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Rente: Beamtenrente würde Hunderte von Milliarden kosten


Beliebte Forderung widerlegt
Beamtenrente würde Hunderte von Milliarden kosten

t-online, Eine Analyse von Bernhard Vetter

Aktualisiert am 05.10.2016Lesedauer: 4 Min.
Die Altersversorgung der Beamten sorgt immer wieder für Diskussionen.Vergrößern des BildesDie Altersversorgung der Beamten sorgt immer wieder für Diskussionen. (Quelle: Symbolbild/dpa-bilder)
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Es klingt verlockend: Deutschlands Beamte sollen auch in die Rentenkasse einzahlen. Schließlich verdienen sie nicht schlecht – das würde die Rentenversicherung doch bestimmt entlasten. Die Rentenversicherung vielleicht schon, aber die staatlichen Kassen bestimmt nicht. Ganz im Gegenteil.

Wenn etwas zu schön klingt um wahr zu sein, dann ist es auch genau das. Die Forderung, Beamte in die Rentenversicherung einzahlen zu lassen, ist zwar schnell erhoben, aber die Umsetzung wäre nicht nur langwierig, sondern auch teuer. Sehr teuer.

Das liegt hauptsächlich daran, dass es zunächst zu jahrzehntelangen Doppelstrukturen käme: Die öffentlichen Kassen müssten nämlich die Bestandspensionisten zu aktuellen Konditionen weiterversorgen, denn an deren Ansprüchen gibt es nichts zu rütteln. Die Ausgaben würden zwar im Lauf der Zeit geringer werden, wenn keine neuen Beamten dazukommen, aber es würde Jahrzehnte dauern, bis der letzte Fall zu den Akten gelegt werden könnte.

Sofort zusätzliche Ausgaben

Hinzu kämen aber direkt die Ausgaben für die neuen Rentenbeiträge der aktiven Beamten. Der Staat als Arbeitgeber würde jeden Monat 9,35 Prozent des Solds von 1,7 Millionen verbeamteten Staatsdienern in die Rentenkasse einzahlen – und die Beamten selbst noch einmal genauso viel. Da man ihnen aber kaum zumuten könnte, diesen Beitrag quasi aus ihrem bisherigen Nettoeinkommen zu bestreiten, müssten sie auch mehr Geld bekommen.

Und das ist noch nicht alles: Damit die Beamten mit dem Erreichen der Altersgrenze ein entsprechendes Ruhegeld bekommen, müssten die meisten von ihnen für all die Jahre nachversichert werden, in denen sie keine Rentenbeiträge zahlen konnten. Lediglich bei den jüngsten Staatsdienern, die ihr gesamtes Arbeitsleben noch vor sich haben, wäre kein zusätzlicher Ausgleich nötig – abgesehen von dem für den Rentenbeitrag.

Die Zusatzausgaben für den Staat würden natürlich als Steuererhöhungen Bürger und Unternehmen belasten. Wo sollte das Geld auch sonst herkommen? Am Ende zahlen also die Steuerzahler die Rente der Beamten – genau wie jetzt auch.

Beamte tendenziell älter als Arbeitnehmer

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt: die Altersstruktur der deutschen Beamten. Sie sind im Durchschnitt mit 45,4 Jahren etwas älter als die Gesamtheit der Erwerbstätigen, die auf 43,4 Jahre kommen. Der Freiburger Rentenexperte Bernd Raffelhüschen findet deshalb im Gespräch mit t-online.de deutliche Worte für die Idee einer Beamtenrente: "Wer ein Rentensystem sanieren will, indem er eine Gruppe hereinholt, die älter ist als die schon Vorhandenen, ist dumm wie Bohnenstroh."

Er plädiert dafür, weniger breit zu verbeamten, sieht Spielräume dafür aber nur noch bei Lehrern und Professoren. Hier müssten die Länder jedoch – eventuell unter Führung des Bundes – an einem Strang ziehen. Denn sonst würde sich ein Effekt aus der Vergangenheit wiederholen: Als einige Bundesländer aufhörten, Lehrer zu verbeamten, gingen diese einfach woanders hin – mit der Folge, dass Länder ohne Verbeamtung ein Nachwuchsproblem bekamen und von ihrer Praxis abrücken mussten.

So teuer wird's mindestens

Doch was kostet der ganze Spaß nun? Erstaunlicherweise wird die Gesamtsumme des Solds der aktiven Beamten nicht zentral erfasst. Bekannt sind aber die Versorgungsleistungen für die Pensionisten. Das führt uns zu einer Näherungsrechnung: Wenn 1,6 Millionen Ruhegelder, die einem Stand von mindestens 71,75 Prozent des letzten Solds entsprechen und 2014 bei 72,4 Milliarden Euro lagen, auf 100 Prozent und 1,7 Millionen aktive Beamte umgerechnet werden, kommen wir auf 107,2 Milliarden Euro.

Darauf würden nun 18,7 Prozent Rentenbeitrag fällig: 20 Milliarden Euro im Jahr.

Hinzu kommt die fällige Nachversicherung. Auch dazu ein Beispiel: Bei einem 50-jährigen Beamten müssen 25 Jahre nachversichert werden, weil er mit 25 verbeamtet wurde. Für die restliche Zeit bis zur Rente zahlt er selbst Beiträge. Falls er im Durchschnitt dieser 25 Jahre 42.000 Euro jährlich erhalten hat (am Anfang weniger, am Ende mehr), werden daraus wie bei einem Arbeitnehmer die Beiträge berechnet. Im Zeitraum 1991 bis 2016 ergibt sich ein durchschnittlicher Rentenbeitragssatz von 19,2 Prozent. Die Nachversicherung, die laut Deutscher Rentenversicherung komplett der Dienstherr bezahlt, beläuft sich in diesem Fall also auf 201.600 Euro*.

Hier purzeln die Milliarden

Nun gab es 2015 in Deutschland 48.775 Beamtinnen und Beamte im Alter von genau 50 Jahren, wodurch sich alleine für sie eine Nachversicherungssumme von über 9,8 Milliarden Euro ergäbe. Für ältere Beamte wäre sie natürlich noch höher.

Weitere spannende Grafiken finden Sie bei Statista.

Doch schreiben wir unsere Schätzung der Einfachheit halber linear fort. Für 2015 listet die Statistik 505.445 Beamte bei Bund, Ländern, Kommunen und der Sozialversicherung auf, die 51 Jahre und älter sind. Müssten die Dienstherren sie jeweils mit angenommenen 201.600 Euro nachversichern, ergäbe dies 101,9 Milliarden Euro.

Da auch 40- oder 30-jährige Beamte teilweise nachversichert werden müssten, würden weitere dreistellige Milliardenlasten für die öffentlichen Haushalte entstehen. Zwar könnten sie dann auch ihre Pensionsfonds auflösen. Diese sind jedoch bisher nur mit einem niedrigen bis mittleren zweistelligen Milliardenbetrag gefüllt und können die Aufwendungen deshalb nur zu einem kleinen Teil ausgleichen.

Was bleibt nun von der ganzen Diskussion? Unter dem Strich, so Experte Raffelhüschen, sind alle eigentlich ganz froh, dass die Beamten im Bundeshaushalt und in den Landeshaushalten angesiedelt sind. "Den Beamten-Bestand will keiner haben, nicht mal in der gesetzlichen Krankenversicherung", so der Rentenforscher.

Wer die Forderung nach einer Beamtenrente erhebt, muss erklären, wie es funktionieren und wo die für die Umstellung nötige Zweidrittelmehrheit für die Änderung des Grundgesetzes herkommen soll.

* Die Rentenversicherung rechnet hier noch mit Dynamisierungsfaktoren, die den Betrag höher ausfallen lassen. Wir lassen sie aus Gründen der Vereinfachung weg.

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