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Mieser Ton beim "Tatort": t-online.de erklärt die Gründe


t-online.de erklärt
Darum ist der Ton beim "Tatort" häufig so schlecht

Denis Mohr

Aktualisiert am 11.03.2016Lesedauer: 5 Min.
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Immer wieder beschweren sich TV-Zuschauer über die schlechte Tonqualität von "Tatort"-Folgen.Vergrößern des Bildes
Immer wieder beschweren sich TV-Zuschauer über die schlechte Tonqualität von "Tatort"-Folgen. (Quelle: imago-images-bilder)

Nuschelnde Darsteller, kaum verständliche Dialoge und abrupte Laut-Leise-Sprünge bei der Musik verleiden vielen "Tatort"-Fans bisweilen ihr sonntägliches Krimi-Vergnügen. Ist der Ton beim "Tatort" wirklich so mies? Und wenn ja, warum? t-online.de war auf der Suche nach einer Erklärung.

Im Januar 2015 hat sich Christian Ulmen bei den TV-Zuschauern entschuldigt. "Es tut mir leid. Nächstes Mal gibt's den derbsten, best-abgestimmten Sound. Nagelt mich drauf fest", schrieb der Weimarer "Tatort"-Kommissar bei Facebook. In Internetforen und sozialen Medien hatten "Tatort"-Fans zuvor zahlreiche verbale Attacken gegen die Folge "Der Irre Iwan" geritten. Hauptkritikpunkt war die miserable Tonqualität der Episode. Die Darsteller hätten genuschelt, die Dialoge seien kaum zu verstehen gewesen, lautete der Tenor.

Zwei Monate später ermittelten Ulmens Kollegen Sabine Postel und Oliver Mommsen im Bremen. Auch diesmal monierten die Zuschauer die Verständlichkeit, beklagten die undeutliche Sprache und ein zu starkes Laut-Leise-Gefälle zwischen Musik, Hintergrundgeräuschen und Dialog. Weimar und Bremen sind keine Einzelfälle. Immer wieder geißeln Zuschauer die Krimi-Reihe öffentlich für den mies abgemischten Ton. Zuletzt ereilte dieses Schicksal die Dresdner Folge "Auf einen Schlag", die von zahlreichen t-online.de-Kommentatoren des akustischen Qualitätsmangels bezichtigt wurde.

Der ARD sind solche Beschwerden mittlerweile sattsam bekannt. Auf eine Anfrage reagiert der Sender mit einer vorgefertigten Stellungnahme. Ja, innerhalb der Programme und zwischen den Sendungen gebe es "Lautheitssprünge", heißt es da. Allerdings hingen die Höreindrücke von vielen Faktoren ab. Diese erstreckten sich "von persönlichen Gehöreigenschaften bis hin zu den akustischen Eigenschaften des Raums, in dem ferngesehen wird."

Sind die Fernsehgeräte schuld?

Ist das Problem also auf der Zuschauerseite zu suchen? So argumentierte auch der Bayerische Rundfunk, als im Oktober 2014 eine Folge des Münchner "Polizeirufs" wegen des schlechten Tons in die Kritik geriet. Die Einstellungsmöglichkeiten an den neueren TV-Endgeräten seien so vielfältig und kompliziert, dass es da wohl häufig zu akustischen Problemen komme, hatte "Polizeiruf 110"-Redakteurin Cornelia Ackers erklärt.

Professor Ulrich Hoppe ist Leiter der Audiologischen Abteilung der Universitätsklinik in Erlangen. Er denkt, an den Erklärungsversuchen der Sender könnte etwas dran sein: "Möglicherweise liegt es an den Lautsprechern der neuen Fernseher."

Einen Teil der Schuld sieht der Mediziner aber auch auf Seiten der Fernseh-Macher: "Gründe für die Verstehensprobleme könnten sein, dass es zu viel Hintergrundmusik oder Hintergrundgeräusche gibt." Hoppe hat in den vergangenen Jahren beobachtet, dass diese Klangelemente immer häufiger das Gesprochene überlagern. "Früher wurde Musik sparsamer eingesetzt, hauptsächlich zwischen den Dialogen. Heute gehen die Dialoge oft ineinander über und das Überblenden wird mit Musik untermalt."

Ein anderes Problem könnten die veränderten Drehsituationen moderner Produktionen sein. Früher sei meistens im Studio gedreht worden, mittlerweile werde vieles im Freien aufgenommen. Das erschwere den Ton-Verantwortlichen, störende Nebengeräusche herauszufiltern.

Die Musik ist nicht das Problem

Ein solcher Ton-Verantwortlicher ist Christoph Metke. Der Mischtonmeister hat an vielen deutschen Fernsehproduktionen mitgewirkt, auch bei "Tatort" und "Polizeiruf 110". Dass die Filmmusik der Urgrund allen Übels sein soll, kann er nicht erkennen. "Wenn alles einigermaßen geschickt arrangiert und gemischt ist, ist die Musik häufig gar nicht das entscheidende Problem. Es liegt an der Verständlichkeit der Sprache."

Anders als früher werde heute bei den Dreharbeiten in allen Situationen, auch bei Dialogszenen, der Originalton verwendet, erklärt Metke. Früher habe man akustisch schwierige Stellen mit vielen Hintergrund- und Nebengeräuschen einfach nachsynchronisiert - das werde aber nicht mehr gemacht. Einerseits aus Kostengründen, andererseits weil befürchtet wird, die Schauspieler könnten im Studio nicht die gleichen Emotionen rüberbringen wie in der Originalsituation.

Eine Synchronisierung hätte aber auch Vorteile. Im Studio sprechen die Darsteller deutlicher, akzentuierter und stets mit einer gewissen Mindestlautstärke. Das erleichtert dem Toningenieur später die Abmischung der Szene. "Dann lässt sich auch jedes andere akustische Detail eines Films, wie Hintergrundgeräusche oder Musik, relativ laut dazu mischen und man versteht den Film trotzdem noch. Bei Originalton-Produktionen ist das komplett anders", so Metke.

Neben diesen eher technischen Aspekten sieht Metke aber auch eine künstlerische Grundeinstellung am Werk: "Meiner Erfahrung nach ist es deutschen Regisseuren gar nicht so wichtig, dass man jedes Wort versteht. Denen ist wichtig, dass man die Geschichte versteht und die Stimmung aufnimmt. Die Intention ist gar nicht immer, dass man jedes Wort versteht." Hinzu komme, dass die Schauspieler häufig nicht gut genug sprechen würden, meint Metke.

Anders als im Theater sprechen Fernsehdarsteller schnell und natürlich. Das ist so gewollt, um die Figuren authentisch wirken zu lassen, wird aber vor allem in actionreichen Szenen mit viel Bewegung und lautem Drumherum problematisch.

"Den Regisseuren ist es teilweise einfach egal"

Gerd Wameling ist Schauspielprofessor an der Hochschule der Künste Berlin und beim Frankfurter "Tatort" als Mordkommissionschef Walter Hillinger zu sehen. Er kann die Klagen der geplagten Krimi-Fans gut nachvollziehen: "Wenn ich vor dem Fernseher sitze, geht es mir genauso wie vielen Zuschauern, die sich über schlechte Tonqualität beklagen. Ich wundere mich häufig, dass ich manche Dinge wunderbar verstehe und manche überhaupt nicht." Früher habe er das nicht so empfunden, aber heutzutage sei ihm in Filmen häufig die Musik zu laut, oder die Schauspieler nuschelten zu sehr.

Das viel beklagte Nuscheln hänge mit dem Wunsch nach authentischer Darstellung zusammen, erklärt auch Wameling. "Beispielsweise will man bei den jungen Girlies des Dresdner 'Tatorts' keine Theatersprache hören, weil das nicht authentisch klingen würde." Authentizität und Verständlichkeit müssen sich aber nicht zwangsläufig ausschließen: "Man kann Schauspieler natürlich so ausbilden, dass sie mit ihrer Sprache umgehen können und es dennoch authentisch wirkt. Die Schuld ist nicht alleine bei den Darstellern zu suchen."

Das eigentliche Problem sieht Wameling in einer Art handwerklichem Schlendrian, da keiner der Verantwortlichen den schlampig gesprochenen Passagen Beachtung schenke: "Auch die Regie, die während der Aufnahme mithört, achtet da offensichtlich nicht drauf. Man könnte in diesem Bereich genauer arbeiten, aber dafür fehlt oft die Zeit." Vor allem bei den Dialogen werde heute keine Sorgfalt mehr auf das Ergebnis gelegt. "Die Regisseure achten nicht mehr darauf, teilweise ist es ihnen einfach egal."

Das alles habe dazu geführt, dass die Sprechkultur in der deutschen Schauspielerei in den letzten Jahren gelitten habe. Metkes Ausführungen über schlecht sprechende Darsteller möchte Wameling aber dennoch nicht einfach stehen lassen: "Wenn Schauspieler in deutschen Fernsehproduktionen nicht gut zu verstehen sind, haben auch die Toningenieure ihren Anteil daran. Wenn der Ton gut ist, werden die Stimmen der Schauspieler vom Mikrofon abgeholt, sogar wenn sie nicht wirklich prägnant sind."

Einfach den Fernseher lauter drehen

Zeitprobleme, Geldprobleme, technische Schwierigkeiten und Regisseure, die den nuscheligen Originalton vorziehen - diese zentralen Faktoren sind es also, die dem deutschen Krimi-Gucker bisweilen das Fernseherlebnis vermiesen. Doch was tun? Christoph Metke rät zu mehr Lautstärke: "Die klangliche Ästhetik von Fernsehproduktionen hat sich mittlerweile dem Kino angenähert. Das setzt voraus, dass die Zuschauer ihren Fernseher etwas lauter drehen."

Wir erinnern uns: In ihrer Stellungnahme hatte die ARD auf "Lautheitssprünge innerhalb der Programme und zwischen den Sendungen" hingewiesen. Genau hier setzt Metkes Ratschlag an: "Wenn die 'Tagesschau', in der nie etwas Lautes vorkommt, beendet ist und der "Tatort“ beginnt, muss man einfach etwas lauter drehen. Das machen die Zuschauer natürlich nicht. Dann hören sie eine sehr laute Titelmusik, gefolgt von einer eher leisen Sprache und denken: Das ist jetzt aber sehr unverständlich. Man muss die Leute dazu bringen, dass sie bei einem dramaturgisch hochwertigen Film einfach ein bisschen lauter drehen."

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