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Strategiewechsel im Ukraine-Krieg? China lockt den Westen in eine Falle


Ukraine-Krieg
China lockt den Westen in die Falle

Von Patrick Diekmann

Aktualisiert am 23.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Russland im Jahr 2018: Der chinesische Präsident Xi Jinping besucht seinen Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau. In den vergangenen Jahren hat sich das russisch-chinesische Bündnis gefestigt.Vergrößern des Bildes
Russland im Jahr 2018: Der chinesische Präsident Xi Jinping besucht seinen Amtskollegen Wladimir Putin in Moskau. In den vergangenen Jahren hat sich das russisch-chinesische Bündnis gefestigt. (Quelle: Kremlin Pool/imago images)

Die Erwartungen an den chinesischen "Friedensplan" für die Ukraine sind im Westen nicht hoch. Im Gegenteil: Es herrscht Angst, dass Xi Jinping Putins Krieg nun stärker unterstützen könnte.

Wladimir Putin hat seit dem Beginn seines Angriffskrieges in der Ukraine nicht mehr viele Freunde. Der Kreml scheint dieser Tage froh zu sein, wenn sich ein anderer Verbündeter als der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko nach Moskau verirrt. Deswegen wurde der chinesische Chefdiplomat Wang Yi mit besonders viel Aufmerksamkeit in der russischen Hauptstadt empfangen. Er trifft nicht nur den russischen Außenminister Sergej Lawrow, sondern auch Putin.

Das zeigt vor allem eines: Russland hat sich durch die Invasion in der Ukraine und durch den Konflikt mit dem Westen in eine existenzielle Abhängigkeit zur Volksrepublik begeben. Wo vorher Skepsis zu China überwog, herrscht nun Gleichschritt. Wo es vor einem Jahr noch eine machtpolitische Rivalität gab, ordnet sich Russland nun unter. Putin hat keine andere Wahl mehr.

Video | Chinas oberster Diplomat in Moskau
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Quelle: Reuters

China stellt sich im Ukraine-Konflikt nun immer deutlicher auf die Seite des Kremls. Aus der Perspektive Pekings erscheint der Konflikt mit den USA um eine neue Weltordnung als viel wichtiger als die Souveränität der Ukraine. Deshalb erwartet man im Westen von der bei der Münchner Sicherheitskonferenz angekündigten "Friedensinitiative" Chinas keine Lösung für den Konflikt, sondern vielmehr eine Falle.

Xi steht an der Seite Putins

China agierte im Ukraine-Krieg bislang zurückhaltend, spielte oft mit einer Doppeldeutigkeit. Gleichzeitig hatte man in Peking Sorge, auch zum Ziel westlicher Sanktionen zu werden. Deswegen gab es für die russische Armee bislang keine Waffenhilfe aus China, zumindest nicht offiziell.

Trotzdem gibt es keinen Zweifel daran, wo Xi Jinping in diesem Konflikt steht: an der Seite von Putin.

Mittlerweile kommen wichtige Halbleiter für die russische Rüstungsproduktion aus der Volksrepublik, und die USA werfen China vor, die russische Söldnertruppe Wagner mit Satellitenaufklärung zu unterstützen. Auch die Lieferung von chinesischen Waffen ist wahrscheinlich keine rote Linie. Militärexperte Gustav Gressel geht im Interview mit t-online davon aus, dass diese bereits über Nordkorea nach Russland kommen.

Putin ist in einem langen Abnutzungskrieg mit der Ukraine, die vom Westen unterstützt wird, zwingend auf Waffen aus dem Ausland angewiesen – und die Hilfe aus dem Iran oder Nordkorea reicht auf Dauer nicht. Deswegen braucht er Peking, die zweitgrößte Militärmacht der Erde.

Überschreitet China eine "rote Linie"?

Im Westen scheint man diese Gefahr ernst zu nehmen, es herrscht Alarmstimmung. Jegliche Waffenlieferungen an Russland würden "ernste Probleme" im amerikanisch-chinesischen Verhältnis verursachen, drohte US-Außenminister Antony Blinken. Damit wäre "eine rote Linie" überschritten, sagte auch der EU-Chefdiplomat Josep Borrell. Auch US-Geheimdienste werfen der Volksrepublik vor, bereits Waffen nach Russland zu schicken.

China weist das zurück, auch der Kreml streitet ab. Washington verbreite "falsche Informationen", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin. Es seien die USA, die Waffen auf das Schlachtfeld lieferten, nicht China. Die USA hätten kein Recht, Forderungen an China zu stellen, so Wang Wenbin. China akzeptiere "weder Druck noch Zwang" in seinen Beziehungen zu Russland.

Und dieses Signal sendete Chinas oberster Außenpolitiker Wang Yi auch in Moskau in die Welt. Er betonte Pekings Bereitschaft, "die strategische Partnerschaft (...) und die Zusammenarbeit in alle Richtungen" mit Moskau zu stärken. Die russisch-chinesischen Beziehungen seien "nicht gegen Drittländer gerichtet und widerstehen deren Druck", sagte er.

Doch was bedeutet das? Zumindest ist klar, dass China wahrscheinlich keinen Druck auf Putin ausüben wird, damit dieser seinen Krieg beendet.

"China möchte, dass der Krieg endet"

Das hängt aber vor allem damit zusammen, dass Xi nicht möchte, dass der Kremlchef den Krieg verliert. Xi Jinping braucht Putin in einem neuen "Kalten Krieg" mit den USA. Die chinesische Führung sieht sich zusammen mit Russland als Ordnungsmacht in Asien und möchte aus eigenen sicherheitspolitischen Gründen verhindern, dass eine mögliche Kriegsniederlage und ein Machtverlust für Putin eine große Atommacht wie Russland destabilisiert. Das wäre für Peking ein großes Problem.

Deshalb ist die Unterstützung für den Kreml für China das kleinere Übel. Der Krieg läuft schlecht für Putin, und in Peking hatte man wahrscheinlich gehofft, dass der Konflikt schnell von Russland gewonnen werde. "Ich denke, dass China wirklich möchte, dass der Krieg endet", sagte die China-Expertin Yun Sun von der US-Denkfabrik Stimson Center der Deutschen Presse-Agentur und fügte hinzu: "Eine komplette Niederlage Russlands ist nicht in Chinas Interesse."

Aber nach zwölf Monaten, in denen es chinesische Strategie war, sich bloß nicht zu weit in den Sturm zu lehnen, geht das nicht mehr auf. Im Gegenteil: China möchte die dominierende Supermacht werden und kann es sich politisch nicht mehr leisten, diese Krise auszusitzen. Deswegen kommt die Verkündung der chinesischen "Friedensinitiative" – auch symbolisch am 24. Februar, nach genau zwölf Monaten Krieg – wenig überraschend.

Chinas Falle kann gefährlich werden

Die Frage ist nun, ob die chinesische "Friedensinitiative" über den symbolischen Charakter der Ankündigung hinausgeht. "Wenn China sich nicht bewegt in diesem Konflikt, wird Peking zunehmend auch im Fahrwasser Russlands gesehen", erklärte China-Experte Mikko Huotari, Direktor des Mercator Institut for China Studies, dem ZDF. Nun bewegt sich China, aber wahrscheinlich aus Perspektive des Westens in die falsche Richtung.

Für die Volksrepublik ist es eine politische Zerreißprobe. Einerseits blickt Peking mit Sorge darauf, dass sich langsam Länder wie Indien in Richtung Westen positionieren. Andererseits ist Putins Krieg auch in China selbst umstritten. Es gibt viele Hardliner, die den Konflikt mit dem Westen verschärfen möchten, und es gibt den Teil der chinesischen Öffentlichkeit, der sich aus wirtschaftlichen Gründen gute Beziehungen wünscht. Für Präsident Xi ist das ein Dilemma, zumal die Volksrepublik noch mit den wirtschaftlichen Folgen der Null-Covid-Politik ringt.

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Deswegen sucht China nach Verbündeten, Wang Yi besuchte neben Russland in Europa auch Frankreich, Italien und Ungarn. Westliche Diplomaten befürchten, dass China nun eine Initiative vorlegt, die als ersten Schritt das Ende westlicher Waffenlieferungen für die Ukraine vorsieht. Das könnte Kiew natürlich nicht annehmen, weil Russland sich in dieser Zeit für einen neuen Angriff stärken und das besetzte Gebiet in der Ukraine konsolidieren könnte.

Aber es würde China in diesem Fall auch nicht um Frieden gehen, es wäre offensichtlich eine Falle.

Kampf um das dominierende Narrativ

Denn China möchte in jedem Fall wankelmütigen Staaten im westlichen Bündnis einen alternativen Kurs bieten, um die USA und ihre Verbündeten insgesamt zu schwächen. Diplomatische Kreise im Westen sind sich einig: Ein solches Vorgehen wäre strategisch für China klug, für Europa und die USA aber brandgefährlich.

Deswegen versuchen westliche Politiker dem zuvorzukommen. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz machten Blinken, Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und ihr ukrainischer Amtskollege Dmytro Kuleba klar: Die Ukraine werde keinen Diktatfrieden akzeptieren und die Wiederherstellung des ukrainischen Territoriums sei nicht verhandelbar.

Letztlich ist der Ukraine-Konflikt auch ein Kampf der Großmächte um Narrative. "Wir erreichen neue Horizonte", sagte Putin am Mittwoch mit Blick auf die russisch-chinesischen Beziehungen. So romantisch sieht China die Beziehungen zu Russland nicht. Vielmehr ist es für Peking ein Zweckbündnis, das jedoch viel stabiler ist, als es sich der Westen wünschen würde.

Verwendete Quellen
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