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Ein rätselhafter Patient: 20 Jahre krank ohne Diagnose


Ein rätselhafter Patient
20 Jahre krank ohne Diagnose

spiegel-online, Dennis Ballwieser

11.05.2014Lesedauer: 3 Min.
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97 Anfälle in zwei Jahrzehnten, aber keine Diagnose: Ein 41-jähriger Schwede leidet immer wieder kurz und heftig unter Herzrasen, Schwindel und Übelkeit und läuft am ganzen Körper rot an. Eine Allergie ist es nicht.

Seit 20 Jahren plagen den Mann Beschwerden, wegen derer er schließlich im Mai 2008 in die Uni-Klinik des schwedischen Karolinska Institutet eingewiesen wird. Ihm wird heiß, er fühlt sich krank, kämpft mit Übelkeit, Herzklopfen und Schwindelanfällen. Los ging es damit bereits im April 1988, so weit zurück reichen seine eigenen Aufzeichnungen, die er den Stockholmer Ärzten präsentiert. Die Ursache für seine Probleme hat noch kein Mediziner gefunden.

In zwei Jahrzehnten hatte der Mann eine Vielzahl von Ärzten konsultiert. Die hatten Stoffwechselkrankheiten, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, psychologische und neurologische Ursachen ausgeschlossen. Insgesamt 97 Anfälle notierte der Patient in der Zwischenzeit. Die meisten waren eher harmlos, doch ein halbes Dutzend Mal musste er in der Notaufnahme behandelt werden, war teilweise bewusstlos und landete auf der Intensivstation.

Allergische Reaktionen - aber keine Allergie

Seinen Ärzten um den Allergologen Theo Gülen schildert der Patient den Ablauf eines typischen Anfalls so: "Es beginnt mit Übelkeit, dann beginnt rasch das Herz schneller zu schlagen. Mein Puls kann bis auf 150 Schläge ansteigen." Diese ersten Symptome halten für etwa zehn Minuten an, schreiben die Mediziner im Fachmagazin "The Lancet". Dann spürt der Mann ein Prickeln auf der Zunge, schwitzt und läuft am ganzen Körper rot an. Gelegentlich übergibt er sich dann, teilweise kühlt sich seine Körpertemperatur deutlich ab. Schwere Attacken dauern bis zu einer halben Stunde. Nach einem Anfall plagen den Patienten Kopfschmerzen, er friert, ihm ist übel, Mund und Zunge schwellen an; dieser Zustand hält über mehrere Stunden an.

Zunächst suchen die Ärzte in der Uni-Klinik nach einer Allergie als mögliche Ursache, doch sie finden keine. In Laboruntersuchungen fallen ihnen Stoffwechselprodukte auf, die auf Probleme mit einem bestimmten Zelltyp hinweisen: Die sogenannten Mastzellen sind Teil des Immunsystems und enthalten große Mengen Histamin, ein Stoff, den der Körper zur ungezielten Abwehr von Eindringlingen einsetzt.

Eine Knochenmarkbiopsie bestätigt den Verdacht der Mediziner: Die Mastzellen sammeln sich in Gruppen und sind deutlich häufiger vorhanden, als es normal wäre. Für die Ärzte steht damit nach 20 Jahren erfolgloser Suche die Diagnose fest: Der mittlerweile 41-jährige Schwede leidet sein nahezu gesamtes Erwachsenenleben lang an einer sogenannten Mastozytose.

Zellen reagieren ohne ersichtlichen Grund

Bei der Mastozytose sammeln sich unnatürlich viele Mastzellen in verschiedenen Körperteilen. Setzen die Zellen dann ohne ersichtlichen Auslöser plötzlich große Mengen Histamin frei, kommt es zu Symptomen ähnlich wie bei einer Allergie. Viele Patienten können zum Beispiel bestimmte Nahrungsmittel als Auslöser ausmachen und diese vermeiden, bei anderen sind Medikamente die Auslöser. Meistens vergehen die Beschwerden nach kurzer Zeit wieder, die Anfälle laufen häufig ähnlich ab. Die meisten Betroffenen, so die schwedischen Ärzte, würden zunächst wegen einer vermeintlichen Allergie behandelt.

Seit der Diagnose nimmt der Mann vorbeugend Medikamente, um erneute Anfälle zu vermeiden. Die Mittel stabilisieren die Mastzellen, so dass sie nicht mehr unkontrolliert Histamin freisetzen. Bei einer Nachuntersuchung im Februar 2014 berichtet der Patient, dass er seit mehr als zwei Jahren keinen schweren Anfall mehr gehabt hat. Zu seinem Schutz trägt er mittlerweile außerdem immer eine Adrenalinspritze mit sich.

Transparenzhinweis
  • Die Informationen ersetzen keine ärztliche Beratung und dürfen daher nicht zur Selbsttherapie verwendet werden.
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