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Verwöhnen: Wenn Eltern zu Leibeigenen ihrer Kinder werden


"Verwöhnt!"
Wenn Eltern zu Leibeigenen ihrer Kinder werden

t-online, Simone Blaß

Aktualisiert am 12.07.2013Lesedauer: 4 Min.
Kinder müssen lernen, dass man ihnen nicht sofort jeden Wunsch erfüllen kann.Vergrößern des BildesKinder müssen lernen, dass man ihnen nicht sofort jeden Wunsch erfüllen kann. (Quelle: Thinkstock by Getty-Images-bilder)
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Kann man seine Kinder zu sehr verwöhnen? Eigentlich nicht, meinen die Experten. Aber irgendetwas ist schief gelaufen, wenn ihr Kind plötzlich handgeschnitzte Radieschenmäuse auf dem Abendbrotteller einzufordern beginnt, sich im Grundschulalter noch die Schuhe zubinden lässt oder als Teenager selbst kürzeste Wege kutschiert werden möchte. Ohne es zu merken, werden manche Eltern zu Leibeigenen ihrer Kinder und tun ihnen damit gar keinen Gefallen.

Kleine Sonderwünsche dürfen guten Gewissens erfüllt werden

Von einer "Servicewüste Deutschland" kann man, zumindest was das durchschnittliche Familienleben angeht, eigentlich nicht sprechen. Wünschen sich die Kinder Fischstäbchen, werden wir es möglich machen. Auch die Schorle bekommen sie, wenn gewünscht, mit Blubberwasser. Es ist ja auch nichts dabei, seine Kinder ein bisschen zu verwöhnen, ihnen mit einem Strohhalm in der Lieblingsfarbe eine Freude zu machen oder ihnen zur Hand zu gehen, wenn sie bei Alltäglichkeiten Hilfe brauchen. Doch wo ist die Grenze zwischen "verwöhnen" und "verwöhnt"?

Ein "Nein" sollte kurz und eindeutig begründet werden

"Also bei mir hört’s echt auf, wenn ich Besuchskinder da habe, die grundsätzlich nur frisch gepressten Guaven-Mangosaft in einem Verhältnis 3:1 mit Mineralwasser in Mediumqualität trinken und mich beim gemeinsamen Abendessen fragen, wo denn die Aufschnittplatte sei und wieso es keine in Sterne geschnittenen Gürkchen gäbe", empört sich Susanne, Mutter von zwei Kindern. "Klar, das erste Beispiel ist ein bisschen übertrieben, aber das zweite habe ich echt schon genau so erlebt. Ich habe der jungen Dame dann ganz freundlich klargemacht, dass es bei ihnen zu Hause all das geben mag, bei uns aber nicht. Schon mal deswegen nicht, weil ich für so etwas gar keine Zeit habe. Sie dürfe sich aber gerne selbst einen Stern aus der Gurke schneiden."

Damit hat Susanne ganz verständlich reagiert, meint Karin Jacob vom SOS-Familienzentrum in Berlin. Sie hat ihre Position klar begründet und deutlich gemacht, dass jede Familie ihre eigene Lebenswirklichkeit hat, der sich Gäste auch mal anzupassen haben. "Erwartungen müssen nicht erfüllt werden. Dass ein Kind seine Wünsche aber benennt, ist in Ordnung und darf ihm auch nicht vorgeworfen werden."

Basar am Küchentisch

Kinder zu verwöhnen, bedeutet oft, ihnen sehr viele Wahlmöglichkeiten zu lassen. Doch gerade das ist ihnen eigentlich zu viel. Ein typisches Beispiel ist der reich gedeckte Esstisch. Das Kind kann sich nicht entscheiden, probiert von allem etwas, beißt hier von der Wurst ab und da vom Käse oder isst gleich gar nichts mehr. Das Ergebnis: Die Eltern sind frustriert. "Kein Wunder", meint die Diplompsychologin. "Man überfordert kleine Kinder mit einer Fülle von Wahlmöglichkeiten. Besser ist es, ihnen Begrenzungen zu bieten. Möchtest Du Salami oder Butterkäse? Diese Entscheidung ist schon schwer genug und muss erst einmal gelernt werden."

Wichtiges Lernziel: Nicht jeder Wunsch kann sofort erfüllt werden

Ein bisschen komplizierter wird es, wenn die Kinder älter werden. Wenn es Gemecker gibt, weil ihnen das Angebot im Kühlschrank nicht passt. Auch hier helfen klare Aussagen in Form von "du kannst auswählen zwischen den Dingen, die da sind. Aber wenn du dir etwas anderes wünscht, dann komm doch einfach beim nächsten Einkauf mit." Denn auch Kinder und Jugendliche haben das Recht darauf, auf etwas mehr oder weniger Appetit zu haben und sollten ernst genommen werden mit ihren Bedürfnissen. Ohne dass man gleich Angst haben muss, sie zu verwöhnen. "Wünschen darf sich jeder alles", bestätigt Karin Jacob, "aber Eltern haben auch das Recht 'Nein' zu sagen oder etwas auf später zu verschieben - sie sollten es nur begründen." Ob es sich hierbei um einen bestimmtes Joghurt handelt oder um ein Smartphone, das macht eigentlich keinen Unterschied.

Ist Verwöhnen manchmal nur elterliche Faulheit?

"Ich mach’s ja gern!", hört man immer wieder aus Müttermündern. Aber wenn sie dann zum Mamataxi mutieren, wenn es selbstverständlich wird, dass das Abendbrot in belegter Brötchenform serviert wird und man danach alles stehen und liegen lassen darf und wenn der Kinderarzt meckert, weil der Vierjährige sich bei der U8 die Nase noch nicht allein putzen kann, dann muss sich etwas ändern. Bei diesem Thema geht es auch darum, was man den Kindern zutraut. Oder was man lieber schnell selbst macht, weil alles andere vermeintlich zu lange dauert.

Doch Kinder brauchen diese Herausforderungen und Erfolge für ihre Entwicklung. Dazu gehört auch, dass Eltern sich erstens die Zeit nehmen, zu warten, bis beispielsweise die Schuhe gebunden sind und zweitens die Geduld haben und den Frust aushalten können, wenn es nicht gleich klappt. Da kann schon mal ein heftiger Wutanfall folgen. Doch den gilt es mit Haltung durchzustehen. Das Kind ernst zu nehmen und mit ihm gemeinsam nach einer Lösung zu suchen, ist wichtig.

"Man gibt dem Kind, wenn man ihm zu viel abnimmt, zu wenig Möglichkeiten, sich entwicklungsgerecht zu verhalten", bestätigt auch die Familienberaterin. "Da kann es sein, dass man ihm zu wenig zutraut, da kann es aber auch sein, dass es einem selbst schwer fällt loszulassen. Doch das wird letztendlich auch schwierig für die Kinder." Denn ein Grundschulkind, das sich nach dem Klogang nicht allein abputzen kann, wird nicht gerade auf viel Verständnis bei seinen Mitschülern stoßen.

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