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Putin und die zweite Front: In Nahost zieht Kreml-Chef die Fäden


Krieg in Nahost
Hat er auch da seine Finger im Spiel?

MeinungVon Christoph Schwennicke

Aktualisiert am 17.10.2023Lesedauer: 4 Min.
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Freundschaftliche Begrüßung: Wladimir Putin, Ajatollah Khamenei und Ebrahim Raisi (von links nach rechts) im Juli in Teheran.Vergrößern des Bildes
Freundschaftliche Begrüßung: Wladimir Putin, Ajatollah Khamenei und Ebrahim Raisi (von links nach rechts) im Juli in Teheran. (Quelle: ZUMA Wire/ Iranian Supreme Leaders Office/imago-images-bilder)

Wladimir Putin hat über Jahrzehnte eine globale Schurkokratie gegen den Westen aufgebaut. Jetzt zündet er die Welt an mehreren Ecken gleichzeitig an. Wir befinden uns im Vorhof eines Weltkriegs, befürchtet unser Kolumnist.

Vorweg: Ich bin nicht Henry Kissinger, nicht mal Carlo Masala. Aber vielleicht muss man auch nicht eine US-Legende der Weltpolitik sein oder versierter Sicherheitspolitiker an der Bundeswehr-Universität in München, vielleicht reichen schon ein wacher Blick auf die Geschehnisse und zwei, drei Funken politischer Verstand, um zu dem Schluss zu kommen: ER ist an allem schuld. ER steckt fast immer dahinter, auch dieses Mal.

Vier Heimsuchungen hat die ganze Welt aktuell zu gewärtigen, drei davon schon geraume Zeit, die vierte ist aktuell dazugekommen: die Klimakrise, der Ukraine-Krieg, die internationale Migration und jetzt der Krieg in Nahost. (Die fünfte, die Corona-Pandemie, hat sich fürs Erste wieder zurückgezogen). Bei drei der vier Heimsuchungen führen die Fäden mehr oder weniger direkt in die Hände eines Mannes: Russlands Präsident Wladimir Putin.

Über Jahrzehnte schon, aber spätestens seit seiner warnenden Rede vor der Münchner Sicherheitskonferenz von 2007, spinnt dieser fleischgewordene Fluch der Welt an seinem Geflecht einer länderübergreifenden Schurkokratie als Gegenmacht zu den liberalen Demokratien des Westens. Sein finsterer Plan erscheint mir wie die Fortsetzung des Kalten Krieges mit anderen Mitteln.

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Nach der für ihn offenkundig traumatischen Niederlage der Sowjetunion gegen den Systemkonkurrenten USA hat Putin zwei Dinge gleichzeitig gemacht: Den Westen eingelullt und abhängig gemacht von den unermesslichen fossilen Ressourcen seines russischen Riesenreiches, am schlimmsten Deutschland. Dessen Staatsspitzen wollten bis zuletzt nicht begreifen, um was für ein Ungeheuer es sich bei diesem Mann handelt. Zur Erinnerung: Er hat einmal im Bundestag gesprochen, wie es sonst nur Persönlichkeiten vom Schlage eines Nelson Mandela und König Charles III. dürfen.

Spätestens bei Russlands Besetzung der Krim 2014 hätte klar sein müssen, was für ein finsteres Spiel dieser Mann spielt. Am 24. Februar 2022, mit dem Überfall auf die Ukraine, konnten auch die Verklärtesten wie der heutige Bundespräsident und damalige Außenminister Frank-Walter Steinmeier nicht mehr über das Offensichtliche hinwegsehen.

Aber auch bei Heimsuchung Nummer zwei, der Migration, sitzt Putin an den Hebeln, an den Schleusen. Über seinen Vasallenstaat Belarus und seinen dortigen Stiefelknecht Lukaschenko sorgt Putin für permanenten Zustrom an Migranten in die Europäische Union. Derzeit wird vor allem Lettland mit direkter Grenze zu Belarus davon überrannt. Treffend benennt die FDP-Politikerin Linda Teuteberg das als Teil einer hybriden Kriegsführung.

Und jetzt, beim Massaker der Killerkommandos der radikalislamischen Hamas an wehrlosen, unschuldigen Zivilisten in Israel, ist der Verdacht mehr als begründet, dass Putin ebenfalls die Fäden zieht. Es wird bisher nach meiner Wahrnehmung immer nur die Spur bis Damaskus und Teheran, also Syrien und dem Iran verfolgt, was die Hintermänner, die Finsterstaaten anlangt, die die Hamas ausgerüstet und losgeschickt haben.

Aber die Spuren führen weiter. Bis nach Moskau. Im Syrienkrieg hat sich Putin schon lange auf der Seite des Schlächters Assad verortet, und auch die Mullahs von Teheran gehören zu seinem Netzwerk des Bösen, das nach dem Prinzip gesponnen ist: Alles, was hilft, die USA und den Westen in die Knie zu zwingen, soll Teil seiner Koalition sein. Kaum war vor einigen Wochen der nordkoreanische Diktator Kim Jong-un mit der Eisenbahn zu einem Treffen mit Putin gereist, rollten endlos lange Güterwaggons auf den gleichen Gleisen hin und her, wie Satellitenaufklärung belegte. Mutmaßlich Waffen in die eine Richtung, Technologie in die andere. Atomtechnologie.

Die zweite Kriegsfront nach der Ukraine

An der Stelle wird es apokalyptisch. Mit Iran und Israel stehen sich zwei Staaten gegenüber, die beide über Atomwaffenarsenale verfügen dürften. Bei Israel ist das ein offenes Geheimnis, bei Irans Atomwaffenprogramm kann man mindestens von der Möglichkeit einer schmutzigen Bombe ausgehen, also keiner tatsächlichen Bombe, in der die Kettenreaktion beim Aufprall ausgelöst wird. Sondern von einem konventionellen Sprengkopf, aus dem stark strahlender Atommüll sich über das Zielgebiet verbreitet wie bei einer Streubombe. Russland, das wohl hinter dieser zweiten Kriegsfront steht, verfügt sowieso über Atomwaffen, das noch lavierende China ebenfalls.

Der große Historiker Eric Hobsbawm hat in den letzten Jahren seines Lebens – er starb 2012 – immer wieder davon geraunt, dass es offenbar in der Natur des Menschen liege, sich in bestimmten Zyklen mit Krieg zu überziehen und Vernichtung und Tod über die Welt zu bringen. Die Düsternis eines Mannes im Angesicht des bevorstehenden eigenen Endes? Eingangs erwähnter Henry Kissinger hat sich erst im Mai dieses Jahres in ähnliche Richtung geäußert.

"Klasssische Vorkriegssituation"

"Wir befinden uns in einer klassischen Vorkriegssituation", sagte er in einem Interview dem britischen "Economist" mit Blick auf eine Konfrontation der Großmächte USA und China. Der Mann, der Krieg und Frieden in seinen aktiven Jahren erlebt hat, konstatierte, dass fatalerweise "keine Seite viel Spielraum für politische Zugeständnisse hat und jede Störung des Gleichgewichts katastrophale Folgen haben kann". Das beschreibt die Welt im Vorzimmer eines Dritten Weltkriegs. Kissinger äußerte sich so vor dem Überfall der Hamas auf Israel.

Ähnlich wie Kissinger muss auch Carlo Masala, der Fachmann von der Bundeswehr-Uni München, denken, wenn er in einem Interview mit t-online darauf hinweist, dass der deutschen Bevölkerung, seinen Streitkräften und auch Teilen seiner politischen Klasse die Wehrhaftigkeit, die Resilienz und das Bewusstsein für die Situation fehle. Die Situation: Das ist das Vorzimmer zum globalen Krieg.

Eine Szene aus dem Bond-Klassiker "Sag niemals nie" von 1983 kommt mir in dem Zusammenhang immer in den Sinn: Da sitzt der britische Top-Agent, gespielt von Sean Connery, bei einer Art Computerspiel auf einer Seite einer großen illuminierten Weltkarte, auf der anderen sitzt Largo, der Böse, eher: das Böse, gespielt von Klaus-Maria Brandauer. Die beiden spielen um die Welt, bei militärischen Treffern des Gegners bekommen sie über den Joystick Stromschläge, die sich bis ins Lebensgefährliche steigern.

Putin erinnert mich fatal an Largo. Aber das hier ist kein Spiel. Kein Unterhaltungsfilm, den man ausschalten kann. Sondern die echte Welt. Wir haben nur diese.

Verwendete Quellen
  • Nachrichten, eigene Überlegungen
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