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Berlin-Debakel für SPD und Franziska Giffey: Das gibt's doch gar nicht!


Franziska Giffey
Das gibt's doch gar nicht!

  • Johannes Bebermeier
Von Johannes Bebermeier, Sven Böll

Aktualisiert am 13.02.2023Lesedauer: 5 Min.
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Die CDU siegt in Berlin – zum ersten Mal seit 1999. SPD-Kandidatin Giffey verliert ihr Direktmandat. (Quelle: Reuters)

Am Sonntagabend schien die Karriere von Franziska Giffey beendet zu sein. Zum dritten Mal innerhalb kurzer Zeit. Doch sie könnte ihrem politischen Aus erneut entgehen.

Franziska Giffey sieht an diesem Abend aus wie sieben Tage Regenwetter. So, als wolle sie allein mit ihrem Gesichtsausdruck Buße tun. Giffey zieht durch die Wahlsendungen, und bringt mit immergleicher finsterer Miene ihre immergleiche Botschaft unters Volk.

Es sei "ein schwerer Tag für die SPD", sagt sie, die mit ihrer SPD nun rund zehn Prozentpunkte hinter der erstplatzierten CDU liegt. "Wir haben gesehen, dass die Berliner sagen: Wir wollen, dass Dinge anders werden." Giffey sieht aus wie eine Regierende Bürgermeisterin auf Abschiedstournee. Und klingt meist auch so.

Doch es gibt an diesem Wahlsonntag in Berlin einen Satz von ihr, der so gar nicht passen will zum Sieben-Tage-Regenwetterblick. Und der geht so: "Wenn wir die Möglichkeit haben, ein Bündnis unter Führung der SPD zu bilden, dann ist auch klar, dass das unsere erste Priorität ist."

Franziska Giffey hat Erfahrungen mit steilen Aufstiegen. Von der kommunalen Ebene als Bezirksbürgermeisterin von Berlin-Neukölln hat sie es direkt zur sozialdemokratischen Hoffnungsträgerin als Bundesministerin für Familie gebracht. Doch Giffey hat auch Erfahrungen mit Beinahe-Abstürzen. Sie weiß, wie man schwere Niederlagen überlebt.

Und am Montagmorgen, als klar ist, dass die SPD mit hauchdünnen 105 Stimmen vor den Grünen liegt, könnte ihr diese Erfahrung gerade recht kommen. Wenn Giffey es in den nächsten Tagen und Wochen schafft, Grüne und Linke davon zu überzeugen, mit ihr weiterzuregieren, dann hätte sie es einmal mehr geschafft.

Sie wäre dann endgültig die politische Überlebenskünstlerin Franziska Giffey.

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Die Plagiate und der Plan B

Giffeys Karriere schien vor einigen Jahren schon einmal zu Ende zu sein. Nur ein Jahr, nachdem die in der SPD hochgelobte Politikerin Bundesfamilienministerin geworden war, tauchten Anfang 2019 Hinweise auf Plagiate in ihrer Doktorarbeit auf.

Giffey blieb ruhig. Oder stellte sich stur. Je nach Perspektive. Sie versicherte, die Arbeit "nach bestem Wissen und Gewissen verfasst" zu haben und wartete die offizielle Überprüfung der Freien Universität Berlin ab. Sie kündigte an, als Familienministerin zurücktreten zu wollen, wenn die Uni ihr die Promotion aberkenne.

Doch das dauerte. Und bot Giffey die Möglichkeit, parallel an ihrem Plan B zu arbeiten. Sie ließ sich erst zur Co-Vorsitzenden des Berliner SPD-Landesverbandes wählen und anschließend zur Spitzenkandidatin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin.

Als die Uni ihr im Juni 2021, wenige Monate vor der Wahl zum Abgeordnetenhaus, den Doktortitel tatsächlich entzog, trat Giffey zwar von ihrem Amt als Bundesfamilienministerin zurück. Aber sie entschied, dass das genug der Buße ist. Regierende Bürgermeisterin von Berlin wollte sie weiter werden. Und blieb Spitzenkandidatin. Ein riskantes Manöver.

Der 18-Uhr-Schock

Entsprechend dauerte es nicht lange, da schien die Karriere der Franziska Giffey zum zweiten Mal vorbei zu sein. Am 26. September 2021 wählten die Deutschen einen neuen Bundestag. Und die SPD war nach einem fulminanten Endspurt im Wahlkampf so stark, dass ein gewisser Olaf Scholz später sogar Bundeskanzler wurde. Die Grünen schnitten nach einer Kampagne voller Pannen viel schlechter ab als erhofft.

Doch bei der parallel in der Hauptstadt stattfindenden Wahl zum Abgeordnetenhaus schien der Bundestrend keine Rolle zu spielen. Als die ARD um kurz nach 18 Uhr ihre Prognose für das Landesparlament veröffentlichte, stieg der SPD-Balken nur auf 21,5 Prozent, bei den Grünen allerdings bis auf 23,5 Prozent. Dass das ZDF die Sozialdemokraten leicht vorn sah, war da nur ein schwacher Trost.

War's das wirklich? Es folgten quälende Stunden für Giffey, denn zunächst wurde die Bundestagswahl ausgezählt. Die erste Hochrechnung zur Landtagswahl veröffentlichte die ARD erst um kurz vor 20 Uhr – und wie in der Prognose lagen die Grünen vorn. Erst nach 21 Uhr drehten die Zahlen. Und als am Morgen danach das vorläufige Endergebnis vorlag, hatte sich die SPD tatsächlich 2,5 Prozentpunkte vor die Grünen geschoben.

Damit war klar: Der Senat aus SPD, Grünen und Linken macht weiter. Und Franziska Giffey wird die erste Regierende Bürgermeisterin Berlins.

Noch einmal wählen, bitte

Wie groß der Schlamassel in der Hauptstadt ist, wusste die neue Regierungschefin nicht nur aus ihrer Zeit im Bezirk Neukölln. Sie bekam es auch durch all die Pannen am Wahltag in voller Pracht mit. Was die Frau, die für eher pragmatische Politik steht, wohl nicht ahnte: Dass sie das prominenteste Opfer der Berliner Wurschtigkeit werden würde.

Mitte November 2022 ordnete der Berliner Verfassungsgerichtshof eine Wiederholungswahl an. Für den 12. Februar 2023. Giffey ist trotz ihrer erst 44 Jahre zu lang in der Politik, um nicht zu wissen, was ihr bevorstand: Ein Senat, der nicht mal in der Lage ist, ordnungsgemäße Wahlen zu veranstalten, muss in den tristesten Monaten, die das Berliner Jahr zu bieten hat, für sich werben.

Und anders als 2021 hatte sich der Bundestrend längst zugunsten der Grünen und der Union gedreht – auf Kosten der SPD. Na, Glückwunsch!

Die Wende erst ganz zum Schluss

Dass die Enttäuschung bei Giffey am Sonntagabend so groß war, lag auch an einer demoskopischen Illusion, die kurz vor dem Wahltag entstanden war: Die Umfragen sahen die CDU zwar deutlich vor der SPD. Die Sozialdemokraten lagen jedoch in einigen Umfragen ein paar Punkte vor den Grünen. Die Frage, wer in einem rot-grün-roten Bündnis künftig die Regierungschefin stellt, schien damit entschieden zu sein.

Doch dann erneut der 18-Uhr-Schock: Sowohl die ARD als auch das ZDF sahen SPD und Grüne gleichauf. Mal mit jeweils 18, mal mit jeweils 18,5 Prozent. Und als später eine Hochrechnung nach der anderen eintraf, wurde schnell klar, dass sich das Wunder von 2021 nicht wiederholt. Noch kurz vor Mitternacht lagen die Grünen knapp vor der SPD.

Erst die letzten Stimmbezirke brachten für Giffey und die SPD die Wende. Laut vorläufigem Endergebnis holten sie 105 Stimmen mehr als die Grünen. Und in der Demokratie zählt eben jede Stimme.

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Giffey weiß selbst, dass dieses Ergebnis für sie trotzdem einem Desaster gleichkommt. Keine Landesregierung wird so schlecht bewertet wie ihre. Und keine Ministerpräsidentin hat so miese Beliebtheitswerte wie sie. Alles nicht schön.

Aber eben auch alles Kriterien, die schon in wenigen Monaten wahrscheinlich keine Rolle mehr spielen. Denn wenn das endgültige Ergebnis dem vorläufigen entspricht, die SPD also weiterhin vor den Grünen liegt, hat Giffey ganz ordentliche Chancen, Regierende Bürgermeisterin zu bleiben: Warum sollten die Sozialdemokraten in einem solchen Fall Juniorpartner der CDU werden? Und warum sollten die Grünen die Seiten wechseln, wenn sie mit SPD und Linken viel mehr von ihrem Programm durchsetzen können?

Möglich also, dass Giffey bald einen rot-grün-roten Senat anführt, der angesichts des Wahlergebnisses vom Sonntag und aus Furcht vor den nächsten Wahlen 2026 deutlich pragmatischer agiert als bislang – also den Giffey-Style praktiziert. Und nicht ausgeschlossen, dass Franziska Giffey bald die prominenteste Vertreterin des konservativen Flügels der SPD ist.

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