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RB Leipzig vor dem Aufstieg: Fußball steht vor einer Zeitenwende


Quo vadis, Traditionsklubs?
Der deutsche Fußball steht vor einer Zeitenwende

Von t-online
Aktualisiert am 02.03.2016Lesedauer: 4 Min.
Der Aufstieg von Zweitligist RB Leipzig scheint nur noch Formsache zu sein.Vergrößern des BildesDer Aufstieg von Zweitligist RB Leipzig scheint nur noch Formsache zu sein. (Quelle: osnapix/imago-images-bilder)
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Von Marc L. Merten

Willkommen in der Bundesliga, RasenBallsport Leipzig! So wird es nach dem 34. Spieltag der Zweiten Liga heißen. Wer daran noch zweifelt, hat – mit Verlaub – keine Ahnung von Fußball.

Was aber ist mit jenen, die RB Leipzig verwünschen und am liebsten zum Teufel jagen würden? Haben auch sie keine Ahnung von Fußball? Oder sind sie die letzten Vernünftigen unter den Profit-getriebenen Hochglanz-Managern, abgehobenen Parallelwelt-Jongleuren und Klatschpappen-Modefans? Klar ist: Der deutsche Fußball steckt längst mitten in einer riesigen Transformation.

"Mittelstand-Vereinigung" will mehr vom Kuchen

Als der "kicker" kürzlich berichtete, sechs Bundesliga-Klubs hätten sich zu einer "Mittelstand-Vereinigung" zusammengeschlossen, um sich in Sachen TV-Vermarktung künftig in eine bessere Position zu bringen, war die Resonanz zurückhaltend.

Und das, obwohl sich dahinter die Klubs Werder Bremen, Hertha BSC, Eintracht Frankfurt, HSV, 1. FC Köln und VfB Stuttgart verbargen. Sechs Traditionsklubs mit großem Fan-Aufkommen, die seit Jahren zwischen Abstieg und größeren Zielen hin- und hertaumeln. Sie unternehmen den Versuch, etwas mehr vom Kuchen abzubekommen. Auf Kosten der Zweiten Liga, auf Kosten jener, die ihnen gefährlich werden könnten. Und teilweise schon gefährlich geworden sind.

Tiefrote Zahlen bei Werder und dem HSV

Der Gedanke dahinter ist einfach: Wenn man selbst schon nicht in der Lage ist, sein Potential abzurufen, dann sollen es die anderen im Vergleich auch schwerer haben. Siehe Bremen und Hamburg, die seit Jahren tiefrote Zahlen schreiben, vor lauter Dusel nicht wissen, wie sie überhaupt noch in Liga eins spielen und längst von Teams wie Mainz und Augsburg überholt worden sind.

Die genannten sechs Vereine wissen um ihren Stellenwert als Klubs, die zehntausende Menschen in Deutschland und darüber hinaus bewegen. Sie wissen aber auch, dass ihnen in Sachen finanzieller Rahmenbedingungen droht, den Anschluss zu verlieren.

Frankfurt, Stuttgart, Köln: Europa adé?

Mit dem FC Bayern und Borussia Dortmund führen zwei Teams die Etat- und Umsatz-Liga an, die in den nächsten Jahren zumindest finanziell kaum einzuholen sein werden. Dahinter gibt der VfL Wolfsburg alles, um – zumindest monetär – in dieser Liga mitzuspielen. Bayer Leverkusen, Borussia Mönchengladbach und der FC Schalke 04 folgen auf den Plätzen.

Wenn nun die TSG 1899 Hoffenheim in den letzten Jahren nicht so dilettantisch geführt worden wäre und RB Leipzig mit seinen enormen Möglichkeiten den Aufstieg schaffen sollte, wären auf Basis finanzieller Möglichkeiten gleich die ersten acht Plätze der Bundesliga belegt. Europa adé für all jene dahinter!

Für Teams wie Frankfurt, Stuttgart oder Köln bliebe nur die Hoffnung, es entweder durch Kontinuität (Gladbach), ein glückliches Händchen (Augsburg) oder Zufall (Hertha) zu schaffen, in diese Phalanx vorzustoßen.

Eine Riesenchance für eine ganze Region

Das gefällt Einigen nicht. Schon gar nicht einigen Fans der betroffenen "Mittelschicht"-Klubs, die fürchten, dass ihr "Verein" falsche Entscheidungen treffen und seine Seele an Investoren verkaufen könnte. Lasst uns deshalb für einen Moment annehmen, dass der Profi-Fußball in Deutschland längst nichts mehr mit baufälligen Vereinsheimen, rustikalen Stadien mit morbidem Charme, Asche- oder umgepflügten Rasenplätzen zu tun hat.

Lasst uns annehmen, dass das Volk, das sich jede Woche die Knie wund grätscht und zuhause verzweifelt versucht, die Grasflecken aus den Trikots zu waschen, nichts mehr mit jener Glamourwelt zu tun hat, die die heutige Fußball-High-Society darstellt.

Denn nur in diesem Zustand kann man verstehen, warum der RasenBallsport Leipzig für eine ganze Region eine riesige Chance ist, warum Milliardenunternehmen wie Bayer und VW sich eigene Fußballklubs leisten und ein studierter Nachrichtentechniker eine 3000-Seelen-Gemeinde in eine Unternehmensmarke verwandelt.

Echte Vereine gibt es kaum noch

In der Saison 2014/2015 erwirtschafteten die 18 Erstligisten zusammen 2,62 Milliarden Euro. In der Zweiten Liga lag der Umsatz bei 505 Millionen Euro. Zum Vergleich: Diese halbe Milliarde Euro des Bundesliga-Unterhauses ist mehr als die jeweils Ersten Ligen in Österreich, Schweiz und Schottland zusammen erlösen – Länder, in denen der Seelenverkauf des Fußballs teilweise schon deutlich weiter fortgeschritten ist. Die 36 deutschen Lizenzvereine boten zudem mehr als 50.000 Jobs und zahlten 980 Millionen Euro an Steuern.

Wer glaubt, dass es in diesem Umfeld noch um Werte geht, die man heute noch in der Regionalliga findet oder die "früher" – was auch immer das ist – auch in der Bundesliga noch eine Rolle gespielt haben, verkennt eines: "Vereine" im Profifußball gibt es kaum noch welche. Darmstadt 98 vielleicht. Rebellen. Gallische Dörfer.

Der Rest? Multimillionen-Unternehmen, in denen Ehrenämter durch bezahlte Vorstände ersetzt werden, andere Unternehmen Beteiligungen erwerben, um sich Marktvorteile auf anderen Gebieten zu sichern. Ein Verdrängungswettbewerb wie in der IT-, Auto- oder Chemiebranche. Nur, dass König Fußball eben die Unterhaltungsbranche ist.

Neues Leben für eine tote Fußballlandschaft

Das mag unromantisch sein. Aber das ist auch der Unterschied, weshalb ein Team wie RB Leipzig erfolgreicher sein wird als Hoffenheim, Wolfsburg oder Leverkusen. Weil letztere drei es bis heute nicht verstanden haben, die Massen zu bewegen. Weil sie eben nicht zur massenhaften Unterhaltung ganzer Regionen beitragen, sondern nur in ihrem kleinen Mikrokosmos, in dem 191 Fans eine Auswärtsfahrt mitmachen.

In Leipzig dagegen haben sich zehntausende plötzlich wieder dem Fußball zugewandt. Red Bull, ob man das Unternehmen (oder das Getränk) mag oder nicht, hat eine tote Fußballlandschaft zu neuem Leben erweckt. Die Methoden mögen fragwürdig sein, die Arroganz schwer erträglich und die Marketing-orientierte Präsentation eines jeden Inhalts als Energy-Dring ebenso ekelhaft süß wie der Doseninhalt: Trotzdem kommen in der Zweiten Liga im Schnitt 28.420 Zuschauer in die Arena und damit schon jetzt fast so viele wie in Leverkusen, Wolfsburg, Mainz oder Augsburg – und mehr als in Hoffenheim.

Auch die Geißböcke waren mal ein Kunstprodukt

Und dann noch ein Wort zur Mittelstands-Vereinigung: Beim 1. FC Köln ziert ein Spruch die Eingangstore zum Franz-Kremer-Stadion, dem kleinen Stadion am Geißbockheim: "Tradition hat nur dann Sinn, wenn der Wille zu noch größeren Taten vorhanden ist."

Gesagt hat das Kremer selbst. Jener Gründer des Ersten Fußball-Clubs Köln, der 1948 zwei Vereine fusionierte, die es alleine nicht zu Profi-Klubs geschafft hätten. Kremer fungierte als Mäzen, als Alleinherrscher, als erster Unternehmer, der modernes Management im Fußball einführte. Ob es den FC-Fans gefällt oder nicht: Damals, in den ersten Jahren, waren die Geißböcke ein Kunstprodukt gewesen, das erst über die Jahrzehnte zu dem wurde, was der 1. FC Köln heute ist: ein Traditionsverein.

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