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Frankreichs vergessene Insel


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Frankreichs vergessene Insel

srt, Franz Michael Rohm

26.01.2012Lesedauer: 4 Min.
Der Hafen der Insel.Vergrößern des BildesDer Hafen der Insel. (Quelle: Franz M. Rohm/srt)
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Schlichte, weiß getünchte Häuser mit blauen Fensterläden ducken sich unter gleißendem Licht entlang der Dorfstraße. Fast jedes Haus hat einen von hohen Mauern umfassten Garten, in dem Blumen leuchten und Obstbäume stehen. Hinter den Dünen brandet der kühle, grüngraue Atlantik an den Kilometer langen Weststrand von Noirmoutier. Bei Ebbe ist er fast dreihundert Meter breit, bei Flut keine fünfzig. Ein kräftiger Wind sorgt für schnell wechselnde Himmelskulissen. Es riecht nach Meer und Tang, Möwen kreischen. Schauen Sie sich die Insel in unserer Foto-Show an.

Damals war alles anders

"Ist es nicht wunderbar, dieses atlantische Licht?", fragt Janine Gibet. Seit 63 Jahren lebt sie in dem kleinen Dorf Barbâtre, im südwestlichen Teil der Insel. Janine Gibet erinnert sich an die Zeiten, als noch keine mächtig geschwungene Brücke den Süden der Insel mit dem Festland verband. Bis 1971 tuckerte ein kleines Passagierschiff im Halbstundentakt über die drei Kilometer lange Strecke. Autos konnten nur zweimal am Tag Richtung Festland und zurück fahren, über die Passage du Gois. Angeblich die einzige Straße Frankreichs, die unter dem Meeresspiegel liegt. Nur bei Ebbe, wenn der Tidenhub rund sechs Meter niedriger ist als bei Flut, können Autos für eineinhalb Stunden darüber rollen. Heute ist die Fahrt bei Ebbe ein Spektakel. Neben der Passage durch das Watt kommen Inselbewohner und Touristen noch aus einem weiteren Grund an die Passage du Gois. Im Schlick suchen sie nach Venusmuscheln und den begehrten grauen Krevetten.

'Ragout von verlorenem Fleisch'

Die ersten Touristen sah Madame Gibet nach dem Krieg. Ihre Eltern räumten im Sommer das Haus für zahlende Gäste. "Wir waren arm. Oft gab es als Essen Kartoffeln mit 'Ragout von verlorenem Fleisch'. Also nur Kartoffeln." Die zählen heute zu den Spezialitäten von Noirmoutier und sind keineswegs mehr ein Arme-Leute-Essen. Die frühe Sorte Bonnotte ist in ganz Frankreich und bei Europas Feinschmeckern berühmt wegen ihres einzigartigen Geschmacks. Zwanzig Kilometer lang streckt sich das Eiland, an einigen Stellen ist es kaum fünfhundert Meter breit. Hauptort der Insel ist die Stadt Noirmoutier en l'Ile im Nordosten. Im neunten Jahrhundert gründete der Heilige Filibert hier ein Kloster. Reliquien des Benediktiner-Mönchs werden in der romanischen Krypta der Kirche zur Schau gestellt. Nebenan trutzt eine kleine Burg, deren Ursprünge auf eine Feste zum Schutz gegen die Wikinger zurückgehen.

Salz aus dem Wasser ernten

Zur Hochsaison von Mitte Juli bis Mitte August, wenn auf der Insel fünfzehnmal mehr Touristen als Einwohner leben, füllen sich die kleinen, verträumten Gassen. Zahlreiche Restaurants bieten ausgezeichnete Gerichte der französischen Küche. Empfehlenswert und in wunderbar behaglicher Atmosphäre isst man im Le Velo Noir. Etwa Austern oder Muscheln als Vorspeise, als Hauptgang vielleicht eine mit Landschinken gefüllte Fischroulade. Auf den Tischen steht immer ein Fässchen mit Fleur de Sel. Das edle Salz wird seit Jahrhunderten in den sumpfigen Gärten vor der Stadt geerntet und ist ein beliebtes Mitbringsel der Urlaubsgäste. Die meisten von ihnen bevölkern die drei großen Campingplätze der Insel. Wem ein Dach über dem Kopf lieber ist, der bucht eines der vielen Ferienhäuser.

Schöne Strände und raues Wetter

Nördlich des Städtchens Noirmoutier liegt der Bois de la Chaise. In dem kleinen Wäldchen mit Steineichen und Pinien stehen beeindruckende Villen. "Betuchte Sommerfrischler aus Paris entdeckten den Bois de la Chaise in den 1930er Jahren", berichtet Janine Gibet. Am nördlichen und östlichen Rand des Waldes befinden sich die beiden schönsten Strände der Insel, Plage des Dames und Plage des Sableaux. Ganz anders als an der rauhen Westseite genießt man hier ein fast mediterranes Klima mit goldgelbem Strand und tiefblauem Meer. Die kleinen Buchten und das unvergleichliche Licht inspirierten schon den Maler Auguste Renoir zu zahlreichen Gemälden.

Wann ist die beste Reisezeit

Beste Reisezeit für Noirmoutier ist Mitte September, dann erreichen die Wassertemperaturen mit etwas Glück 20 Grad, und die Strände sind erheblich leerer als zur Hochsaison. Wer es ganz einsam mag, dem empfiehlt Janine Gibet die Insel im späten Herbst. Für sie gibt es nichts Schöneres als einen "ausgedehnten Spaziergang am Strand. Und dann eine Portion Muscheln mit Fritten aus unseren Kartoffeln".

Wie war das mit den Kartoffeln genau?

Nach der grausamen Niederschlagung der Aufstände der Region Vendée gegen die Revolution kam es Anfang des 19. Jahrhunderts zu furchtbaren Hungersnöten. Die Menschen pflanzten, wo sie konnten, Kartoffeln an, auch auf den unter dem Meeresspiegel liegenden Polder-Salzwiesen auf Noirmoutier. Ende des 19. Jahrhunderts waren die Primeurs genannten Frühkartoffeln der Insel bei Feinschmeckern in ganz Frankreich gefragt. Die bekannteste Sorte ist die kleine Bonnotte, die mit gelber Farbe und buttrigem Geschmack überzeugt. In Fünf-Kilo-Holzkisten nehmen die Touristen auch die Sorten La Rose de Mai oder Lady Christal mit nach Hause.

Weitere Informationen:

Anreise: Zwar ist das Fahrrad auf der Insel ein gutes Verkehrsmittel, aber ohne Auto kommt man schlecht nach Noirmoutier. Alternativ: mit Air France über Paris nach Nantes fliegen. Von dort aus per Leihwagen oder Bus.
Unterkunft: Ruhig gelegen ist das Saint Paul im Bois de la Chaise mit gutem Restaurant, großem Garten und Pool, Tel. 0033/251/390563, Doppelzimmer ab 84 Euro. Eine große Auswahl an Ferienwohnungen bzw. -Häusern und die Campingplätze sind buchbar über Office de Tourisme, Tel. 0033/251/398071, www.ile-noirmoutier.com und www.vendee-tourisme.com.
Essen: Le Grand Four in Noirmoutier en L'Ile, Tel. 0033/251/3961-97. Vélo Noir, Tel. 0033/251/3583-29. Feinschmeckeradresse ist das Sternerestaurant La Marine im Hafen von l´Herbaudière, Tel. 0033/251/392309.

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