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Ukraine-Krieg | Deutsche Marschflugkörper: "Nicht schon wieder, Herr Kanzler"


Deutsche Marschflugkörper für die Ukraine?
Das wird Putin freuen

MeinungVon Patrick Diekmann

04.08.2023Lesedauer: 3 Min.
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Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius: Die Bundesregierung möchte aktuell keine "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine liefern.Vergrößern des Bildes
Kanzler Olaf Scholz und Verteidigungsminister Boris Pistorius: Die Bundesregierung möchte aktuell keine "Taurus"-Marschflugkörper an die Ukraine liefern. (Quelle: IMAGO/Thomas Trutschel/photothek.de/imago images)

Die Ukraine braucht zwingend Marschflugkörper, um weitere Teile ihres Staatsgebietes befreien zu können. Während Großbritannien und Frankreich liefern, zögert Deutschland. Davon profitiert vor allem Wladimir Putin.

Die Verantwortung eines Regierungschefs ist oft auch eine Bürde. Besonders in Krisenzeiten ist Abwägen wichtig, in Kriegszeiten ist das sogar von existenzieller Bedeutung.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) wägt seit dem Beginn des russischen Angriffskrieges in der Ukraine ab und das ist richtig. Ein Kanzler muss mögliche Eskalationsszenarien bei seinen Entscheidungen berücksichtigen, denn immerhin ist Russland eine Atommacht. Doch es gibt ein Problem.

Deutschland lässt sich für Entscheidungen oft zu viel Zeit. Scholz wägt eben nicht nur ab, er zögert. Das kostet vor allem der ukrainischen Armee wertvolle Zeit und Menschenleben. Der Beweis dafür liegt auf der Hand: Die Ukraine hat massive Probleme bei ihrer Gegenoffensive, weil der Westen mit Waffenlieferungen zu lange gezögert hat. Russland konnte Verteidigungslinien aufbauen. Die Bundesregierung aber scheint aus diesem Fehler nicht gelernt zu haben.

Verspielen erneut wichtige Zeit

Nun geht es in der Waffendebatte nicht mehr um Panzer, sondern um Marschflugkörper mit größerer Reichweite. Die Ukraine setzt diese schon jetzt effektiv ein, um russische Waffendepots, Versorgungslinien und Logistikpunkte weiter hinter den Frontlinien anzugreifen. Diese gezielten Attacken sind äußerst schmerzhaft für Wladimir Putin, doch die ukrainische Armee braucht mehr von diesen Waffensystemen. Und wie es der Zufall will, hat die Bundeswehr mehrere hundert Marschflugkörper vom Typ Taurus mit einer maximalen Reichweite von 500 Kilometern in ihren Beständen.

Die Bundesregierung sieht dagegen laut Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) "den Zeitpunkt für eine Entscheidung noch nicht gekommen". Die Frage ist: Wann ist der richtige Zeitpunkt? Wenn die Ukraine ihre Bestände an Marschflugkörper verschossen hat, ist es zu spät. Denn auch das Taurus-System müsste erst in die ukrainische Armee integriert werden. Deutschland verspielt in der Frage wichtige Zeit, schon wieder.

Die Gründe dafür sind nicht wirklich plausibel. Großbritannien unterstützt die Ukraine seit dem Frühling mit Storm-Shadow-Marschflugkörpern. Frankreich kündigte auf dem Nato-Gipfel im Juli an, Scalp-Marschflugkörper zu schicken. Taurus-Lieferungen wären demnach kein deutscher Alleingang, den Scholz immer vermeiden will.

Immer im Fahrwasser der USA?

Es scheint in Berlin die Sorge vorzuherrschen, dass die Ukraine damit russisches Staatsgebiet angreifen könnte. Aber bislang hat sie das nicht getan, im Gegenteil: Kiew hält sich an die Absprachen mit dem Westen und das hat Sinn. Denn wenn die Ukraine das nicht täte, würde sie das Fundament für weitere Lieferungen zerstören.

Deutschland sollte der Ukraine vertrauen und daran glauben, dass sie ihr Staatsgebiet befreien kann. Leider fehlt in Berlin gelegentlich dieser Glaube, und die militärische Stärke Russlands wird noch immer überschätzt – trotz der massiven Probleme, die Putins Armee in der Ukraine hat. Abwägen ist wichtig, doch es braucht auch Konsequenz der Bundesregierung und einen Plan, der sich an dem Szenario eines langen Abnutzungskrieges orientiert. Denn dieser ist Realität.

Dagegen scheint sich Scholz vor allem an den USA zu orientieren, die auch noch keine Marschflugkörper liefern. Doch kann es nicht die deutsche Strategie sein, in allen Fragen im Fahrwasser der Amerikaner zu schwimmen. US-Präsident Joe Biden steht im kommenden Jahr zur Wiederwahl und der Wahlkampf wird auch die US-Unterstützung für die Ukraine überschatten.

Putin profitiert von den langen Debatten

Das bedeutet vor allem eines: Die europäischen Nato-Mitglieder müssen mehr Verantwortung übernehmen.

Deutschland tut schon sehr viel, ist der zweitgrößte Waffengeber für die Ukraine. Aber es braucht mehr Flexibilität, denn die Anforderungen an benötigten Systemen ändern sich in diesem Krieg oft. Dabei ist auch Schnelligkeit gefragt. Selbst wenn durch lange Debatten und öffentlichen Druck auf den Kanzler viele Menschen in Deutschland mitgenommen werden können, gibt der Westen dem russischen Militär damit alle Zeit der Welt, um sich auf die neuen Gegebenheiten vorzubereiten. Das ist strategisch unklug.

Es hat fast ein Jahr gedauert, bis aus deutschen Helmen am Ende Panzer für die Ukraine wurden. Nun geht es um Marschflugkörper und auch hier sollte es heißen: besser heute als morgen. Denn vom deutschen Zögern profitiert am Ende nur einer: Wladimir Putin.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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