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Donald Trump als Feldherr: Der Papiertiger im Weißen Haus


Trump als Feldherr
Der Papiertiger im Weißen Haus

  • Gerhad Spörl
MeinungEine Kolumne von Gerhard Spörl

16.04.2018Lesedauer: 6 Min.
Meinung
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Donald Trump bei einer Ansprache vor dem Weißen Haus: Hat er mit den Luftschlägen in Syrien etwas erreicht?Vergrößern des Bildes
Donald Trump bei einer Ansprache vor dem Weißen Haus: Hat er mit den Luftschlägen in Syrien etwas erreicht? (Quelle: Archivbild/Kevin Lamarque/Reuters-bilder)

Auftrag erfüllt, sagte Donald Trump über die Luftschläge in Syrien. Was noch mal war der Auftrag und was hat sich verändert? Zorn zieht der ehemalige FBI-Chef James Comey mit seinem Enthüllungsbuch auf sich. Ihn würde der Präsident am liebsten vor Gericht ziehen.

Gestern war ein herrlicher Sonnentag in Berlin, der Himmel blau, die Luft mild, die Natur ergrünt. Wir fuhren raus an einen See, gingen spazieren, kehrten in einem Gartenrestaurant ein, in dem zwei Jungs gute Musik machten. Alles fein, alles schön. Ich war milde gestimmt wie die anderen Spaziergänger, Radfahrer und Jogger auch. Nebenbei ging mir durch den Kopf, was ich wohl in dieser Kolumne schreiben würde, und da kam mir folgender Gedanke, geboren aus dieser versöhnlichen Stimmung: Was wäre, wenn Donald Trump doch ein passabler Präsident wäre? Wenn eine seltsame Dialektik walten würde, die seinen Unsinn in Sinn verwandelt?

Zu Hause las ich in der "Washington Post" ein langes Stück über den Hintergrund der Entscheidung, einige syrische Chemiewaffenlager mit 105 Raketen zu zerstören. Zur Erinnerung: Kurz vorher hatte Trump den Rückzug amerikanischer Soldaten aus Syrien angeordnet. "Sollen sich andere Leute um die Sache kümmern," hatte er wegwerfend gesagt. Na gut, kann ja vorkommen, dass etwas passiert, was eine Meinung ändert. Dafür sorgten die Bilder der Erstickten, denen Schaum aus dem Mund lief. Schreckliche Bilder armer Menschen, Zivilisten und Frauen und Kinder, getötet durch Giftgas.

Trump sagte, die Bilder seien ihm nicht aus dem Kopf gegangen. Ist menschlich, versteht man. Deshalb wollte er Rache üben an "Animal Assad". An die Wortwahl, diese Vorstadtlottel-Gossensprache, werde ich mich nie gewöhnen. "Auftrag erfüllt", sagte er nach den Luftschlägen. So was hat George W. Bush auch mal in Fliegerkluft auf einem Flugzeugträger im Mai 2003 über den Krieg im Irak gesagt. Das Gegenteil war wahr.

Niemandem weh getan

Und heute? Die Konsequenzen, die diese Luftschläge in der vorigen Woche hätten haben können, sind nicht eingetreten. Keine Konfrontation mit Russland (außer dem üblichen Gezeter und der Einberufung des UN-Sicherheitsrates), keine mit Iran (außer den üblichen wüsten Drohungen aus Teheran). Daraus lässt sich schließen, dass sichergestellt war, die Tomahawks treffen die richtigen Ziele. Wer zynisch sein möchte, kann es so deuten: Jeder wusste, was passieren und wie jeder reagieren würde. Niemand würde niemandem weh tun. Im Fernsehen sagte Generalleutnant Kenneth Mckenzie über den Erfolg der Mission, keineswegs seien sämtliche Giftgaslager getroffen worden. "Das Arsenal ist größer als das, was wir trafen."

Trumps Motiv ist verständlich: Nicht wie Obama von roter Linie reden und dann nach Giftgansangriffen auf Zivilisten nichts unternehmen. Er macht es umgekehrt. Er redet von Abzug und schlägt dann doch zu. Das Problem ist nur: Eine Strategie ist weder das eine noch das andere. Der Effekt der Luftschläge: vernachlässigbar. Der Eindruck auf Iran und Russland, auf Assad und Erdogan: Achselzucken. Die Auswirkung auf den Krieg in Syrien: gleich null.

Wenn eine Weltmacht Tomahwaks abfeuert und damit keinen Unterschied in einem Krieg macht, dann ist sie ein Papiertiger. Im Bestreben, keine Konfrontation mit Russland oder Iran einzugehen, kam nichts als ein Alibi heraus, ein Fake Strike. Auftrag erfüllt? Natürlich nicht. Der Krieg geht weiter wie gehabt. Die Menschen sterben weiter oder fliehen weiter. Es ist nicht anders, als hätte sich ein kleines Land wie Andorra kurz und folgenlos erregt.

Trump vs. Comey vs. Trump

Nach dem Spazierengehen nahm ich mir "A Higher Loyalty: Truth, Lies and Leadership" vor, das Buch, das James Comey geschrieben hat. Comey war mal FBI-Chef, Trump feuerte ihn und regt sich jetzt über ihn auf. Er twitterte, Comey sei erwiesenermaßen ein Lügner und Durchstecher geheimer Informationen. Deshalb müsste er strafrechtlich verfolgt werden. Er sei ein verlogener Schleimbeutel. Es sei ihm eine Ehre gewesen, ihn zum Teufel zu jagen.

Comey schildert in diesem Buch zwei Gespräche im Januar 2017 mit Trump im Weißen Haus. Damals kursierte ein zweifelhaftes Dossier, das munkelte, Trump sei in einem Moskauer Hotel mit Prostituierten gefilmt worden. Er hätte dabei zugesehen, wie zwei Prostituierte einander bepinkelt hätten. "Niemals würde ich zulassen, dass Leute in meiner Gegenwart aufeinander urinieren", zitiert ihn Comey. Trump hat eine Keimphobie, er ist ein Hygienefanatiker.

Verschobene Prioritäten

Darüber also sprach der amerikanische Präsident mit seinem FBI-Chef. Hatten die beiden keine richtigen Probleme? Hier ist der Staats- und Regierungschef der größten Weltmacht, die es auf Erden je gab, und dort ist der Leiter des gewaltigsten inländischen Nachrichtendienstes: Und sie widmen sich ausgerechnet der Frage, ob Trump, bevor er Präsident wurde, beim Vulgärsex gefilmt wurde?

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Nach den Gesprächen machte sich Comey jeweils Notizen, aus denen jetzt sein Buch schöpft. Sie verleihen ihm Glaubwürdigkeit oder sollen es zumindest. Nun müssen sie nicht unbedingt stimmen, sie können einseitig sein, der Mann ist schließlich gefeuert worden, aber sie erzählen Anekdoten über den Präsidenten aus nächster Nähe. Sie leben davon, dass sie im Buch eines Mannes stehen, der als Ausbund der Korrektheit gilt.

In seinem früheren Leben als Staatsanwalt hatte er mit dem organisierten Verbrechen zu tun und an die Mafia fühlt er sich im Weißen Haus erinnert: die Ausrichtung auf Trump, der Zwang zur Loyalität, die Dichotomie Wir-gegen-alle-anderen, die Selbstverständlichkeit des Lügens, die Geringschätzung für Wahrheit und Moral.

FBI: Riesenorganisation mit Riesenego

Ich muss sagen, ich halte nicht viel vom FBI. Riesenorganisation mit einem Riesenego ohne Riesenerfolge. Will alles alleine machen. Lebt davon, dass an jedem Morgen, den Gott werden lässt, der FBI-Chef zur Lagebesprechung ins Weiße Haus fahren darf. Ansonsten: Alleingänge. Hätten sich FBI und CIA im Frühsommer 2001 nur mal eben ausgetauscht, wäre 9/11 niemals passiert.

Mir ist auch Comey suspekt. Nicht weil er sich möglicherweise an seinem Präsidenten rächt, der ihm Loyalität abforderte, die er ihm verweigerte. Ich würde sagen: Zwei Brüder im Geiste. Was schwerer wiegt: Comey ist nur deshalb zum Helden aller Trump-Verächter geworden, weil er um sein Amt gebracht wurde und nun dem Affen Zucker gibt. Vergessen, oder zumindest relativiert, ist sein Verhalten in der Endphase des Wahlkampfes.

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Schützenhilfe für den verachteten Kandidaten?

Dabei ging es um die berühmten E-Mails, die Hillary Clinton als Außenministerin nicht etwa im offiziellen Account, sondern in ihrem privaten geschrieben hatte. Das FBI prüfte den Fall und befand im Juli 2016: nicht würdig einer Anklage. So weit, so gut. Dann, kurz vor dem Wahltag im November, trat James Comey mit ernster Miene vor die Mikrofone und verkündete, die Mails würden nun doch noch einmal einer genaueren Prüfung unterzogen. Das hörte sich so an, als gebe es Grund dazu. Große Aufregung. In seinem Buch schreibt Comey nun: "Wie alle anderen ging ich davon aus, dass Hillary Clinton in weniger als zwei Wochen zur Präsidentin gewählt werden würde. Doch was wäre gewesen, wenn erst dann herausgekommen wäre, dass vom FBI noch gegen sie ermittelt wurde?"

Mag so sein, muss nicht so sein. Wichtiger ist die Frage, ob Comey damit die Wahl beeinflusst hat oder nicht. Wäre ja absurd, wenn der von ihm verachtete Trump, der ihn noch mehr verachtet, deshalb zum Präsidenten geworden wäre und eben nicht Hillary Clinton. "Der Gedanke, dass wir womöglich Einfluss auf die Wahl gehabt haben, ist mir leicht unbehaglich", fällt ihm dazu ein.

Luftschläge als Polit-Show

Comey erzählt in seinem Buch auf 304 Seiten noch einmal, was wir schon wissen. Gravitätisch zog er gestern durch die Talkshows und erzählte von seinen Begegnungen mit Donald Trump. Er ist, was ihm guttut: die Sensation in Washington, in Amerika, Riesenauflage garantiert. Die Luftschläge gegen Syrien sollten ihm eigentlich die Show stehlen, haben es aber nicht, kein Wunder. Sie waren die Show, die sich eine Weltmacht leistet, deren Präsident Donald Trump ist.

Was mir klar geworden ist: Es geht nicht um Fakten, niemals. In Trumps Welt gibt es keine Fakten, sondern nur Meinungen. Die eine Meinung steht gegen die andere. Welche sich durchsetzt in diesem Machtkampf, hat mit sachlicher Begründung überhaupt nichts zu tun. Die Macht aber liegt beim Präsidenten. Das ist ihm wichtig. Das schützt ihn. Das macht ihn unangreifbar. Das macht ihn unbelehrbar. James Comey? Zieht vorbei, wie alles vorbeizieht. Syrien? Sollen sich andere darum kümmern.

Und die Dialektik, die Unsinn zum Sinn erhebt? War nur so eine Sonnenscheinidee, leider.

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