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Jonny-K.-Prozess: viereinhalb Jahre Haft für Alexanderplatz-Schläger


Jonny-K.-Prozess
"Mischung aus Dummheit, Arroganz, Unverschämtheit und Aggressivität"

Von afp, t-online, dpa
Aktualisiert am 15.08.2013Lesedauer: 4 Min.
Der mutmaßliche Haupttäter versteckt sich im Gerichtssaal hinter einer Zeitung.Vergrößern des BildesDer mutmaßliche Haupttäter versteckt sich im Gerichtssaal hinter einer Zeitung. (Quelle: dpa-bilder)
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Zehn Monate nach der tödlichen Prügelattacke auf Jonny K. am Berliner Alexanderplatz müssen sechs junge Männer für mehrere Jahre ins Gefängnis. Das Landgericht verurteilte den Ex-Boxer Onur U. als Haupttäter zu viereinhalb Jahren Jugendhaft wegen Körperverletzung mit Todesfolge.

Die anderen Schläger im Alter zwischen 19 und 25 Jahren bekamen wegen gefährlicher Körperverletzung Haftstrafen von bis zu zwei Jahren und acht Monaten. Der Vorsitzende Richter sprach in der Urteilsbegründung von einer "Mischung aus Dummheit, Arroganz, Unverschämtheit und Aggressivität".

Verteidigung will in die Revision

Der Verteidiger des Haupttäters hat bereits angekündigt, in Revision zu gehen. "Das Urteil ist deutlich zu hoch", sagte Anwalt Axel Weimann. Onur U. sei fassungslos, er habe sich nicht vorstellen können, dass er wegen einer Tat verurteilt werde, die er nicht begangen habe. "Das Urteil ist nicht richtig. Es entspricht nicht der Wahrheit."

Der Anwalt von Jonnys Schwester, Tina K., sprach dagegen von einem "ausgewogenen und angemessenen Urteil". Tina K. sagte, sie sei froh, dass alle Angeklagten Haftstrafen bekommen hätten. Trotzdem wisse sie immer noch nicht, wer ihren Bruder getötet habe. "Es gibt keine gerechte Strafe." Reue habe sie bei allen Männern nicht erkennen können.

Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) sagte: "Die Frage, ob das ein angemessenes Urteil ist, ist schwer zu beantworten. Kein Richterspruch bringt den jungen Jonny zurück, und sein Tod lässt sich nicht in Haftjahren aufwiegen." Er ergänzte: "Dennoch ist es ein wichtiges Zeichen, dass die Schläger, die soviel Schuld auf sich geladen haben, nicht frei nach Hause gehen können."

Tod durch Gehirnblutung

Jonny K. war in der Nacht zum 14. Oktober 2012 mit Freunden nach einer Feier auf dem Weg nach Hause, als er in der Nähe des Alexanderplatzes von Unbekannten angegriffen und mit Schlägen und Tritten malträtiert wurde. Der junge Berliner starb wenig später an Gehirnblutungen.

Die Angreifer kannten Jonny K. nicht. Ob er durch einen Sturz auf das Straßenpflaster oder die Misshandlungen starb, konnte nicht mit letzter Sicherheit geklärt werden. Bei dem Angriff war auch ein Freund des 20-Jährigen schwer verletzt worden. Jonny K. hatte ihm beistehen wollen.

Der Vorsitzende Richter Helmut Schweckendieck sagte: "Es hat sich eine Tragödie abgespielt, bei der ein hilfsbereiter junger Mann ohne Anlass sein Leben verlor." Das Geschehen habe nicht lückenlos geklärt werden können. Die Angeklagten hätten nicht alles zu ihrer Tatbeteiligung gesagt.

Onur U. gilt als Anführer

Doch Onur U. habe den ersten Schlag gesetzt - einen wuchtigen Faustschlag ins Gesicht - und damit das Signal für die Gruppe zum Zuschlagen gegeben. Es habe mindestens drei Fußtritte gegeben, als Jonny schon am Boden gelegen habe.

Die Männer hatten im Prozess zwar Schläge und Tritte eingeräumt, aber keine Verantwortung für den Tod von Jonny K. übernommen. Teilweise beschuldigten sie sich gegenseitig. Der 20 Jahre alte Onur U. hatte einen Angriff auf das schmächtige Opfer bis zuletzt bestritten.

Kein Tötungsvorsatz nachweisbar

Die Staatsanwaltschaft hatte für den Hauptverdächtigen wegen Körperverletzung mit Todesfolge die Höchststrafe von fünfeinhalb Jahren gefordert. Für die fünf mutmaßlichen Mittäter im Alter von 19 bis 25 Jahren wurden Haftstrafen wegen gefährlicher Körperverletzung zwischen zweieinhalb und drei Jahren gefordert, teilweise nach Jugendstrafrecht.

Die Angehörigen und Freunde reagierten bereits im Vorfeld teilweise mit Wut auf das geforderte Strafmaß. Es ist in ihren Augen zu gering. Aber die Staatsanwaltschaft erklärte, dass eine Anklage wegen Mordes oder Totschlags nicht infrage käme, weil es keinen Tötungsvorsatz gegeben habe. Das hätten die gerichtsmedizinischen Untersuchungen und die übrigen Ermittlungen ergeben.

Die Jugendgerichtshilfe hatte sich für drei der sechs Angeklagten gegen Gefängnisstrafen ausgesprochen. Sie argumentierten, dass bei den 19 und 20 Jahre alten Männern Reifeverzögerungen vorlägen. Das Gericht ist an die Empfehlungen jedoch nicht gebunden.

Tina, die Schwester von Jonny K., mochte sich nicht vorstellen, dass Onur U. mit einer Bewährungsstrafe davonkommt, wie es sein Anwalt forderte. "Es kann doch nicht sein, dass man nicht mehr auf die Straße gehen kann, weil jemand reifeverzögert ist. Aber es bleibt die Frage, welche Strafe überhaupt gerecht wäre. Welche Strafe würde diese Täter denn zum Nachdenken bringen?"

Die Verteidiger hatten für alle sechs Angeklagten Bewährungsstrafen beantragt. Anwalt Axel Weimann hatte gesagt, eine Schuld von Onur U. am Tod von Jonny K. sei nicht nachzuweisen. U. hatte ausgesagt, er habe nicht Jonny K. geschlagen, sondern dessen Freund.

Schwester glaubt Ex-Boxer Reue nicht

Der Ex-Boxer, der keinen Beruf erlernt hat, entschuldigte sich in seinem Schlusswort bei der Familie des Opfers. "Ich kann dir in die Augen gucken, ich habe die Wahrheit gesagt", sprach er die Schwester von Jonny K. direkt an. Tina K. trat im Prozess als Nebenklägerin auf. Sie engagiert sich seit dem Tod ihres Bruders gegen Gewalt und für Zivilcourage.

Sie nimmt Onur U. keine ehrlichen Gefühle ab. "Der guckt mich immer so durchdringend an und grinst und sein Hemd ist weit aufgeknöpft. Er kann nicht einmal vernünftig dasitzen. Wie kann man so posieren, wenn man wegen Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt ist?“, sagte sie der "Berliner Zeitung".

Onur U. hatte die Justiz über Monate in Atem gehalten. Er war nach dem Angriff in der Türkei untergetaucht. Erst nach langem Tauziehen stellte er sich im April den deutschen Behörden. Er sowie ein weiterer Verdächtiger sitzen noch in U-Haft. Ein erster Prozessanlauf war wegen Befangenheit eines Schöffen geplatzt.

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