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Stasi-Streit in Berlin: Rot-Rot-Grün steht vor einem Scherbenhaufen


Rot-Rot-Grün in Berlin steht vor einem Scherbenhaufen

dpa, Von Stefan Kruse

Aktualisiert am 16.01.2017Lesedauer: 3 Min.
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat einen denkbar schlechten Start für seine Dreierkoalition hingelegt.Vergrößern des BildesBerlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) hat einen denkbar schlechten Start für seine Dreierkoalition hingelegt. (Quelle: dpa-bilder)
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Viel schlechter kann der Start einer neuen Koalition wohl nicht verlaufen. Rot-Rot-Grün in Berlin verzettelt sich im Streit um die Stasi-Vergangenheit eines Staatssekretärs. Was für ein Desaster.

Nach nicht einmal sechs Wochen im Amt steht die rot-rot-grüne Koalition im Land Berlin, die sich als Vorbild für den Bund empfehlen wollte, schon vor einem Scherbenhaufen. So richtig regiert haben SPD, Linke und Grüne bisher nicht. Stattdessen prägen ein öffentlich ausgetragener Streit etwa über mehr Videoüberwachung und - nicht zuletzt - die Stasi-Vergangenheit von Bau-Staatssekretär Andrej Holm das Bild.

Nun droht schneller als gedacht die erste Regierungskrise. Denn Regierungschef Michael Müller (SPD), der sich lange - etliche sagen zu lange - zurückhielt, sprach am Wochenende ein Machtwort: Er wolle Holm entlassen, Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) möge die Papiere vorbereiten. Für die Linke, die den parteilosen Stadtsoziologen in den Senat entsandt hatte, ein Schlag ins Gesicht. Müller habe damit die Lage "verschärft", keilte die Partei- und Fraktionsspitze zurück.

"Stürmische Zeiten" seien das, hatte Müller erst am Donnerstag in seiner ersten Regierungserklärung im Parlament gesagt. "Wir spüren, dass die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft zunehmen." Eigentlich nahm er Bezug auf wachsenden Populismus, zunehmende soziale Ungleichheit und den Terror, der am 19. Dezember mit dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche auch Berlin heimsuchte. Doch nun nehmen die Fliehkräfte in Müllers Koalition zu, nach ein paar Wochen schon. Aus dem im Koalitionsvertrag verankerten Vorsatz des "Guten Regierens" ist exakt das Gegenteil geworden.

Linke unterschätzt Sprengkraft einer Stasi-Vergangenheit

Wie konnte es so weit kommen? Die Linke machte Holm am 13. Dezember zum Staatssekretär, obwohl seit 2007 bekannt war, dass er in der DDR Stasi-Offizier werden wollte und noch in der Wendezeit für einige Monate dem Ministerium für Staatssicherheit beitrat. 26 Jahre nach der deutschen Einheit zog also erstmals ein bekannter früherer hauptamtlicher Stasi-Mitarbeiter in eine Regierung ein. Das polarisierte gerade in einer Stadt mit der Geschichte Berlins.

"Der Fall Holm zeigt, dass die Koalitionsparteien die Sprengkraft des Themas Staatssicherheitsdienst völlig unterschätzt haben", sagt der Chef der Stasiopfer-Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen, Hubertus Knabe. "Vielleicht hätten wir vorher mal in die Akten schauen sollen", meint Kultursenator Klaus Lederer (Linke) selbstkritisch.

Doch am Ende scheiterte Holm nicht an den fünf Monaten als Stasi-Gefreiter. Vielmehr scheitert er an der Tatsache, dass er in einem Personalfragebogen der Berliner Humboldt-Universität, bei der er lange arbeitete, im Jahr 2005 eine berufliche Stasi-Tätigkeit verneint hatte. Als dies nach seiner Ernennung bekannt wurde, begründete er das mit Erinnerungslücken. Der Vorwurf der Lüge steht im Raum.

Müller fast einhellig in der Kritik

Wochenlang warf die Opposition von CDU, AfD und FDP Regierungschef Müller Entscheidungsschwäche und "Abtauchen" vor, selbst SPD- und Grünen-Politiker kritisierten seine abwartende Haltung. Müller, der sich noch bei einem Koalitionsausschuss im Dezember überreden ließ, eine personalrechtliche Stellungnahme der Universität zu Holm abzuwarten, musste nun wohl die Notbremse ziehen.

Eine noch am Freitag veröffentlichte Entschuldigung Holms und seine Bitte um Verzeihung bei Stasi-Opfern half da nicht mehr. Zumal sich der Linken-Vorstand am selben Tag hinter Holm stellte und Müller so wohl zusätzlich reizte. Dem Vernehmen nach hatte er Grüne und Linke da schon über seine Pläne informiert - und dürfte die Erklärung der Linken als böses Foul gewertet haben.

Linke muss sich neu sortieren

Wie es nun politisch weitergeht, muss sich zeigen. Erste Signale der Linken deuten darauf hin, dass sie die rot-rot-grüne Koalition - auch als "R2G" bekannt - nicht wegen des Stasi-Streits scheitern lassen wollen. Das wäre wohl die größte anzunehmende Blamage.

Allerdings muss die Linke das Kunststück fertigbringen, in der Koalition klein bei zu geben und gleichzeitig gegenüber ihren Wählern das Gesicht zu wahren. Denn der Gentrifizierungskritiker Holm stand genau für den Schwerpunkt, mit dem die Linke bei der Wahl gepunktet hatte: eine Politik gegen Verdrängung von sozial schwächern Mietern aus ihren Wohnquartieren.

Die Zeiten für den Regierenden Bürgermeister werden wohl stürmisch bleiben. Müller wollte in der neuen Dreierkonstellation "ein bisschen staatsmännischer, präsidialer auftreten", mehr als Moderator denn als Basta-Regierungschef. Das wurde ihm schnell als Schwäche ausgelegt.

Auch in der eigenen Partei, die keineswegs uneingeschränkt hinter ihm steht, ist Müller unter Druck. So kritisierte SPD-Fraktionschef Raed Saleh jüngst im Abgeordnetenhaus ungeschminkt den rot-rot-grünen Senatsbeschluss, die Videoüberwachung nach dem Terroranschlag nicht flächendeckend auszuweiten. Applaus kam von CDU und AfD.

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