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Eintracht Braunschweig: Ein Fan fährt zu jedem Auswärtsspiel mit dem Fahrrad


Zu jedem Auswärtsspiel auf zwei Rädern
Der Alles-Rad-Fahrer: 6000 Kilometer für die Braunschweiger Eintracht

Von t-online
Aktualisiert am 27.03.2014Lesedauer: 3 Min.
Das zwölfte Etappenziel: Christian Schlums vor dem Stadion des VfB Stuttgart. (Vergrößern des BildesDas zwölfte Etappenziel: Christian Schlums vor dem Stadion des VfB Stuttgart. (Quelle: privat))
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Von Sebastian Schlichting

Es war die bislang höchste Auswärtsniederlage dieser Saison: 0:4 verlor Eintracht Braunschweig beim Hamburger SV. Kein Spiel für die Eintracht-Geschichtsbücher. Für Christian Schlums war es einer der Saison-Höhepunkte. Weniger das Spiel als mehr die Anreise. "Ich habe die etwa 200 Kilometer in sieben Stunden geschafft", sagt der 50-Jährige. Obwohl er sich einmal verfuhr und dadurch knapp nach Anpfiff ins Stadion kam. "Das ist ganz gut", bilanziert er die eigene Leistung. Dies ist eine gepflegte Untertreibung, denn Schlums war nicht per Auto, Bahn oder Bus angereist - sondern mit dem Fahrrad.

So wie jedes Mal in dieser Saison, wenn die Braunschweiger Eintracht auswärts antritt. Ob Hamburg oder München, ob Mönchengladbach oder Berlin, Schlums radelt immer von seinem Wohnort Salzgitter aus zum Gegner. Na ja, fast immer. Hannover und Wolfsburg fand er nicht herausfordernd genug und ist zum Spiel gelaufen. Zurück fährt er stets mit der Bahn oder einem Fan-Bus.

Über 150 Triathlons

Da stellt sich zwangsläufig die Frage, die Schlums bisher vor jedem Stadion - halb verwundert, halb bewundernd ausgesprochen - gehört hat: Warum tut jemand so etwas? Er liebt die sportlichen Herausforderungen, hat gut 150 Triathlons absolviert, darunter acht Mal den Iron Man. Und er stand bei seinen Freunden im Wort. Im Frühstadium der vergangenen Zweitliga-Saison - Braunschweig war Tabellenführer, aber so richtig glaubte noch niemand an die Rückkehr in die Bundesliga nach 28 Jahren - kündigte Schlums an, im Falle des Aufstiegs zum Alles-Rad-Fahrer zu werden.

Nach dem 31. Spieltag stand der Aufstieg fest. Ein Mann, ein Rad, ein Wort - Schlums begann mit den Planungen, entschied, dass er es packen könne und weihte die Familie ein. Seine Ehefrau war nicht verzückt, aber sie kannte ihren Mann gut genug, um zu wissen: "Wenn ich mir etwas in den Kopf setze, dann mache ich es auch." In Absprache mit seiner Familie verzichtet er dafür auf die Heimspiele. Dank Gleitzeit bei seiner Arbeitsstätte, dem Bundesamt für Strahlenschutz, kann der Ingenieur sogar recht sparsam mit Urlaubstagen umgehen.

Ein Euro pro Kilometer

Schlums zahlt alles aus eigener Tasche, eine der raren Auswärtsdauerkarten hat ihm das Fanprojekt Braunschweig vermittelt. Mit den Touren sammelt er Spenden für das Familienzentrum St. Bernward in Salzgitter. Erst lief es etwas schleppend an, aber in der Rückrunde hat er für fast alle Spiele Sponsoren gefunden: Diese zahlen einen Euro pro Rad-Kilometer.

Gut 1600 der knapp 6000 Kilometer sind für Schlums inklusive der aktuellen Fahrt nach Leverkusen noch offen. Darunter die "Königsetappe" nach Freiburg, an einem Samstag im April. Eigentlich wollte er Mittwoch losfahren. "180 Kilometer pro Tag wären machbar gewesen", sagt er so locker daher, als wolle er schnell zum Briefkasten um die Ecke laufen. Doch dann wäre der Zeitpuffer gleich Null gewesen. Nun werden es vier Übernachtungen. Sicher ist sicher.

Karte statt Navi

Die handelsüblichen Navigationsgeräte eignen sich für seine Touren im Zeichen des Bundesliga-Schlusslichts kaum, da er nicht permanent auf Bundesstraßen fahren will. Die gute alte Karte leistet dagegen ausgedruckt sehr gute Dienste, schützt aber nicht immer vor unliebsamen Überraschungen.

Schon zwei Mal - auf dem Weg nach Augsburg und am vergangenen Wochenende nach Gelsenkirchen - stand Schlums auf einmal vor einem Truppenübungsplatz. Beim ersten Mal ignorierte er all seine Bedenken und fuhr über den schlammig-morastigen Boden des Übungsgeländes. Danach brauchte das Fahrrad an der nächsten Tankstelle eine Grundreinigung. Am Freitag in Ostwestfalen nahm er dann doch lieber einen einstündigen Umweg durch den Wald in Kauf, da auf dem Gelände geschossen wurde. Prompt griff auch noch "Murphys Gesetz" und Schlums geriet in einen stundenlangen Regenguss.

Milder Winter als Vorteil

Aber insgesamt kam er bisher weitgehend problemlos voran, von einigen Platten mal abgesehen. Auch der recht milde Winter kam ihm entgegen. Schlums hatte im Vorfeld vor allem vor München/Augsburg innerhalb von zwei Wochen Ende November und Mitte Dezember großen Respekt. Zu einer Zeit, in der sein Rennrad normalerweise in der trockenen Garage steht, sah er sich schon bei Eis und Schnee an die 600 Kilometer durch die Gegend strampeln. Stattdessen fuhr er bei vergleichsweise angenehmen Temperaturen.

Richtig heftig war es nur nach Bremen. Da musste er bei klirrender Winterkälte "um jeden Kilometer kämpfen". Zum Glück ist Bremen nach Schlums-Maßstäben eher eine Sprintfahrt, nur 190 Kilometer. Ansonsten nimmt er die Widrigkeiten sportlich: "Wer keinen Gegenwind hat, ist zu langsam unterwegs."

Im Zweifel zu Fuß nach Hoffenheim

Bislang hat Schlums einen Sieg, drei Unentschieden und neun Niederlagen gesehen. Sein Projekt ziehe er "zu 100 Prozent durch", sagt er. Bei den Klassenerhalts-Chancen der Eintracht ist die Wahrscheinlichkeit deutlich geringer. Eines steht für ihn schon jetzt fest: Sollte es für Braunschweig am 34. Spieltag bei der TSG Hoffenheim um alles gehen, "dann laufe ich zum Spiel." 440 Kilometer!

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