimir Putin.

Trotzdem stehen in der Bundesregierung in vielen Fragen zwei Positionen gegenüber: Vorsicht gegen konsequentes Handeln. Es ist vor allem auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), der eher mit Augenmaß handeln möchte. Sein Kurs: Deutschland tut nichts, was die USA und die übrigen westlichen Partner nicht auch tun. Mit dieser inhaltlichen Leitlinie trifft er wahrscheinlich sogar die Mehrheitsmeinung in Deutschland, aber das bringt auch Probleme.

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Uneinigkeit in der Panzer-Frage

Dieses Zögern und Abwarten führen dazu, dass Probleme, die ohnehin auf den Westen zukommen, aufgeschoben werden. Beispiel Panzerlieferungen: Klar ist, dass die Ukraine nicht nur zahlreiche Soldaten in dem Krieg verliert, sondern auch irgendwann an den Punkt kommen wird, an dem der ukrainischen Armee die Kampfpanzer ausgehen und der Westen nicht mehr über Gerät aus sowjetischer Bauart verfügt, das man liefern könnte. Was dann?

Vor der Frage drücken sich die Bundesregierung und das westliche Bündnis aktuell – auch Baerbock weicht in Bukarest auf der Pressekonferenz der Frage aus und betont, dass Deutschland Panzerhaubitzen 2000 liefern würde. Aber es ist im Prinzip schon länger klar, dass die Grünen in der Ampelkoalition die Ukraine auch mit Panzern unterstützen würden. Baerbock wahrt in Rumänien den Koalitionsfrieden, erklärt aber auch, dass Spanien Leopard-2-Panzer an die ukrainische Armee geben wollen würde. Die Ukrainer seien nun eingeladen, dieses Gerät zu inspizieren. Das erhöht nun auch den Druck auf Scholz, denn Deutschland müsste einer Lieferung zustimmen.

Deutschland rückt weiter in die Führungsrolle

Letztlich rückt die Bundesrepublik in der Ukraine-Krise immer weiter in eine internationale Führungsrolle. Frankreich steuert innenpolitisch in eine unruhigere Zukunft, auch US-Präsident Joe Biden steckt vor den Midterm-Wahlen im November im Umfragetief; und es ist völlig unklar, wer ab September in Großbritannien regieren wird. Politisch sind es für den Westen stürmische Zeiten, von denen am Ende nur einer profitiert: Putin.

Vor allem Scholz und Baerbock werden hart daran arbeiten müssen, dass trotz dieser vielen politischen Beben, die Geschlossenheit im Kampf gegen Russland keine Risse bekommt. Trotz einer insgesamt inhaltlich-erfolgreichen Moldau-Konferenz in Rumänien bleibt das für die Außenministerin vor allem eines: eine Mammutaufgabe.

Verwendete Quellen
  • Berichterstattung vor Ort in Bukarest
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