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Fakten zu den Vorfällen in Chemnitz: Das steckt dahinter


Was wir wissen, was wir nicht wissen
Das steckt hinter den Vorfällen in Chemnitz

  • Jonas Mueller-Töwe
Von Jonas Mueller-Töwe

Aktualisiert am 27.08.2018Lesedauer: 3 Min.
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Ein Teilnehmer der Kundgebung wirft mit Anlauf einen Polizisten mehrere Stufen hinunter aufs Kreuz: Eine rechtsradikale Hooligan-Gruppe und die AfD hatten zu der Versammlung mobilisiert.Vergrößern des Bildes
Ein Teilnehmer der Kundgebung wirft mit Anlauf einen Polizisten mehrere Stufen hinunter aufs Kreuz: Eine rechtsradikale Hooligan-Gruppe und die AfD hatten zu der Versammlung mobilisiert. (Quelle: Screenshot: t-online.de)

Rechtsradikale haben am Wochenende in Chemnitz Polizisten und Passanten angegriffen. Angeblich um einen Mord zu rächen. Doch viele Gerüchte sind falsch.

In Chemnitz stirbt nach dem Stadtfest ein Mann an Messerstichen. Am Folgetag randalieren Rechtsradikale in der Innenstadt, jagen Passanten und Polizei. AfD-Abgeordnete solidarisieren sich. Die Fakten zu den Vorfällen.

Was wir wissen

In Chemnitz ist ein 35-Jähriger nach einer Auseinandersetzung in der Nacht zu Sonntag tödlich durch Messerstiche verletzt worden. Ein 33-Jähriger und ein 38-Jähriger erlitten ebenfalls schwere Verletzungen. Der Verstorbene ist Deutscher, hatte in sozialen Medien mehrere Seiten gegen Nazis, von der Partei Die Linke und von einem SPD-Bundestagsabgeordneten geliked und sich dort auch kritisch zur AfD geäußert.

Laut Polizei waren an der Auseinandersetzung nach dem Stadtfest "mehrere Personen unterschiedlicher Nationalitäten" beteiligt. Mehrere Personen flüchteten danach vom Tatort. Ein 22-Jähriger und ein 23-Jähriger wurden kurze Zeit später festgenommen. Gegen den Iraker und den Syrer wurde Haftbefehl erlassen – beide sitzen in Untersuchungshaft. Den beiden Männern wird vorgeworfen, "ohne rechtfertigenden Grund" mehrfach auf den 35-Jährigen eingestochen zu haben.

Was wir nicht wissen

Bislang ist unklar, was die Auseinandersetzung auslöste – die Polizei sprach lediglich von einem "verbalen Disput". Die Ermittlungen zum Tatmotiv und Ablauf der Tat dauern an. Ebenfalls unbekannt ist, wie viele Personen an der Auseinandersetzung beteiligt waren.

Warum wir keine Gerüchte verbreiten

In sozialen Medien und über unseriöse Internetseiten werden Gerüchte zu den Vorfällen verbreitet. t-online.de verbreitet ausschließlich Informationen, die verifiziert sind oder für die eine plausible Faktenbasis spricht. Bislang gibt es laut mehrfacher Aussage der Polizei Chemnitz keinerlei Hinweise darauf, dass dem Vorfall eine sexuelle Belästigung vorausging. Das hatte die "Bild"-Zeitung zunächst berichtet und so wird es von Privatprofilen und rechtsradikalen Seiten weiterhin behauptet.

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Weiter entspricht es nicht den Tatsachen, dass es ein zweites Todesopfer gab. Das behaupteten am Montag immer noch unter anderem Seiten der AfD. Die Polizei hat diese Spekulationen sowohl am Sonntagabend als auch am Montagmorgen dementiert. "Entgegen anderslautender Gerüchte gibt es nach dem Zwischenfall in Chemnitz keinen zweiten Todesfall." Sie bat explizit darum, sich nicht an Spekulationen zu den Ermittlungen zu beteiligen.

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Wer den Vorfall instrumentalisiert

Rechtsradikale versuchen den Vorfall zu nutzen, um Stimmung zu machen und Gewalt auf die Straße zu tragen. Zwischenfälle mit Migranten in Chemnitz waren in den vergangenen Wochen bereits in den sozialen Netzwerken breit ausgewälzt worden. Das Klima in Chemnitz war entsprechend bereits vor dem Tötungsdelikt hitzig.

Zu der unangemeldeten "Demonstration" am Sonntagnachmittag mobilisierten die laut Verfassungsschutz rechtsextreme Hooligan-Gruppe "Kaotic Chemnitz" und die AfD. Daraufhin musste das Stadtfest aus Sicherheitsgründen abgebrochen werden – zunächst hatten die Veranstalter erklärt, aus Pietät das Fest zu beenden. Laut Polizei gedachten rund 100 Menschen ab 15 Uhr friedlich am Tatort – und entfernten sich danach wieder. Die AfD Chemnitz schildert allerdings auf Facebook, die eigene "Spontandemo der Trauernden und Wütenden" sei "auf weit über 1000 Teilnehmer" angeschwollen.


Insgesamt erschienen laut Polizei ab 16 Uhr etwa 800 Personen. Im Aufruf der Hooligan-Gruppe heißt es, man wolle "gegen Ausländerkriminalität" demonstrieren. Vereinzelt wurde der Aufmarsch in rechtsradikalen Zeichen als "Wende" und Beginn eines Aufstands bejubelt. Die Polizei war nur mit 60 bis 70 Beamten vor Ort.

"Die Personengruppe reagierte nicht auf die Ansprache durch die Polizei und zeigte keinerlei Kooperationsbereitschaft", steht im Polizeibericht zu den Geschehnissen. Demnach lief die Gruppe – anders als bei Demos üblich – unabgesprochen los und bewarf Polizisten mit Flaschen. Videos zeigen Angriffe auf Polizeibeamte und Hetzjagden auf Passanten. Die Polizei ermittelt in zwei Fällen wegen Körperverletzung, in einem Fall wegen Bedrohung, in einem Fall wegen Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte. Die Bundesregierung verurteilte die Vorfälle aufs Schärfste. Auch Sachsens Innenminister Roland Wöller verurteilte die rechte Gewalt.

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Bundestagsabgeordnete der AfD hingegen solidarisierten sich in sozialen Medien mit den Ausschreitungen der Rechtsextremen. Ein Abgeordneter rief unverhohlen zur Selbstjustiz auf – wie auch anonyme Accounts im Kurznachrichtendienst Twitter. Die Polizei Sachsen reagierte mit einer deutlichen Warnung.

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Am Montagabend kam es zu weiteren Versammlungen von Rechtsradikalen in Chemnitz. Auch eine Gegendemonstration wurde abgehalten. Die Opferberatung RAA Sachsen für Betroffene rechtsmotivierter und rassistischer Gewalt empfahl Migranten, "die Innenstadt ab Nachmittag großflächig zu meiden". Auch für Gegendemonstranten sei die Gefahr "sehr groß". Am Abend kam es bei Auseinandersetzungen am Rand der Kundgebungen zu mehreren Verletzten. t-online.de berichtete aus Chemnitz per Live-Ticker.

Die AfD gab an, mit den Demos am Montag nichts zu tun zu haben und kündigte eine Demo mit der fremdenfeindlichen Pegida für Samstag an. Die Chemnitzer Oberbürgermeisterin Barbara Ludwig zeigte sich von den Vorgängen entsetzt: "Dass es möglich ist, dass sich Leute verabreden, und damit eine Stadt in Angst versetzen, ist schon schlimm."

Verwendete Quellen
  • mit Material von Reuters, AFP, dpa
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