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Winterspiele in Saudi-Arabien: Das steckt hinter dem Mega-Projekt in "Trojena"


Saudi-Arabien
Der Irrsinn hat einen Namen

Von Nils Kögler

Aktualisiert am 07.10.2022Lesedauer: 5 Min.
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So soll die Wüstenstadt Neon für die asiatischen Winterspiele 2029 aussehen.
So soll die umstrittene Wüstenstadt Neom aussehen. (Quelle: Glomex)

Für die asiatischen Winterspiele 2029 stampft Saudi-Arabien das nächste Großbauprojekt aus dem Boden. Was hat es damit auf sich? Und warum dieser Aufwand?

Winterspiele in einer eigentlich staubtrockenen Region – es ist das nächste Kapitel im allzu häufig gewordenen Absurditäten-Kabinett der Sportwelt. Am Dienstag gab das asiatische Olympia-Komitee bekannt, dass die Asien-Winterspiele 2029 nach Saudi-Arabien vergeben werden. Das Berggebiet "Trojena" nahe der sich derzeit in der Bauphase befindlichen Planstadt Neom erhielt den Zuschlag.

Bauphase ist in diesem Zusammenhang das richtige Stichwort, denn mit "Trojena" wurde eine Region ausgewählt, in der ebenfalls erst einmal gebaut werden muss und die eigentlich gänzlich ungeeignet ist für die Austragung von Wintersportevents. "Trojena" liegt 50 Kilometer von der Küste entfernt in einer Höhe von 1.500 bis 2.600 Metern. Im Winter fallen die Temperaturen zwar zeitweise auf den Gefrierpunkt, die Gegend ist allerdings staubtrocken. Die Wettbewerbe werden auf Kunstschnee ausgetragen werden müssen.

Unverständnis über die Vergabe kommt aus der Sportwelt. So sagte der ehemalige Ski-Olympiasieger Markus Wasmeier: "Es ist wirklich erschreckend. Man hat anscheinend nichts gelernt." Es sei "wirklich sehr skurril, was da abläuft", so der 59-Jährige. Was hat es also mit dem Projekt auf sich und warum scheut Saudi-Arabien nicht den enormen Aufwand, um das Event auszurichten?

"Vier Saisons" für die Besucher der Stadt

Mit "Trojena" soll eine "einzigartige ganzjährige Bergreise-Destination" entstehen, wie es auf der Homepage des Projektes heißt. Dazu sollen Besucher in der Stadt vier Saisons erleben: eine Wellness-Saison (September-November), eine Winter-Saison (Dezember-März), eine Abenteuer-Saison (März-Mai) und eine See-Saison (Mai-September). Das Angebot reicht dabei von alternativer Medizin und Yoga über Ski und Snowboarden, Musik- und Filmfestivals, Abenteuertriathlon, Mountainbiking und Paragliding bis hin zu Kunstmessen und Kulturwochen.

Bereits 2026 soll das riesige Bauvorhaben fertiggestellt sein. Dabei ist es nur ein Teil des noch größeren "Neom"-Projektes, bei dem auf 26.500 Quadratkilometern – einer Fläche größer als Mecklenburg-Vorpommern – eine neue futuristische Stadt für umgerechnet sage und schreibe 500 Milliarden Euro entstehen soll. Seit 2017 wird daran bereits gebaut.

Sport als Schutzschild

Golfstaaten-Experte Sebastian Sons vom Center for Applied Research in Partnership with the Orient (CARPO) analysiert: "Saudi-Arabien unter dem neuen Kronprinz Mohammed bin Salman folgt dem Vorbild von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten mit der Zurschaustellung von Reichtum und Wohlstand sowie Investitionen in Giga-Projekte." Damit wolle der Kronprinz zeigen, "dass Saudi-Arabien auf dem Weg in eine moderne Industrienation ist, in der einerseits Technologie angesiedelt sein soll, andererseits aber auch Unterhaltungs- und Tourismus-Destinationen eine Rolle spielen", sagt er im Gespräch mit t-online.

In der Außenwirkung wolle bin Salman Saudi-Arabien damit als Marke etablieren und ausländische Investoren ins Land locken. "Sport spielt dabei eine wichtige Rolle", sagt Sons. Vorreiter bei der Instrumentalisierung des Sports sei Katar gewesen, das schon seit den 1990er-Jahren die Sportpolitik und Investitionen in den Sport dafür nutze, das Land wirtschaftlich auf eine breitere Basis zu stellen, international an Macht zu gewinnen und sich somit unangreifbar zu machen. "Gewissermaßen nutzen sie den Sport als Schutzschild vor internationalen Bedrohungen", so Sons.

Konkurrierende Golfstaaten

Dabei stünden die Golfstaaten durchaus in Konkurrenz zueinander. Als Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten klar wurde, wie erfolgreich Katar mit seiner Sport-Strategie gewesen sei, hätten sie versucht, den Konkurrenten zu sabotieren, so Sons. So hätten sie während der sogenannten Golf-Krise, die sich zwischen 2017 und 2021 abspielte, Blockaden gegen das Land verhängt, um es zu isolieren und die Fußball-Weltmeisterschaft wegzunehmen. Das alles, "weil man gemerkt hat, dass Katar in den letzten Jahren zu sichtbar und einflussreich geworden ist und man das Gefühl hatte, Katar nehme einem zu viele Stücke des Kuchens weg".

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Doch mit dem Versuch, Katar zurechtzustutzen, seien sie gescheitert, weil das Land es geschickt verstanden habe, "sich auch vorher schon zu vernetzen, sich als Plattform der internationalen Diplomatie, der Kultur, der Wissenschaft und eben auch des Sports zu präsentieren", sagt Sons. "Diesem Vorbild eifern jetzt die Emirate und eben auch Saudi-Arabien nach, indem man große Sportevents an Land zieht."

Nachhaltige Olympische Winterspiele in Saudi-Arabien?

Ein Punkt, mit dem Saudi-Arabien versucht, sich von der Konkurrenz abzugrenzen: die Nachhaltigkeit. Offensiv wird auf der Homepage des "Neom"- und "Trojena"-Projektes mit der Umweltfreundlichkeit der Unternehmung geworben. So soll die Energie für den Kunstschnee für die Asien-Winterspiele zu hundert Prozent aus natürlichen Quellen kommen und beim Bau der Stadt "natürliche und erschlossene Landschaften" miteinander verschmolzen werden.

"'Trojena' wird den Bergtourismus für die Welt neu definieren, indem es einen Ort schafft, der auf den Prinzipien des Ökotourismus basiert und unsere Bemühungen um die Erhaltung der Natur und die Verbesserung der Lebensqualität der Gemeinschaft hervorhebt", lässt sich der saudische Kronprinz bin Salman auf der Website zitieren. "Sie bestätigt auch unser Engagement, Teil der weltweiten Bemühungen zum Schutz der Umwelt zu sein", heißt es weiter.

Nachhaltigkeit als Deckmantel

Winterspiele in einem Golfstaat, der dafür Anlagen in Windeseile aus dem Boden stampft und vollständig auf Kunstschnee setzen muss – wie nachhaltig kann das tatsächlich sein? "Das ist schwer zu beantworten", sagt Sons. "Ein Turnier in ein Land zu vergeben, das ja nun nachweislich keine Wintersportnation ist, und in eine Stadt, die noch gar nicht existiert, wirft natürlich Fragen auf", ergänzt er. Saudi-Arabien werde sich ähnlichen Fragen wie Katar bei der Fußball-Weltmeisterschaft stellen müssen. Nur der Fokus ist ein kleinerer.

"Die Nachhaltigkeit wird mit Sicherheit von den Organisatoren betont werden, aber sie wird auch als Deckmäntelchen benutzt werden, um sich als modern und technologisch fortschrittlich zu präsentieren, ohne, dass es am Ende tatsächlich eine umweltfreundliche und nachhaltige Veranstaltung werden wird", analysiert Sons weiter.

Wenig Rücksicht auf Bevölkerung

Egal, ob nachhaltig oder nicht, Fakt ist: Saudi-Arabien hat sich mit dem Ziel, "Trojena" bis 2026 fertigzustellen, eine große Aufgabe ans Bein gebunden – zu groß? Das Land sei sehr wohl in der Lage, kurzfristig auch diese ambitionierten Pläne umzusetzen, meint Sons. Es habe viel zu verlieren, "eben weil es hier auch darum geht, der Welt zu zeigen, dass man in der Lage ist, ein großes Turnier auszurichten und die Infrastruktur dafür auf die Beine zu stellen." Das sei sehr ambitioniert und gehe nur mit ausländischer Expertise. "Der saudische Prinz wird alles daran setzen, die Deadline auch einzuhalten, damit man sich nicht blamiert."

Das könnte jedoch auf Kosten der Bevölkerung gehen. Es gibt bereits erste Berichte, wonach einige Bevölkerungsgruppen zwangsweise umgesiedelt wurden, um Platz für die Bauvorhaben zu schaffen. "Es gibt diese Gerüchte und es ist nicht unwahrscheinlich, dass das auch so stattgefunden hat", befindet Sons. In der Küstenstadt Dschidda, die der Kronprinz in eine Kulturhauptstadt verwandeln möchte, hätten bereits viele Siedlungen weichen müssen. Zwar gehe es bei dem "Neom"-Projekt hauptsächlich um unbesiedelte Gebiete. "Trotzdem ist die Gefahr der Umsiedlung weiterhin gegeben und da wird dann auch wenig Rücksicht darauf genommen, wie die Belange der jeweiligen Bevölkerung aussehen."

Verwendete Quellen
  • Interview mit Sebastian Sons
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