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Saures Blut


Ein rätselhafter Patient
Saures Blut

spiegel-online, Dennis Ballwieser

15.06.2014Lesedauer: 3 Min.
Der Blutzuckersenker Metformin kann erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen.Vergrößern des BildesDer Blutzuckersenker Metformin kann erhebliche Nebenwirkungen mit sich bringen. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Heftige Magen-Darm-Beschwerden treiben eine 66-Jährige in die Notaufnahme. Sie hat Diabetes, leidet an Depressionen, Asthma und Bluthochdruck. Ihr Blut ist lebensgefährlich sauer - die Patientin erleidet einen Herzstillstand. Ein rätselhafter Patient, was ist der Grund?

Mit dem Rettungswagen wird eine 66-Jährige ins Royal Hospital in der australischen Stadt Adelaide gebracht. Bereits seit mehreren Wochen fühle sie sich nicht wohl, erzählt sie den Ärzten in der Notaufnahme. Seit drei Wochen esse und trinke sie nicht mehr richtig und habe Durchfall. Die Frau ist Diabetikerin.

Bei der ersten Untersuchung erfahren die Mediziner, dass ihre Patientin bereits seit 15 Jahren unter der Zuckerkrankheit leidet. Wegen des Mangels an Insulin ist der Blutzuckerspiegel regelmäßig zu hoch, und die Frau hat Schwierigkeiten, ihn mit Medikamenten gut zu kontrollieren. Zudem leidet die 66-Jährige an Asthma, Bluthochdruck und Depressionen. Sie nimmt sowohl blutdrucksenkende Mittel als auch Aspirin sowie den Blutzuckersenker Metformin.

Zu hoher Kaliumspiegel

Als die Rettungsdienstmitarbeiter die Patientin untersuchten, waren ihr Blutzuckerspiegel und ihr Blutdruck niedrig gewesen, sie hatte deutlich zu schnell geatmet und ihr Herzschlag war langsam. In der Notaufnahme ist die Patientin zudem verwirrt. Eine Laboruntersuchung des Blutes zeigt verschiedene auffällige Werte: Unter anderem ist der Kaliumspiegel beunruhigend hoch - ein Risiko für das Herz. Außerdem ist das Blut der Frau deutlich zu sauer.

Offensichtlich arbeitet die Niere der Patientin nicht richtig. Für gewöhnlich sorgt das Organ dafür, dass der pH-Wert im Blut in einem bestimmten pH-Bereich liegt.

Die Ärzte behandeln sowohl den hohen Kaliumspiegel als auch den pH-Wert, um sich auf die Suche nach der zugrundeliegenden Ursache für die Probleme machen zu können. Doch bereits wenige Minuten nach diesen ersten Schritten verschlechtert sich der Zustand der Patientin so dramatisch, dass ihr Herz zu schlagen aufhört.

25 Minuten lang reanimieren die Notfallmediziner die 66-Jährige. Während der Herz-Lungen-Wiederbelebung legen sie ihr einen Beatmungsschlauch in die Luftröhre und schließen sie an ein Beatmungsgerät an. Tatsächlich gelingt die Wiederbelebung; als der Kreislauf der Frau wiederhergestellt ist, untersuchen die Ärzte sie weiter. Doch weder Röntgenbilder noch ein EKG oder eine Blutuntersuchung auf giftige Substanzen bringen verwertbare Ergebnisse.

Dennoch haben die Mediziner einen Verdacht: Die seit Wochen bestehenden Magen-Darm-Beschwerden, der zu hohe Laktatspiegel im Blut - könnte der Darm das Problem sein?

OP ohne Befund

Die Ärzte bringen ihre Patientin auf die Intensivstation und bereiten sie für eine Darm-Operation vor. Nach der Reanimation benötigt die Frau hohe Konzentrationen an Medikamenten, die den Kreislauf unterstützen. Zudem wird sie an eine Blutwäsche angeschlossen und bekommt Antibiotika.

26 Stunden nach der Aufnahme ins Krankenhaus operieren Chirurgen die Patientin, allerdings können sie am Darm nichts finden. Ohne augenscheinliche Ursache für die Probleme der Patientin machen die Ärzte mit der Dialyse weiter. Tatsächlich normalisieren sich die meisten Blutwerte innerhalb der nächsten drei Tage.

In der Zwischenzeit schließen sie eine Reihe anderer möglicher Ursachen aus - und landen schließlich bei einer seltenen und auch umstrittenen Diagnose: Wie sie im "Journal of Medical Case Reports" berichten, könnte der Flüssigkeitsmangel - gepaart dem Diabetesmedikament Metformin - dazu geführt haben, dass die Niere versagt. Das gestörte Organ konnte deshalb den pH-Wert sowie den Elektrolytespiegel im Blut nicht mehr wie gewohnt steuern. Das würde ihre Beschwerden und auch die Laborwerte und den Kreislaufstillstand erklären.

Eine so schwere Nebenwirkung des Metformins nennen Ärzte metforminassoziierte Laktatazidose, wobei unklar ist, ob Metformin der Auslöser der Übersäuerung des Blutes ist oder nur begünstigend wirkt. Bis zur Hälfte der Patienten überlebt eine so schwere Verschiebung des pH-Wertes im Blut nicht.

Im Fall der australischen Patienten, so schreiben Dumisani Ncomanzi und seine Kollegen in dem Fallbericht, habe die Betroffene die Intensivstation erst nach 35 Tagen wieder verlassen. So lange habe es gedauert, bis die Blutwerte sich nach fortlaufender Dialyse wieder normalisiert hatten.

Auch in diesem Fall ist unklar und umstritten, ob das Metformin wirklich Auslöser der Laktatazidose sein kann. Das akute Nierenversagen der Patientin kann auch eine Folge der Kombination aus Flüssigkeitsmangel und mehrerer Medikamente der Patientin sein, die das Organ beeinträchtigen. Fest steht aber laut dem Fallbericht, dass der Metforminspiegel im Blut nach der Operation tatsächlich deutlich zu hoch ist.

Grundsätzlich infrage stellen Ncomanzi und seine Kollegen das häufig verwendete und grundsätzlich sichere Medikament Metformin nicht. Gleichwohl aber rufen sie zur Vorsicht auf, wenn bei Patienten wegen akuter Ereignisse die Nierenfunktion eingeschränkt ist.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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