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Ungarns Grenzzaun sorgt für Menschenstau an EU-Außengrenze


Menschenstau an EU-Außengrenze
Ungarns Grenzzaun löst Panik auf der Balkanroute aus

Von Dusan Stojanovic, AP

Aktualisiert am 16.08.2015Lesedauer: 3 Min.
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Flüchtlinge stürmen in Mazedonien einen Zug nach Serbien.Vergrößern des Bildes
Zeitnot auf dem Weg in die EU: Flüchtlinge stürmen in Mazedonien einen Zug nach Serbien - von dort wollen sie über die Grenze nach Ungarn. (Quelle: dpa-bilder)

Es war eine lange Reise, über Kontinente hinweg, durch Wüsten und Wasser. Und jetzt - nur ein paar Dutzend Meter entfernt - ist das Ziel in Sicht: die Europäische Union. Bei Anbruch der Dunkelheit duckt sich die Schlange erschöpfter Männer, Frauen und Kinder in einem Maisfeld im nördlichen Serbien, an der Grenze zu Ungarn. Die Gruppe hofft, bald die letzten Schritte auf dem Weg in die Freiheit zu schaffen, die sie sich von der EU verspricht.

Die Zeit drängt: Man muss über die Grenze, bevor die Ungarn Ende des Monats den Bau eines 175 Kilometer langen Zaunes abgeschlossen haben.

Ungarn baut mit Hochdruck am Zaun

Serbiens Grenze mit dem EU-Mitgliedsstaat Ungarn ist für Zehntausende von Migranten aus dem Nahen Osten, Asien und Afrika zu einem Eingangstor in die Europäische Union geworden. Sie kommen auf der sogenannten Balkanroute, um Armut, Krieg und Konflikt in ihren Heimatländern zu entfliehen.

Das durch den Zustrom schwer belastete Ungarn baut mit Hochdruck an dem Zaun aus einer Art Stacheldraht mit messerscharfen Spitzen. Dabei geht es um mehr als die Konstruktion einer physischen Barriere. Der Zaun ist auch als ein Symbol der Härte gedacht, als eine Geste gegenüber der zunehmend ausländerfeindlichen Bevölkerung.

Ungefähr 1000 Migranten haben jeden Tag versucht, von Serbien nach Ungarn zu gelangen, bevor der Plan für den Zaun vor ein paar Monaten bekanntgegeben wurde. Jetzt liegt die Zahl bei 1500.

Was könnte schlimmer sein, als das Blutvergießen in Syrien?

Adnan führt die Kolonne der syrischen Migranten an, ein breitschultriger Mann in einem schwarzen T-Shirt. Er klebt an seinem Mobiltelefon, folgt den GPS-Koordinaten, die vor ihnen liegende Wege aufzeigen. Die Menschen hinter ihm bewegen sich beinahe atemlos, versuchen alles, um nicht die Aufmerksamkeit der ungarischen Wächter zu erregen, die auf der anderen Seite mit Ferngläsern lauern.

"Das ist es, was wir wollten, und jetzt gibt es keinen Weg zurück", flüstert Adnan, der nur seinen Vornamen angibt - aus Furcht vor einer Abschiebung, sollte er es in den Westen schaffen. "Wir haben keine Angst. Was könnte schlimmer sein als das Blutvergießen, das wir in Syrien zurückgelassen haben?"

Mit dabei: ein Junge, dessen Eltern im Mittelmeer ertranken

Adnan, der ungefähr Mitte 20 ist, und seine Gruppe haben sich in glühender Sommerhitze den Weg durch dorniges Buschwerk und Pampelmusenfelder zur Grenze gebahnt. Etwa 50 Menschen sind es, darunter ein zwei Monate altes Baby und ein Junge, dessen Eltern ertranken, als ihr Boot im Mittelmeer kenterte.

"Syrien ist kein Staat mehr, es ist ein blutiges Durcheinander", sagt Rawad Kak, ein Zahnarzt aus Aleppo, der einer anderen Flüchtlingskarawane angehört. "Wo ist jetzt die westliche Solidarität? Wie können sie zusehen, wie sich die Tragödie vor ihren Augen abspielt, ohne etwas für uns zu tun? Lasst uns einfach gehen und zeigt, dass ihr menschlich seid."

Furcht vor dem Menschenstau

Statt Barrieren niederzureißen werden, werden neue in den Weg gestellt. Jetzt, da Ungarn den Zaun baut, befürchten die Serben, dass sich in ihrem Land die Migranten stauen werden. Dabei leidet Serbien selber immer noch unter den Folgen der Balkankriege in den 1990er Jahren.

Nach Regierungsschätzungen sitzen zurzeit etwa 30.000 Flüchtlinge, zumeist Syrer, Iraker und Afghanen, in dem Nicht-EU-Mitgliedsland fest.

Serbien Grenzpolizei schaut weg

Vor diesem Hintergrund scheinen serbische Stellen jetzt einfach wegzusehen, wenn Migranten über die Grenze nach Ungarn gehen. Serbische Polizisten sollen Flüchtlingen sogar zeigen, welche Routen sicherer sind. Als sich kürzlich ein Team der Nachrichtenagentur AP an der Grenze aufhielt, war nicht eine einzige serbische Patrouille zu sehen.

Die Dunkelheit wird dichter, und Adnan gibt das Kommando: "Wir gehen los!" Die Migranten wandern einen Feldweg entlang, dann biegen sie nach links ab, in Richtung des ungarischen Dorfes Roszke, und verschwinden aus dem Blickfeld des AP-Teams.

Minuten später sind Polizeisirenen zu hören, und Hunde bellen. Noch in derselben Nacht trifft eine SMS von Adnan ein. "Sie haben uns in Ungarn gefasst, und sie haben Hunde eingesetzt, um uns zu stoppen." Er versichert: Trotz des Rückschlags, werden sie es wieder versuchen, trotz Festnahmen und Abschiebungen - solange, bis sie in der EU sind.

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