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Markus Krösche: "Fußball-Profis verfügen über viele Privilegien"


2. Bundesliga
Markus Krösche: "Als Profi verfügst du über unglaublich viele Privilegien"

Von t-online
13.04.2013Lesedauer: 6 Min.
Markus Krösche spielte mit Tim Borowski in der A-Jugend des SV Werder Bremen.Vergrößern des BildesMarkus Krösche spielte mit Tim Borowski in der A-Jugend des SV Werder Bremen. (Quelle: imago/pmk)
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Das Interview führte Kieran Brown

Markus Krösche ist Kapitän bei Zweitligist SC Paderborn 07 und seit über elf Jahren im Verein. Im Jahr 2008 entschloss er sich, für die Zeit nach der Karriere vorzusorgen und begann ein Vollzeit-Studium an der Fachhochschule in Paderborn. Im Interview mit t-online.de spricht der 32-Jährige Deutsche A-Jugend-Meister von 1999 über die Beweggründe, die ihn an die Uni führten, die Scheinwelt Profi-Fußball und darüber, warum er es nie in die Bundesliga geschafft hat.

Frage: In der vergangenen Saison haben sie mit Paderborn lange um den Aufstieg mitgespielt. In diesem Jahr stehen sie im Niemandsland der Tabelle. Ist Paderborn als etablierter Zweitligist gut aufgehoben oder sehen sie den Klub und auch sich selbst vielleicht in den kommenden Jahren in der Bundesliga?
Krösche: Mich sehe ich dort definitiv nicht mehr. Der Verein aber ist auf einem guten Weg und hat sich in der Liga als feste Größe etabliert. Ich denke, dass wir gerade durch die Art und Weise, wie wir in der vergangenen Saison gespielt haben, mit Nachdruck auf uns aufmerksam machen konnten. Aber für einen kleinen Verein, der vor 12 Jahren noch vor 600 Zuschauern in der Regionalliga angetreten ist, gilt es zunächst, die Leistungen in der zweiten Liga auf einem konstanten Niveau zu bringen, bevor man von der Bundesliga redet. Ich persönlich habe hier noch einen Vertrag bis 2014 und freue mich einfach über die Spielzeit, die ich als ‚alter Mann‘ noch bekomme.

Stichwort Karriere-Ende: Sie müssen sich nicht allzu viele Gedanken machen. Warum haben Sie sich entschlossen, neben dem gutbezahlten Job als Profi, ein Präsenzstudium zu beginnen? Sie hätten auch ein Fernstudium absolvieren können, um Zeit zu sparen und flexibler zu sein?
Grundsätzlich muss ich sagen, dass ich als Fußballer nicht so viel Geld verdiene, dass ich nach der Laufbahn ausgesorgt habe. Mir war immer klar, dass ich später auf jeden Fall noch arbeiten muss. Das betriebswirtschaftliche Studium hat mich extrem interessiert, so dass ich damals die Möglichkeiten sondiert habe, das während der Laufbahn zu realisieren. Ich wollte einfach diese Grundqualifikation haben, um möglichst wenige Probleme beim Berufseinstieg nach der Karriere zu bekommen und mein Leben nach dem Fußball auch erfolgreich gestalten zu können. Das Präsenzstudium habe ich einer fernuniversitären Ausbildung vorgezogen, weil das Angebot bessere Möglichkeiten bietet. Ich konnte persönlich Nachfragen stellen, vor Ort mit meinen Professoren kommunizieren und so einfach mehr mitnehmen.

Gab es einen Auslöser für die Entscheidung?
2008 sind wir in die dritte Liga abgestiegen. Da sieht man, wie schnell es nach unten gehen kann. Ich wollte nicht auf den Fußball angewiesen sein und mir außerhalb des Sports etwas aufbauen.

Sie haben das Studium innerhalb von sechs Semestern durchgezogen, bis sie ihren Bachelor in Wirtschaft für Führungskräfte hatten. Beschreiben Sie Ihren Tagesablauf während dieser Zeit. Wie konnten sie Profi-Sport und Universität miteinander verbinden?
Auf der einen Seite muss ich sagen, dass der Verein mir sehr entgegen gekommen ist. Bei Klausuren wurde ich sogar freigestellt. Das ist nicht selbstverständlich. Auf der anderen Seite war es natürlich manchmal stressig. Morgens von halb acht bis neun war ich an der Uni in der Vorlesung. Danach fuhr ich zum Training. Nach der Vormittagseinheit kehrte ich zurück auf den Campus, bis die zweite Trainingseinheit stattfand. Auch am Abend bin ich meist zurück zur Universität gefahren. Selbst freie Tage verbrachte ich dort regelmäßig. Obwohl ich auf viel Freizeit verzichten musste, hat es mir Spaß gemacht und sich am Ende auch gelohnt.

Gab es Momente, in denen es schwierig war, auf Vorzüge des Studentenlebens zu verzichten und mit den Kommilitonen um die Häuser zu ziehen?
Als Profi ist man daran gewöhnt, auf solche Dinge zu verzichten. Vielmehr hat es mich manchmal gewurmt, wenn meine Team-Kollegen nachmittags Kaffee trinken gegangen sind oder sich zum Champions League schauen verabredet haben. Da habe ich häufig zuhause gesessen und gelernt.

Sie haben 2008 bewusst einen Vierjahres-Vertrag in Paderborn unterschrieben, sind seit über elf Jahren in der Stadt. Führen häufige Vereinswechsel und die fehlende Kontinuität im Leben vieler Spieler Ihrer Meinung nach dazu, dass sie gar keine Möglichkeit haben, sich dezidierte Gedanken über die Zukunft zu machen?
Das ist so. Die Voraussetzungen für mich waren ideal. Ich bin schon lange hier in Paderborn. Der Verein hat mir den Vertrag gegeben, der mir die Sicherheit garantierte. Man sagt ja, dass Profis im Durchschnitt zwei bis drei Jahre bei einem Verein verbringen. Da ist es natürlich extrem schwierig, nebenbei ein berufliches Standbein aufzubauen, ohne die Karriere zu vernachlässigen.

1999 wurden Sie A-Jugend-Meister mit dem SV Werder Bremen. Man stellt sich den Sprung in die Bundesliga dann fast schon als Formsache vor. Ist es trotz der Empfehlung solch eines Erfolgs tatsächlich noch so ein großer Sprung?
Es ist generell nochmal ein großer Sprung. 98 Prozent der Jugendlichen eines Jahrgangs schaffen es nicht, sich bei den Profis durchzusetzen. Wenn ein bis zwei Talente eines Jahrgangs in den Lizenzspieler-Bereich schaffen, ist das eine super Sache. Wenn man in der A-Jugend bei einem Profi-Verein spielt, heißt das bei weitem nicht, dass du Bundesliga-Spieler wirst. Bei mir hat die Qualität einfach gefehlt. Wie viele andere bin ich durchs Raster gefallen und musste meinen eigenen Weg suchen.

Wirft man einen Blick auf die Aufstellung im Finale um die Deutsche Meisterschaft damals, fällt auf, dass von elf Jugendspielern nur Tim Borowski eine ganz große Karriere eingeschlagen hat. Sollte gerade diese Tatsache eine Warnung sein und jedem bewusst machen, wie gering die Durchlässigkeit nach oben ist, selbst wenn man sich oben angekommen wähnt?
Definitiv. Um Profi zu werden, muss man natürlich die Qualität mitbringen, aber immer weiter an sich arbeiten, um auf einem hohen Level immer besser zu werden. Heutzutage fällt mir aber auf, dass die Jugendlichen wesentlich weiter sind – sowohl physisch als auch taktisch und spielerisch. Man sieht, dass Spieler mit Ende zwanzig oder auch in meinem Alter es immer schwerer haben, noch ihren Platz in der Mannschaft zu finden. Ich denke, diese Entwicklung wird so weitergehen und Karrieren immer früher beenden, da jüngere Spieler sich eher aufdrängen.

In den Nachwuchsleistungszentren der Profi-Klubs steht inzwischen seit vielen Jahren ein ganzheitliches Ausbildungs-Konzept auf der Agenda. Denken Sie, dass sich dadurch inzwischen etwas in der Einstellung vieler Fußballer zum Leben außerhalb des Sports geändert hat?
Auf jeden Fall. Neben dem sportlichen Aspekt, die Bildung einzubeziehen, ist immens wichtig. Werder war zu meiner Zeit im Internat in Bremen schon sehr weit, was das angeht. Die Leistungszentren sind sich der Verantwortung meiner Meinung nach bewusst, die sie auch für die Spieler tragen, denen nicht der Sprung in den Profi-Fußball gelingt. Als nächsten Schritt würde ich mir aber auch Maßnahmen während der Karriere wünschen, die den Spielern vor Augen führen, dass es eine Zeit nach der Laufbahn geben wird, in der sie Geld verdienen müssen. Man muss abwarten, ob das so umsetzbar ist. Denn klar ist auch: Fußballer sind zunächst einmal nicht abhängig von ihrer Bildung.

Kann man sagen, dass es sich um eine Art Scheinwelt handelt, in der viele Profi-Fußballer leben und dass diese mitverantwortlich dafür ist, dass laut einer Studie nur rund ein Viertel der Profis nach Ende der aktiven Laufbahn eine berufliche Perspektive haben?
Sicherlich trifft das zu. Als Profi verfügst du über unglaublich viele Privilegien. Du wirst gehypt und auf der Straße erkannt, bekommst im Café mal einen Espresso umsonst oder Rabatte. Man kann dabei die Realität ein Stück weit aus den Augen verlieren. Es verführt dazu, zu denken, alles geht immer so weiter. Doch mit dem Karriereende kommt ein abruptes Ende, auf das die wenigsten vorbereitet sind. Dann kannst du dir von 200 oder 300 Bundesliga-Spielen nichts mehr kaufen. Es gibt natürlich Ausnahme-Spieler wie Mario Götze oder Julian Draxler. Die werden sich ums Finanzielle später vermutlich keine Gedanken machen müssen. Aber der große Teil der Spieler, die ihre Karriere beenden, wird feststellen: ‚Ich bin jetzt plötzlich ein Mensch wie jeder Andere‘ und stehe nicht mehr im Rampenlicht. Und dann stellt sich oft erst sehr spät die Frage: ‚Was mache ich jetzt eigentlich?‘

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