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Ukraine-Krieg | "Geister von Bachmut": Das berichten Elite-Soldaten


"Geister von Bachmut"
Das berichten ukrainische Elitesoldaten von der Front

Von t-online, aj

Aktualisiert am 01.08.2023Lesedauer: 4 Min.
Ein ukrainischer Sniper schaut auf eine Putin-Zielscheibe (Archivbild): "Ein Ziel, ein Schuß"Vergrößern des BildesEin ukrainischer Sniper schaut auf eine Putin-Zielscheibe (Archivbild): "Ein Schuss, ein Ziel" (Quelle: IMAGO/Borja Sánchez Trillo)
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20 ukrainische Elitesoldaten kämpfen in Bachmut als Spezialeinheit gegen russische Truppen. Die BBC hat sie bei einem Einsatz begleitet.

Die ukrainischen Streitkräfte versuchen derzeit, die Kontrolle über Bachmut zurückzugewinnen. Der britische Sender BBC hat nun einen beeindruckenden Bericht veröffentlicht, in dem von den Erfahrungen eines berüchtigten Teams von Elitesoldaten aus der Stadt im Osten des Landes berichtet wird. Die ukrainischen Scharfschützen kämpfen seit sechs Monaten im Team gegen hochrangige russische Ziele. Sie agieren dabei geräuschlos und fast unsichtbar im Dunkel der Nacht. An der Front sind sie als die "Geister von Bachmut" bekannt.

"Als wir damit begannen, Terror nach Bachmut zu bringen, bekamen wir den Namen 'Die Geister von Bachmut'", erklärt der Kommandeur der 20-köpfigen Gruppe namens Ghost dem BBC-Team. Er habe jedes einzelne Teammitglied persönlich ausgewählt und betonte, dass für ihn nicht die militärische Erfahrung, sondern die "Menschlichkeit und der Patriotismus" seiner Soldaten zählten. Die Journalisten führt er zu einem Ort, den er als "Rand der Existenz" bezeichnet – den Stützpunkt der Gruppe am Rande der Stadt, der bereits in Reichweite russischer Artillerie liegt. Von dort aus ziehen die Scharfschützen in kleinen Teams nach Sonnenuntergang los.

"Nur ein Narr hätte keine Angst"

524 russische Soldaten hat das Team nach eigenen Angaben schon getötet. "76 davon gehören mir", sagt der Anführer Ghost. Von den eigenen Männern ist bislang noch keiner gestorben, auch wenn es schon viele Verletzungen gab. Das Team zeichnet jeden Schuss durch das Visier seiner Gewehre elektronisch auf.

Einer der Scharfschützen der Gruppe, der sich Kuzia nennt, erklärt: "Das ist nichts, worauf man stolz sein kann. Wir töten keine Menschen, wir vernichten den Feind." Vor dem Krieg habe er in einer Fabrik gearbeitet. Er habe Waffen nie besonders gemocht, sich aber nach der Invasion Russlands gezwungen gefühlt, sie in die Hände zu nehmen. "Natürlich habe ich Angst – nur ein Narr hätte keine Angst", so Kuzia gegenüber der BBC.

Die Schilderung des BBC-Reporters von einem Einsatz der Männer verdeutlicht, wie riskant diese sind. An jenem Abend wird der Schütze von einem Beobachter sowie einem Fahrer und dem BBC-Team begleitet. Der Fahrer bringt die Männer in einem gepanzerten Humvee so nah wie möglich an die Front. Bevor sie losfahren, bekreuzigen sie sich. Dann bringen die Schützen sich mit einem ukrainischen Rap-Song in Stimmung. Der Song soll auch die Geräusche einschlagender Granaten während der Fahrt übertönen.

Der BBC-Reporter berichtet, wie der Fahrer mit hoher Geschwindigkeit über die Schlaglochpisten rast, vorbei an Minenfeldern und zerstörten ukrainischen Panzerfahrzeugen. Die Strecke werde von russischer Artillerie beschossen, erzählen die Ukrainer, daher müssten beim Fahren die Scheinwerfer ausbleiben.

"Ein Schuss, ein Ziel"

Dann geht es plötzlich schnell: Die Gruppe hält in der Nähe einer Hausruine an. Die letzten Kilometer bis zum Ziel müssen sie zu Fuß zurücklegen. Das Team öffnet die Türen. Der Fahrer ruft ihnen noch "Gott sei mit dir" zu, dann verschwindet das Duo in die Dunkelheit. Der Fahrer mit dem Rufnamen Kusch sagt den Journalisten über seine Arbeit, dass die Gruppe zwar den Krieg nicht gewinnen oder gar Bachmut zurückerobern werde. Dennoch habe die unsichtbare "Jagd" auf die russischen Soldaten einen psychologischen Effekt auf den Feind.

Auch als das Scharfschützen-Duo zum Wagen zurückkommt, bleibt es dramatisch. Der BBC-Reporter berichtet, wie sich ein orangefarbener Blitz am Himmel entlädt und es laut knallt. Ein Granatsplitter zerreißt den hinteren Reifen ihres Gefährts. Es sei ein nervenaufreibendes Hin-und-her-Humpeln zurück zur Basis gewesen.

Das Ziel der Mission war ein russischer Maschinengewehrschütze, der nahe der Frontlinie auf ukrainische Truppen geschossen habe. "Ein Schuss, ein Ziel": fasst Schütze Kuzia dies zusammen.

Der Kommandeur der Gruppe hat während des Einsatzes mit einem weiteren Teammitglied an der Basis gewartet. Dort sollen sie sich nervös an ihre Funkgeräte geklammert haben, um Neuigkeiten rasch zu erfahren. Als das Team zurückkam, habe Anführer Ghost seine siebenjährige Tochter angerufen und sie auf Lautsprecher gestellt. "Ich liebe dich, Papa" habe sie aufgeregt gerufen. Es sei ein kurzer Moment der Normalität gewesen. Dann aber sofort wieder Ernüchterung: Ghost habe ihr bereits beigebracht, wie man eine Waffe entsichert. "Jede Reise könnte unsere letzte sein, aber wir vollbringen eine edle Tat", sagt der Anführer Ghost der BBC.

Gegenoffensive bleibt bislang hinter Erwartungen zurück

Die Ukraine verteidigt sich mit westlicher militärischer Hilfe seit über 17 Monaten gegen den russischen Angriffskrieg. Die lange angekündigte ukrainische Gegenoffensive ist bisher hinter den hohen Erwartungen zurückgeblieben.

Im ostukrainischen Gebiet Donezk seien bei der russisch kontrollierten Stadt Bachmut weitere zwei Quadratkilometer hinzugekommen, hatte Kiew vergangene Woche mitgeteilt. Damit sind demnach seit dem Beginn der ukrainischen Gegenoffensive vor etwa acht Wochen insgesamt etwas mehr als 240 Quadratkilometer zurückerobert worden.

Russland kontrolliert einschließlich der bereits 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim weiterhin mehr als 100.000 Quadratkilometer ukrainischen Staatsgebiets.

Verwendete Quellen
  • bbc.com: "Ukraine war: 'People call us the Ghosts of Bakhmut'" (englisch)
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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