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CSU-Experte im Interview: "Der Machtkampf ist ein riskantes Spiel"


Interview zum Bayern-Machtkampf
"Das kann die CSU bis zur Wahl nicht vergessen machen"

t-online, Patrick Diekmann

03.12.2017Lesedauer: 6 Min.
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und der bayerische Finanzminister Markus Söder: CSU-Experte Weidenfeld geht davon aus, dass Joachim Herrmann gegen Söder im Kampf um das bayrische Ministerpräsidentenamt antreten wird.Vergrößern des BildesDer bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (l) und der bayerische Finanzminister Markus Söder: CSU-Experte Weidenfeld geht davon aus, dass Joachim Herrmann gegen Söder im Kampf um das bayrische Ministerpräsidentenamt antreten wird. (Quelle: dpa-bilder)
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Kurz vor der mit Spannung erwarteten Entscheidung zur Zukunft von CSU-Chef Horst Seehofer herrschen in der Partei Chaos, Ärger und Verwirrung. CSU-Experte Werner Weidenfeld spricht im Interview mit t-online.de über den Machtkampf in der Partei und erklärt das taktische Spiel des Ministerpräsidenten.

Ein Interview von Patrick Diekmann

Die ohnehin seit Wochen aufgewühlte Landtagsfraktion der CSU erlebte am Wochenende ein weiteres Erdbeben: Horst Seehofer will offenbar CSU-Vorsitzender bleiben, aber sein Amt als bayerischer Ministerpräsident abgeben. Am Montag will sich der 68-Jährige offiziell äußern – in Sondersitzungen von Landtagsfraktion und Parteivorstand. Seehofer steht seit dem CSU-Debakel bei der Bundestagswahl unter Druck, mindestens eines seiner beiden Spitzenämter abzugeben.

Unklar war am Sonntag, ob der bayrische Finanzminister Markus Söder der einzige Nachfolgekandidat für das Ministerpräsidentenamt ist oder ob auch Innenminister Joachim Herrmann kandidiert. Sollte der 61-jährige Herrmann tatsächlich seinen Hut in den Ring werfen, wäre eine Kampfabstimmung mit Finanzminister Markus Söder unausweichlich, der bisher als Nachfolge-Favorit gilt. Herrmann gilt als einer der loyalsten Unterstützer Seehofers, Söder als dessen größter Kritiker – damit würden sich die beiden Lager der CSU bei der Kandidatenkür offen gegenüberstehen.

t-online.de: Der Machtkampf in der CSU spaltet die Partei und steuert nun auf eine Entscheidung zu. Wie ist aktuell das Kräftegleichgewicht zwischen Söder und Seehofer in der CSU?

Werner Weidenfeld: Seehofer und Söder haben jeweils ein Drittel der Partei hinter sich. Also entscheidet das letzte Drittel, wer den Führungskampf gewinnt. Bei der Entscheidung für Seehofer oder Söder spielt oft taktisches Kalkül eine entscheidende Rolle. Ist eine Verbindung mit Söder oder mit Seehofer gewinnbringender für die jeweiligen Politiker? Söders Stellung in der Landtagsfraktion ist sehr stark, wogegen Seehofer bei den Mitgliedern Vorteile hat.

Prof. Dr. Dr. Weidenfeld ist Direktor des "Centrum für angewandte Politik" und Professor für Politische Wissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Deshalb der Vorstoß von Ilse Aigner?

Genau. Frau Aigner mag Söder nicht und hat plötzlich eine Mitgliederbefragung vorgeschlagen. Diese Aktionen geschehen mit viel taktischem Kalkül. Als Seehofer in Bedrängnis geriet nach der Bundestagswahl, hatte er die großartige Idee, einen Ältestenrat zu gründen. Er konnte davon ausgehen, dass er in diesem Rat eine Mehrheit hat und drängte Söder in die Defensive.

Hat die CSU schon einmal so einen Machtkampf erlebt?

Das ist im Grunde eine Tradition in der CSU. Der Machtkampf zwischen Edmund Stoiber und Theo Waigel hatte eine Intensität, die kaum zu überbieten ist. Bei Seehofer und Söder bekommen wir nur gelegentlich das Gefühl der Unverhältnismäßigkeit, weil die Auseinandersetzung sich schon Jahre hinzieht.

Es ist also traditionell ein Kampf um Macht in der Partei. Aber gibt es auch inhaltliche Unterschiede zwischen Seehofer und Söder?

Nein, es geht um Macht und um das Erscheinungsbild der CSU. Seehofer gehört traditionell eher zum sozialen Flügel der Partei, denn er ging auch beruflich vorher phasenweise in diese Richtung. Söder wird dem konservativen CSU-Flügel zugerechnet. Auf die CDU übertragen wäre er im Spahn-Flügel. Es ist also auch ein Hauch Richtungsfrage mit dabei, aber das ist nicht so ausgeprägt. Es geht vielmehr um das Gesamterscheinungsbild der CSU als um einzelne politische Unterschiede.

Noch einmal: Wo unterscheiden sich Seehofer und Söder inhaltlich konkret?

Es ist nicht so, als ob Seehofer eine Obergrenze für Flüchtlinge will und Söder fordert die nicht. Aber Söder steht stärker für Finanzstabilität und Seehofer für soziale Absicherung. Aber soweit liegen die Beiden nicht auseinander. Da müssen Sie eine Lupe benutzen, um die Unterschiede wahrzunehmen. Aber als CSU-Mandatsträger, der sich zwischen Seehofer und Söder entscheiden muss, haben diese minimalen inhaltlichen Unterschiede kaum Auswirkungen. Seehofer hat den Vorteil, dass er schon viele Jahre in unterschiedlichen Ämtern Verantwortung trägt. Aber auch Söder wird geschätzt, weil er als Finanzminister Wohltaten in Bayern verstreut. Ansonsten unterscheiden sie sich vom Alter und von der Rhetorik.

Was spricht neben dem schlechten CSU-Wahlergebnis bei der Bundestagswahl gegen Seehofer?

Seehofer hat schon vor Jahren damit gespielt, 2018 nicht mehr anzutreten. Aber er ist ein taktischer Spieler, der häufig seine Positionen in diesem Machtspiel wechselt. Das merken sich die Leute natürlich.

Und wer steht in diesem Machtspiel hinter Seehofer und wer hinter Söder?

Viele der Parteiprominenz, Alexander Dobrindt, Andreas Scheuer, Ilse Aigner, stehen hinter Seehofer. Die Landtagsfraktion steht mehrheitlich hinter Söder.

Warum?

Weil die Politiker sich für den Kandidaten entscheiden, der für ihre eigene politische Karriere am vielversprechendsten erscheint.

Auch Joachim Herrmann hat angekündigt, bayerischer Ministerpräsident werden zu wollen, sollte Seehofer verzichten. Warum gerade jetzt?

Herrmann hat seine Karten schon seit längerer Zeit im Spiel. Hätte er 2008 kampfesfreudig zugegriffen, hätte die Landtagsfraktion ihn wohl Seehofer vorgezogen. Die Stellung von Hermann ist in der CSU relativ stark, weil er ein integrativer Typ ist. Außerdem setzt er sich im Amt des bayerischen Innenministers sehr für innere Sicherheit ein und das kommt gut an. Er polarisiert nicht. Seine Reden und Diskussionsbeiträge sind freundlich und verbindlich. Er formuliert lieber etwas unscharf im Ton als Leute zu verprellen.

Warum griff er nicht früher in den Machtkampf ein?

Herrmann greift zu, wenn er merkt, dass es höchste Zeit ist und er sich stellen muss. Seehofer hat ihn in die Rolle des Spitzenkandidaten bei der Bundestagswahl hineingedrängt. Da hatte sich Herrmann nicht aufgedrängt. Zu Hermanns Naturell passt dieses Amt des Ministerpräsidenten und deshalb würde es mich überhaupt nicht überraschen, wenn er sich stellen würde. Für ihn ist es die letzte Chance. Wenn er diese nicht ergreift, wäre es sein politischer Abschied gewesen.

Auch, weil er kein Bundestagsmandat bekommen hat?

Ja, genau.

Wer unterstützt Herrmann in der CSU?

Die Seehofer-Leute und diejenigen, die jetzt nicht voll hinter Söder stehen. Die Verbindlichkeit und Integrationsfreude, die Herrmann ausstrahlt, die spricht die ganzen nicht scharf polarisierenden Typen in der CSU an.

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Hat Seehofer mit diesem Manöver, Herrmann in Stellung zu bringen, seinen Parteivorsitz gesichert?

So etwas hat Seehofer im Hinterkopf. Davon können Sie ausgehen. Seehofer kämpft sehr stark um sein politisches Vermächtnis: Was bleibt von ihm in der Geschichte übrig? Deshalb hat er einen gewissen Drang nicht einfach aufzuhören, denn was dann von ihm in der Geschichte übrig bleiben würde, wäre dieser Schlusskampf. Daran hat er kein Interesse.

Spielt es Seehofer in die Karten, dass Herrmann und Söder beide Franken sind?

Bei den Auswahlvorgängen spielen natürlich die regionalen Proporzfragen eine Rolle. Insofern ist es für das Seehofer-Lager natürlich ein Riesenvorteil, dass Herrmann aus der gleichen Region wie Söder kommt. Das schadet Söder, denn so stehen die Franken nicht geschlossen hinter ihm. Herrmann verhindert diese Art regionaler Geschlossenheit.

Ihre persönliche Einschätzung: Wer ist Favorit im Machtkampf?

Da halte ich mich zurück. Ich gehe davon aus, dass die CSU am Ende so klug ist, mehrere Spitzentalente einzubinden.

Das hat man in der Vergangenheit mit Söder nicht gemacht.

Söder hat mehr Talkshowauftritte als Seehofer gehabt. Da tritt er ganz kommunikativ, freundlich und verbindlich auf und macht kein schlechtes Bild.

Weil Seehofer nie kommt, wenn man ihn einlädt.

Seehofer ist jemand der machtpolitisch sprunghaft ist. Er sagt ihnen heute, dass Problem wollen wir so lösen und morgen lächelt er darüber. Diese Art Machtspiel mit großem, taktischem und sprunghaftem Vermögen hat er über Jahre vorgeführt. Das ist eine große Inszenierung. Es war auch immer ein taktisches Spiel von Seehofer, sich immer neue Kronprinzen aus der Tasche zu ziehen.

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Dieser Machtkampf läuft vor dem Hintergrund einer möglichen Neuauflage der Großen Koalition. Hat dieses Spiel den Interessen Bayerns auf bundespolitischer Ebene geschadet?

Nein, diese Machtauseinandersetzung hat Seehofers Stellung, der als der starke Vertreter Bayerns und der CSU auftrat, stabilisiert. Das war sein taktisches Kalkül und diese „Berlin-Rolle“ hat ihn gestärkt. Sie hören selbst aus dem Söder-Lager, dass Seehofer Parteivorsitzender bleiben sollte, weil sie ihn in Berlin brauchen. Die Leute haben ihn täglich erlebt, wie er sich dort für Bayern und die CSU eingesetzt hat und das hat seine Lage stabilisiert. Seine Chancen an Bord zu bleiben, wären davor, ohne das, viel geringer gewesen.

Laut einer aktuellen Umfrage wünscht sich eine Mehrheit der Bayern bei der Landtagswahl 2018 keine neue absolute Mehrheit der CSU. Ist dies auch ein Resultat der aktuellen Streitigkeiten?

Für die alten Höhenflüge in Bayern müsste sich die CSU sehr anstrengen. Bei der nächsten Landtagswahl wird es noch schwerer, weil die CSU die ganzen Querelen bis zur Wahl nicht vergessen machen kann. Der Kampf gegeneinander bleibt ein Stück weit bei den Wählern hängen. Die CSU wirkt uneinig und das ist ein riskantes Spiel für die Partei.

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