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Grüne Hölle: Habecks Kandidatur bringt in der Öko-Partei manches ins Wanken


Parteiinterner Machtkampf
Habeck-Kandidatur schüttelt die Grünen durch

t-online, Peter Riesbeck

Aktualisiert am 11.12.2017Lesedauer: 4 Min.
Grüner Hoodieboy: Robert Habeck will Parteichef der Öko-Partei werden.Vergrößern des BildesGrüner Hoodieboy: Robert Habeck will Parteichef der Öko-Partei werden. Das blockiert manch andere Karriereträume. (Quelle: Daniel Reinhardt/dpa-bilder)
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Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck, 48, will Grünen-Chef werden. Katrin Göring-Eckardt, Cem Özdemir, Toni Hofreiter - was wird aus den anderen? Im alten Rechts-Links-Schema der Partei bringt Habecks Kandidatur manches ins Wanken.

Eine Analyse von Peter Riesbeck

Eine Pause kann im Radio wie eine Ewigkeit wirken. Im vergangenen Jahr schaffte es der Grüne Robert Habeck, eine solche Ewigkeit ins Radio zu zaubern. Der morgendliche Interviewer im Deutschlandfunk befragte Habeck zu den Kosten für den Netzausbau, um den Strom von der Küste im Norden in den Süden zu Deutschlands Werkbänken zu bringen.

Weil die CSU einen Aufstand fürchtete, sollten die notwendigen Stromtrassen unter der Erde verbuddelt werden. Für teuer Geld. Also fragte der Reporter den Grünen Habeck, Umweltminister und Vize-Regierungschef in Kiel, nach den Mehrkosten in Milliardenhöhe für die unterirdische Trasse.

Die erwartbare Arithmetik im Politik-Alltag wäre jetzt gewesen über die CSU zu schimpfen. Aber Habeck sagte nur: Die Endlagerung für den Atomstrom werde noch teurer. "Der Verbraucher zahlt für die Endlagerung des Atommülls und für den Rückbau der Atomkraftwerke, wenn die Konzerne sich verkalkuliert haben.“ Punkt. Und eine gefühlte Ewigkeit Stille im Radio.

Ein Mann jenseits der klassischen Polit-Arithmetik

So ist Robert Habeck, der Mann jenseits der klassischen politischen Arithmetik. „Politik ist aber nicht Mengenlehre und malen nach Zahlen“, sagte Habeck nun der Zeitung taz. Das ist so ein typischer Habeck-Satz. Doch wirbelt er damit die Grünen kräftig durcheinander. Denn Habeck erklärte am Montag in Kiel offiziell seine Kandidatur für den Parteivorsitz der Grünen. Ihn reize die Lage der Grünen auf Bundesebene, sagte Habeck und fügte hinzu: "Die Relevanz der Grünen hochzuhalten, wird eine Herausforderung."

Eine fein verpackte Kritik. Die Grünen sind vor vierzig Jahren mal als Anti-Parteien-Partei gestartet. Und das macht Habecks Kandidatur so schwierig. Denn wo in den anderen Parteien das PoGl herrscht, das politische Gleichgewicht zwischen Rechts und Links, Nord und Süd, Katholisch und Protestantisch, gilt bei den Grünen das Prinzip: zwei rechts, zwei links und im Kampf zwischen Mann und Frau auch gern mal eine(n) fallen lassen.

Warum nur Frauen auf dem Weg an die Spitze nach ihren Kindern gefragt werden

Die Grünen sind fein austariert: Mann/Frau, links/rechts und jeder nur ein Amt. Schon daran zuppelt Habeck, denn der Mann, der in Kiel in einer Jamaika-Koalition aus CDU, FDP und Grünen regiert, will für eine Übergangszeit von einem Jahr in Kiel Minister bleiben. Eigentlich ein No-Go. Schwieriger aber noch wird die Gesamtstatik in der Partei. Der Ko-Chef müsste eine Frau von links sein. Nur sind mit der Frau von links, der Grünen-Chefin Simone Peter, nicht wirklich alle zufrieden.

Die einzige, die bisher ihre Kandidatur erklärt hat, ist Annalena Baerbock, aufstrebende Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Klimafachfrau (wichtig fürs grüne Gefühl) und Europaexpertin (wichtig für Deutschlands politische Zukunft). Doch hat Baerbock ein Problem. Sie ist Realo wie Habeck. Das rüttelt am grünen Selbstverständnis.

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Zwei links, zwei rechts, eine fallen lassen? Bei Baerbock wird jetzt weniger darauf verwiesen, dass sie die renommierte London School of Economics absolviert hat. Stattdessen heißt es in Medienberichten, Baerbock (fast 37) habe zwei kleine Kinder. Ein Argument, das männliche Politiker auf dem Weg an die Spitze eher selten begleitet.

Özdemir, Göring-Eckardt, Hofreiter - Was wird aus den anderen?

So wird bei den Grünen nun kräftig austariert. Die im Parteiinnenleben stets außergewöhnlich gut unterrichtete taz ist eine Art Osservatore Romano der Grünen. Dort würde vom Ultra-Realo-Kolumnisten in der Wochenendausgabe schon mal folgendes Personalspiel ventiliert. Der bisherige Grünen-Chef Cem Özdemir (er verzichtet freiwillig), könnte an die Spitze der Fraktion wechseln. Özdemir bestätigte das am Montagnachmittag indirekt in Berlin. Er erklärte aber unter dem Hinweis auf die "Flügel der Partei" auch: "Die Fraktion ist ein sensibles Gebilde."

Die Sensibilität des Gebildes könnte gehörige Personalrochaden nach sich ziehen. Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt, Realo wie Özdemir, müsste dann weichen. Weil Özdemir aber Mann ist, müsste auch Anton Hofreiter, der linke Vertreter an der Fraktionsspitze gehen. Eine ganze Riege könnte fallen. Zumal nach dem Aus für Jamaika manch angedachter Karrieretraum und Stellenplan verpuffte.

Das zwickt die grüne Seele. Die Anhänger der Partei sitzen längst in Lehrerzimmern, Anwaltskanzleien und Richterstuben. Die Kinder gehen auf renommierte Privatschulen und machen Urlaub in Übersee. Aber bitteschön, linke Wohlfühlromantik soll’s dann doch sein. „Sein Erfolg in Deutschland ist gewiss, also schließen wir’nen linken Kompromiss“, spottete schon Kurt Tucholsky. Also zwei links, zwei rechts, eine(n) fallen lassen.

Habeck beteuert, er sei kein Realo. Das stimmt nicht. Denn in Kiel macht er als Umwelt- (und Achtung: Heimat-Minister) Realo-Politik. Aber das stimmt auch wieder nicht. Denn Habeck ist eine Art Post-Realo. Er steht jenseits aller Strömungen. Schon sprachlich.

Habeck und seine Frau Andrea Paluch sind ein erfolgreiches Autorenduo für Kinderbücher. Mehrfach hatten ihn die Grünen in die Politik gelockt, mehrfach hat er abgesagt. Der Mann hatte eine Karriere vor der Politik. Jetzt ist er 48. Und gilt den TV-Sendern immer noch als Talent. Welch ein Segen. Ein Mann, fast fünfzig, mit Zukunft. Das ist selten. Nicht nur in der Politik.

Macrons "En Marche" in Frankreich. Nur Deutschland glaubt an die alte Volkspartei

Bewegungspartei wollen die Grünen sein. Das ist der kleinste gemeinsame Nenner, auf den sich der linke und rechte Flügel in der Partei einigen können. Nur ist wenig Bewegung. Nicht nur bei den Grünen. Wie hat das politische Deutschland Emmanuel Macron gefeiert für seine neue Partei „En Marche“. Nur hierzulande ist es still geblieben.

Das lieb gewonnene deutsche Modell der Volkspartei liegt am Boden. Das zeigt schon ein Blick auf die SPD. Was kommt danach? Martin Schulz, Andrea Nahles - Große Koalition oder linkes Bündnis - die SPD ist noch unentschieden.

Joschka Fischer, der Alt-Grüne, träumte mal von einem Olivenbaum-Bündnis nach italienischem Vorbild. Fischers alter Weggefährte Daniel Cohn-Bendit werkelte kräftig an Macrons Bewegung "En Marche" mit, heute gilt er als einflussreicher europappolitischer Ratgeber des französischen Präsidenten. Ralf Fücks leitete einst die Grünen-nahe Böll-Stiftung. Nun gründete er mit seiner Frau, der früheren Bundestagsabgeordneten Marieluise Beck, den Thinktank „Zentrum liberale Moderne“.

Liberal, ökologisch, modern – dafür feiern seien Anhänger – nicht nur in der taz – Robert Habeck. Ein Mann mit neuem Schwung für die alte Bewegungspartei als neues parteiübergreifendes Wahlbündnis für die Bundestagswahl 2021 – oder früher? Mit Inhalten statt bloßer Rechts-Links-Arithmetik?

Habeck, Baerbock, andere? Ende Januar wird gewählt bei den Grünen. Noch gilt das alte Prinzip, zwei links, zwei rechts, eine(n) fallen lassen.

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