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Incirlik-Streit: "Deutschland bereitet Bundeswehr-Abzug vor


Keine Einigung im Incirlik-Streit
Deutschland bereitet Bundeswehr-Abzug vor

Von afp, rok, pdi

Aktualisiert am 05.06.2017Lesedauer: 4 Min.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist auf den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik vorbereitet.Vergrößern des BildesVerteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist auf den Abzug der Bundeswehr aus Incirlik vorbereitet. (Quelle: dpa)
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Nach dem gescheiterten Einigungsversuch im Incirlik-Streit hat Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen eine Kabinettsentscheidung zum Abzug der auf dem türkischen Luftwaffenstützpunkt stationierten Bundeswehr-Soldaten für diesen Mittwoch angekündigt.

"Wir werden das weitere Vorgehen jetzt am Mittwoch im Kabinett gemeinsam besprechen und entscheiden", sagte die CDU-Politikerin. "Wir sind auf eine Verlegung vorbereitet."

Nach einem Krisentreffen mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu hatte Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) zuvor einen Abzug der 260 Bundeswehr-Soldaten vom Luftwaffenstützpunkt Incirlik angekündigt. Sie sollen sich künftig von Jordanien aus mit "Tornado"-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug am Kampf gegen den IS beteiligen. Cavusoglu hatte sich geweigert, das von der Bundesregierung geforderte uneingeschränkte Besuchsrecht für Bundestagsabgeordnete in Incirlik zu gewähren.

Jordanien als Alternative

"Mit dem Flughafen Al Azraq in Jordanien haben wir eine vergleichbare Alternative gefunden", sagte von der Leyen. Durch den Umzug Hunderter Soldaten und den Transport von rund 10.000 Tonnen Material werde es aber eine Unterbrechung der Flugeinsätze im Kampf gegen die Terrormiliz IS geben. Das deutsche Tankflugzeug solle binnen zwei bis drei Wochen wieder Einsätze fliegen, der Tornado-Verband in zwei bis drei Monaten. Voraussetzung sei der reibungslose Abzug aus Incirlik.

"Für den Kampf gegen den IS war Incirlik eine gute Luftwaffenbasis", sagte von der Leyen. "Aber es ist nicht hinnehmbar, dass unsere Abgeordneten die Soldaten nicht besuchen dürfen."

Politiker fordern Abzug

Nach dem gescheiterten Einigungsversuch forderten viele Politiker Konsequenzen. "Die Bundesregierung hat nun die Pflicht, dem Bundestag mitzuteilen, ob unsere sicherheits- und außenpolitischen Ziele, die Deutschland mit der Stationierung der Aufklärungstornados in der Türkei verfolgt, auch von einem anderen Standort aus ohne Einschränkungen erfüllt werden können", sagte der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Norbert Röttgen (CDU), dem "Spiegel". "Wenn es eine gleichwertige Alternative gibt, ist die Verlegung aus Incirlik die richtige Entscheidung."

Die SPD-Fraktion hatte die Regierung schon vorige Woche aufgefordert, die Verlegung der deutschen Soldaten einzuleiten. CDU und CSU wollten zunächst die Gespräche von Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) in der Türkei abwarten. "Jetzt, wo das Ergebnis vorliegt, muss die Union ihre Blockade beenden, damit der Bundestag in der nächsten Sitzungswoche den Abzug der Bundeswehr beschließen kann", sagte der außenpolitische Fraktionssprecher Niels Annen dem "Spiegel".

Kein Besuchsrecht für Abgeordnete

Gabriel machte nach seinem Gespräch mit seinem türkischen Amtskollegen Mevlüt Cavusoglu deutlich, dass es zu einem Abzug jetzt keine Alternative mehr gebe. "Die Bundeswehr muss nach diesem neuerlichen Affront der türkischen Regierung sofort aus Incirlik abgezogen werden", verlangte auch Linken-Chef Bernd Riexinger. Aus Sicht der sicherheitspolitischen Sprecherin der Grünen, Agnieszka Brugger, hat sich die Bundesregierung "mit ihrem Spiel auf Zeit blamiert und ist mit ihrem Kurs der Gutgläubigkeit völlig gescheitert". Ähnlich äußerten sich FDP-Chef Christian Lindner und der Vize-Vorsitzende der AfD, Alexander Gauland, die ebenfalls einen sofortigen Abzug forderten.

Keine Alternative mehr zum Abzug

Gabriel machte deutlich, dass es zu einem Abzug jetzt keine Alternative mehr gebe. Cavusoglu sagte, deutsche Abgeordnete könnten die Bundeswehr-Soldaten auf dem Nato-Stützpunkt in Konya besuchen, nicht aber die auf der türkischen Basis in Incirlik. "Im Moment sind die Bedingungen für einen Besuch in Incirlik nicht gegeben", sagte der Außenminister, der in Ankara auch mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zusammenkam. Gabriel fügte hinzu: "Ich bedauere das, aber bitte um Verständnis, dass wir aus innenpolitischen Gründen werden die Soldaten verlegen müssen."

Cavusoglu hatte schon vor dem Krisengespräch mit Gabriel gesagt, die Türkei werde einem Abzug der deutschen Soldaten nicht im Wege stehen. "Wir haben sie willkommen geheißen, als sie kamen, und wenn sie gehen, dann werden wir ihnen freundlich auf Wiedersehen sagen."

In Incirlik sind rund 260 deutsche Soldaten mit ihren "Tornado"-Aufklärungsflugzeugen und einem Tankflugzeug stationiert. Nach einem Abzug sollen sie sich von Jordanien aus am Kampf gegen die Terrororganisation Islamischer Staat (IS) beteiligen.

Asyl für Offiziere als Grund für das Besuchsverbot

Nach Angaben des Auswärtigen Amtes begründete die türkische Regierung das jüngste Besuchsverbot für deutsche Abgeordnete in Incirlik damit, dass Deutschland türkischen Offizieren Asyl gewährt hat. Ankara beschuldigt die Soldaten, Angehörige der Bewegung des Predigers Fethullah Gülen zu sein, den Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan für den Putschversuch vom Juli vergangenen Jahres verantwortlich macht.

Gabriel wird in Ankara auch Erdogan und Ministerpräsident Binali Yildirim treffen. Der Bundesaußenminister hatte schon vor seinem Abflug am Montagamorgen klargemacht, dass er in Ankara auf dem Besuchsrecht der Abgeordneten bestehen werde.

Das Tauziehen mit der Türkei dauere schon viel zu lange und sei zu einer großen Belastung der bilateralen Beziehungen geworden, sagte Gabriel. "Längst geht es nicht mehr nur um den gemeinsamen Kampf gegen den IS, sondern auch um Innenpolitik. Wir dürfen nicht zulassen, dass unsere Soldaten zum Spielball der politischen Wetterlage werden." Die Parlamentarier müssten die Soldaten im Auslandseinsatz jederzeit besuchen können. "Wenn die Türkei sich festlegt, dass sie das in Incirlik nicht kann oder will, dann bleibt uns nur die Entscheidung für ein Verlegen", sagte Gabriel.

"Verhindern, dass wir einander gänzlich verlieren"

Gleichzeitig machte Gabriel deutlich, dass er die deutsch-türkischen Beziehungen wieder auf den Weg der Normalisierung bringen will. "Ich reise jetzt nach Ankara, weil wir nichts unversucht lassen dürfen, zu verhindern, dass wir einander gänzlich verlieren."

Streit gab es zwischen beiden Ländern auch rund um die Auftritte türkischer Regierungsvertreter vor dem Verfassungsreferendum im April, das Erdogan knapp gewann. Belastet wird das Verhältnis außerdem durch die Inhaftierung des "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel und der Übersetzerin Mesale Tolu Corlu. Beiden wird Terrorpropaganda vorgeworfen.

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