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DFB-Notlösung | Rudi Völler als Bundestrainer: Das hat er nicht kommen sehen


Bundestrainer-Notlösung Rudi Völler
Das hat er nicht kommen sehen

Von Benjamin Zurmühl

Aktualisiert am 12.09.2023Lesedauer: 4 Min.
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Rudi Völler: Der 63-Jährige sitzt gegen Frankreich auf der Trainerbank. (Quelle: IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Wunderl)

Rudi Völler steht bei der deutschen Nationalelf wieder an der Seitenlinie, zumindest für ein Spiel. Doch im Hintergrund geht es um ganz andere Dinge.

Aus Dortmund berichtet Benjamin Zurmühl

Es ist fast 19 Uhr, als die deutsche Fußballnationalmannschaft am Montag den Rasen des Signal Iduna Parks betritt. Es geht nach einer kurzen Begutachtung des Spielfelds in den Mittelkreis. Das neue Trainerteam ist auch dabei: Rudi Völler, Bundestrainer für ein Spiel, Hannes Wolf, sein Co-Trainer, und Sandro Wagner, ebenfalls Co-Trainer, stehen bei den Spielern.

Zunächst ergreift Völler kurz das Wort, übergibt dann aber an Wolf, der eine längere Rede hält. Verhaltener Applaus von den Spielern, dann geht es zum Aufwärmen mit den Fitness- und Athletiktrainern. Völler spricht kurz mit Joshua Kimmich, der wegen muskulärer Probleme nur Teile des Trainings mitmacht, dann lange mit Wolf. Wagner baut parallel Trainingsübungen auf und leitet diese an. Völler und Wolf bleiben Beobachter.

Es ist eine besondere Situation, in der sich das Trio wiederfindet. Dass Völler, erst seit Januar DFB-Sportdirektor, am Dienstag beim Testspiel gegen Frankreich (ab 21 Uhr im Liveticker bei t-online) nun wieder an der Seitenlinie der Nationalmannschaft steht – 19 Jahre nach seinem Aus als Teamchef –, hat er nicht kommen sehen. Und Wolf und Wagner, am Sonntagmorgen noch als Trainerduo der U20-Auswahl in Polen aufgewacht, werden Völler nun vor mehr als 55.000 Zuschauern im fast ausverkauften Dortmunder Stadion (61.000 Plätze) assistieren, anstatt sich auf dem Heimweg von ihrem Länderspiel zu befinden.

Völler kam für die Euphorie

Es ist eine Konstellation für nur ein Länderspiel, das stellte Rudi Völler am Montag auf der Pressekonferenz klar. "Für mich ist es eine einmalige Sache", betonte der 63-Jährige. Er fühle sich aber "in der Pflicht, dass ich bei diesem Spiel aushelfe". Ab Mittwoch will sich Völler aber wieder ganz auf das fokussieren, wofür er eigentlich zum DFB gekommen war: seine Aufgaben als Sportdirektor.

Völler kam als Nachfolger von Oliver Bierhoff. Die Zeit des früheren Nationalmannschafts-Direktors beim DFB war nach dem zweiten WM-Vorrundenaus in Serie abgelaufen. Völler wurde als Schlüsselfigur im Jahr vor der Heim-EM gesehen. Er sollte für Ruhe sorgen, den Trainer stützen und Euphorie vor dem Turnier in Deutschland erzeugen. Politische Themen wollte er in den Hintergrund drängen, die Kapitänsbinde in Regenbogenfarben ersetzte er durch eine schwarz-rot-goldene. Voller Fokus auf den Fußball, lautete seine Devise.

Doch die Leistungen auf dem Platz wurden nicht besser. Bundestrainer Hansi Flick konnte mit seiner Mannschaft bei den ersten Länderspielen unter Sportdirektor Völler im März zwar Peru mit 2:0 schlagen, war aber bei der anschließenden Niederlage gegen Belgien mit 2:3 noch gut bedient. Die Kritik an Flick wurde lauter. Völler aber stärkte dem 58-Jährigen weiter den Rücken.

Flick kann sein Versprechen nicht halten

Im Juni sollte alles besser werden, doch es kam noch schlimmer. Gegen die Ukraine rettete sich Deutschland spät zu einem 3:3, gegen Polen (0:1) und Kolumbien (0:2) gab es verdiente Niederlagen. Die Stimmung bei den Fans? Schlecht. Plakate mit Aufschriften wie "Schluss mit Ausreden" und "Flick raus", waren beim Kolumbien-Spiel auf Schalke zu lesen.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag von t-online forderten 47 Prozent der Fußballfans eine Entlassung Flicks. Nur 33 Prozent standen hinter dem damaligen Bundestrainer. Völler dürfte zu diesen 33 Prozent gezählt haben, ließ sich von Flick überzeugen, dass er der Richtige sei. "Ich kann versprechen, dass wir im September eine andere Mannschaft sehen", kündigte dieser an. Er konnte sein Versprechen nicht halten. Das 1:4 gegen Japan war sein letztes Länderspiel als Bundestrainer.

Völler muss sich nun vorwerfen lassen, im Sommer die falsche Entscheidung getroffen zu haben. Denn dem Nachfolger von Hansi Flick bleibt nur noch ein Dreivierteljahr bis zur EM. Und bis zur nächsten Länderspielpause ist es lediglich noch ein Monat. Eine schnelle Lösung für den Bundestrainer-Posten ist im Interesse der Entscheider beim DFB. Viel Zeit, um in Ruhe Gespräche mit den Nationalspielern zu führen, bleibt im Alltag zwischen Ligafußball, Pokal und Europapokal kaum.

 
 
 
 
 
 
 

Der nächste Schuss muss sitzen, denn einen weiteren gibt es vor der Heim-EM nicht mehr. Dabei steht nicht nur Rudi Völler unter Druck, auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf ist gefordert. Er sollte bei seinem Amtsantritt dem Verband ein etwas anderes Gesicht verpassen, leistete sich in der Kommunikation mit der Fifa und der deutschen Öffentlichkeit rund um die "One Love"-Armbinde einige Fehler.

In der vergangenen Woche konnte er zwar Stärke demonstrieren, als er seinem Vize Hans-Joachim Watzke rund um die Kinderfußball-Reform Paroli bot, doch eine erfolglose Heim-EM würde das vergessen machen, und Neuendorfs Zukunft beim DFB stark beeinflussen.

"Keiner darf die Hose voll haben"

Die Partie gegen Frankreich ist als eine Mischung aus Schadensbegrenzung und Chance zur Entschuldigung zu sehen. "Wir müssen versuchen, Kredit zurückzugewinnen", mahnte Völler auf der Pressekonferenz am Montag. Er forderte weniger individuelle Fehler und ein besseres Defensivverhalten. "Die Spieler können es ja auch, die kommen alle aus Topklubs, zeigen da auch ihre Leistung – und das erwarte ich auch am Dienstag." Was Völler gegen den Vizeweltmeister nicht sehen will, ist Angst: "Keiner darf die Hose voll haben."

Auch Kapitän İlkay Gündoğan sieht die Spieler in der Pflicht. "Ich habe als Spieler das Gefühl, Hansi im Stich gelassen zu haben." Jeder Einzelne sei nun gefordert, seine beste Leistung abzurufen und weniger Fehler zu machen.

Dass das gegen eine Auswahl wie die französische schwer sein wird, ist Gündoğan auch bewusst. Auf die Frage, ob Deutschland klarer Außenseiter sei, antwortete er kurz und knapp: "Ja!"

Gleichzeitig ist dem Mittelfeldmann bewusst, dass eine gute Leistung gegen Frankreich auch eine gewisse Aufbruchsstimmung entfalten kann. Und die ist nach all den turbulenten und enttäuschenden Monaten bitter nötig. Vor allem für den neuen Bundestrainer.

Verwendete Quellen
  • Eigene Beobachtungen von vor Ort
  • Teilnahme an der Pressekonferenz vor dem Spiel
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